Nachhaltigkeit im Mittelpunkt der Backnanger Wirtschaftsgespräche
Neuer Ort, neues Format, neue Impulse: Die 19. Backnanger Wirtschaftsgespräche fanden auf dem Kaufland-Parkdeck in der Sulzbacher Straße statt. Beim Austausch zwischen Unternehmen und Politik wurde von Solaranlagen und langen Unterhosen gesprochen.
Von Kornelius Fritz
Backnang. „Wir wollten mit den Wirtschaftsgesprächen zu den Firmen gehen“, erklärt Reiner Gauger, warum die 19. Auflage nicht wie zuletzt auf dem Spinnereigelände hinter dem Finanzamt stattfand. Mit seinem Vorschlag, das jährliche Treffen der lokalen Wirtschaftsgrößen auf dem Parkdeck des Kaufland-Warenhauses auszurichten, sorgte der Wirtschaftsbeauftragte der Stadt Backnang zunächst allerdings für Verwunderung: „Alle haben mich angeschaut und gedacht, der spinnt“, erzählt Gauger.
Bei Kaufland stieß er dagegen auf offene Ohren, das Unternehmen erklärte sich sogar bereit, sein Haus an diesem Tag schon um 18 Uhr zu schließen. Und auch die Mitveranstalter vom Industrieverein für den Raum Backnang und dem BdS-Gewerbeverein erkannten bald die Vorteile der neuen Location: Wegen der hohen Infektionszahlen schien die überdachte, aber luftige Fläche besser geeignet als ein enges Zelt.
Der Nachhaltigkeitsexperte Christian Berg hielt einen kurzen Impulsvortrag
Auch der Ablauf der Veranstaltung mit rund 600 Gästen wurde leicht verändert: Statt langer Reden und Grußworte gab es diesmal nur einen kurzen Impulsvortrag des Nachhaltigkeitsexperten Christian Berg. In einer Podiumsdiskussion, die von Josh Kochhann moderiert wurde, ging es anschließend um die Frage, welchen Beitrag lokale Unternehmen vor Ort leisten können, um den ungezügelten Ressourcenverbrauch zu stoppen. Neben Christian Berg saßen auf dem Podium die Unternehmer Markus Höfliger und Lothar Buchfink, Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich, die geschäftsführende Schulleiterin Karin Moll und Susanne Gehle, die bei Kaufland den Bereich Immobilien verantwortet.
Firmen produzieren Energie selbst
Sie alle machten deutlich, dass nachhaltiges Wirtschaften für Unternehmen eine Pflichtaufgabe ist. Für junge Menschen sei dies inzwischen auch ein Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers: „Wer nicht nachhaltig agiert, wird künftig keinen Nachwuchs mehr gewinnen“, ist Markus Höfliger überzeugt. Der Aufsichtsratsvorsitzende des Maschinenbauers Harro Höfliger aus Allmersbach im Tal gibt offen zu, dass sein Unternehmen viel Energie verbraucht. Deshalb entwickle man Lösungen, wie man möglichst viel davon selbst gewinnen kann. Seine Firma produziere zum Beispiel mit der Energie aus den eigenen Fotovoltaikanlagen Wasserstoff und treibe damit eine Mikrogasturbine an.
19. Backnanger Wirtschaftsgespräche
Erstmals hatten der Industrie- und Gewerbeverein Backnang sowie die Stadt Backnang für den Treff für die Unternehmer und Multiplikatoren des Backnanger Raums auf das Parkdeck der Kauflandfiliale in der Sulzbacher Straße geladen.
Auch Kaufland gewinnt auf den Dächern vieler Warenhäuser Strom aus Sonnenenergie. Das Unternehmen wolle seine Anstrengungen aber noch massiv ausweiten, erklärte Susanne Gehle. Ziel sei es, die CO2-Emmissionen bis 2030 um 80 Prozent zu senken. „Wir haben inzwischen ein eigenes Ressort, das sich ausschließlich mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt“, berichtete Gehle. Autohändler Lothar Buchfink glaubt, dass der Individualverkehr auch künftig gefragt sein wird, allerdings müsse man Möglichkeiten finden, um den Energieverbrauch weiter zu reduzieren. Ein generelles Tempolimit scheint er nicht gänzlich abzulehnen: „Ich fahre zwar gerne schnell, genieße aber auch das gleichmäßigere Fahren im Ausland.“ Auf einen möglichen Gasnotstand im nächsten Winter sind seine Mitarbeiter bereits gut vorbereitet: „Wir haben ihnen zu Weihnachten lange Unterhosen geschenkt.“
OB will Stadtwerke zum Partner in der Energiewende machen
Auch die Stadt Backnang hat sich das Ziel Klimaneutralität auf die Fahnen geschrieben. Auf dem Weg dorthin könnte sich Maximilian Friedrich zum Beispiel vorstellen, öffentliche Parkflächen mit Fotovoltaikanlagen auszurüsten. Allerdings weiß der OB auch, dass die Stadt ihr Ziel alleine nicht erreichen kann. Deshalb will er die Stadtwerke zu einem „Partner in der Energiewende“ machen, der Unternehmen und private Haushalte bei der Umsetzung nachhaltiger Energieprojekte unterstützt.
Experte Christian Berg appellierte an alle, nicht auf die Entscheidungen und Vorgaben der großen Politik zu warten, sondern selbst aktiv zu werden. „Jeder sollte das tun, was er tun kann“, forderte der Wissenschaftler. Was das bei jedem Einzelnen sein könnte, war dann auch Thema bei den zahlreichen Gesprächsrunden, die sich im Anschluss bei Häppchen und kühlen Getränken auf dem Parkdeck bildeten.