Bahn stellt ein erstes Fahrplankonzept vor
Die Deutsche Bahn hat ihr Fahrplankonzept für die Zeit bis zum 12. Mai vorgelegt. Der daran anschließende Abschnitt der Vollsperrungen bleibt dabei allerdings außen vor. Inhaber von Zeittickets sollen für die Einschränkungen mit Einmalzahlungen entschädigt werden.
Von Kai Wieland
Rems-Murr. In weniger als zwei Wochen sollen die Kabelarbeiten für den digitalen Knoten Stuttgart zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt beginnen, ein Fahrplankonzept für den Zeitraum der dann anfallenden Sperrungen wurde von der Deutschen Bahn bis Ostern versprochen. Tatsächlich legte das Unternehmen am Gründonnerstag seine Pläne vor, allerdings lediglich für die ersten Bauabschnitte bis 12. Mai. Das Konzept befriedigt die Erwartungen nur bedingt, weil die gravierendsten Einschränkungen, insbesondere die vierwöchige Vollsperrung zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt, überhaupt erst am 12. Mai einsetzen. Für diesen Zeitraum arbeitet die Deutsche Bahn nach eigener Aussage weiterhin an Lösungen und will diese schnellstmöglich präsentieren.
Das Unternehmen Go-Ahead, dessen Regionalzüge von den Sperrungen genauso betroffen sind, informierte über Fahrplanänderungen für den Zeitraum bis 9. Juni.
Fahrplankonzept für die Murrbahn
Im ersten Abschnitt vom 21. bis zum 25. April verkehren die S-Bahn-Linien S1, S2 und S3 im Halbstundentakt, was für die Pendler der S3 allerdings seit Anfang Februar aufgrund fehlender Züge ohnehin schon Alltag ist. Darüber hinaus entfällt die S4 zwischen Backnang und Marbach am Neckar in diesem Zeitraum komplett. Allerdings soll ein Schienenersatzverkehr im 30-Minuten-Takt eingerichtet werden.
Die Regionalzüge MEX19 und MEX90 zwischen Stuttgart und Crailsheim beziehungsweise Schwäbisch Hall sowie der Regionalexpress RE90 nach Nürnberg weichen auf die sogenannte kleine Murrbahn über Ludwigsburg aus, mit zusätzlichen Halten in Marbach und gegebenenfalls an weiteren S-Bahn-Stationen. Weil dadurch große Zugkapazitäten zwischen Waiblingen und Stuttgart wegfallen, werden dort für diesen Zeitraum ebenfalls Busse als Schienenersatzverkehr unterwegs sein. Außerdem sollen 200 zusätzliche Leihfahrräder an den SEV-Stationen bereitstehen. Die Räder sind 60 Minuten lang kostenlos nutzbar.
Im Zeitraum vom 25. April bis zum 12. Mai können Pendler vor den Vollsperrungen noch einmal durchschnaufen: Die S-Bahnen und Regionalzüge verkehren in dieser Phase weitgehend nach Regelfahrplan. Lediglich die drei oben genannten S-Bahn-Linien fahren weiterhin nur im Halbstundentakt, zudem kann es zu vereinzelten Anpassungen der Abfahrts- und Ankunftszeiten kommen. Schienenersatzverkehr ist für diese Phase nicht vorgesehen.
Von Go-Ahead liegt bereits die Information vor, dass der RE90 zwischen 12. Mai und 9. Juni erneut über Ludwigsburg mit einem Zusatzhalt in Marbach verkehren wird.
Ein guter Plan – sofern er funktioniert
Das vorgestellte Fahrplankonzept kommentiert der Grünen-Landtagsabgeordnete Ralf Nentwich zurückhaltend: Er sei vor allen Dingen gespannt, ob die geplanten Maßnahmen der Deutschen Bahn ausreichen, um die entfallenden Verbindungen aufzufangen. „Es lässt sich noch nicht abschätzen, ob die Taktverdichtung mit dem Konzept voll ausgereizt wird, aber insbesondere im Hinblick auf den Schienenersatzverkehr mit Bussen bin ich doch recht skeptisch, dass die Kapazitäten ausreichen werden.“ Trotzdem: Wenn die Sperrungen schon nicht vermeidbar seien, so zeige das vorliegende Fahrplankonzept doch zumindest, dass bei der Deutschen Bahn hart an möglichen Lösungen gearbeitet werde.
Abzuwarten bleibe außerdem, wie gut die Ersatzangebote von der Bevölkerung angenommen würden, sagt Nentwich. Dabei bezieht er sich nicht zuletzt auf die Idee der Leihfahrräder, die er als kreativ und im Hinblick auf die Gesundheit begrüßenswert bezeichnet. Ob diese für Pendler eine ernst zu nehmende Alternative darstellen, wird sich aber zeigen müssen.
Bündnis ruft zu Demonstration auf
Auch Gernot Gruber (SPD) zeigt sich erleichtert über die Pläne bis zum 12. Mai, hält den Schienenersatzverkehr mit Bussen allein aber für kein tragfähiges Konzept. „Wie es mit den Vollsperrungen weitergeht, da ist die Bahn noch eine Perspektive schuldig. Ohne Pendelverkehr der S-Bahn wird das nicht funktionieren und der sollte meines Erachtens auch möglich sein.“
In der Bevölkerung haben sich indessen noch nicht alle mit der Baustellenpolitik der Deutschen Bahn und den bevorstehenden Sperrungen abgefunden. Am 14. April ruft das breit gefächerte „Bündnis gegen Streckensperrungen zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt“ zu einer Demonstration vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof auf.
Außer zum Konzept für die Fahrpläne äußerte sich die Deutsche Bahn auch zur Frage der Entschädigung ihrer Kunden. Demnach sollen Abonnenten und Inhaber von Jahrestickets des VVS eine einmalige Entschädigung in Höhe von 49 Euro erhalten, was dem monatlichen Preis des ab Mai gültigen Deutschlandtickets entspricht. Wer das Jugendticket BW oder das Studiticket besitzt, darf sich zumindest über 31 Euro freuen. Die Zahlungen sollen unbürokratisch und automatisch erfolgen, müssen also nicht extra beantragt werden.
Sowohl Landesverkehrsminister Winfried Hermann als auch der Verband Region Stuttgart begrüßten die Entschädigung der Reisenden, mahnten jedoch auch dazu, die Einschränkungen für die Bahnpendler durch entsprechende Ersatzangebote so gering wie möglich zu halten. Ralf Nentwich lobt insbesondere die unbürokratische Abwicklung der Entschädigungszahlungen: „Es ist wichtig, dass die Menschen dafür nicht auch noch irgendwelche Formulare ausfüllen müssen.“ Die Entschädigung erhalten übrigens all jene, die zum Stichtag, dem 5. April, Inhaber eines Tickets der genannten Kategorien gewesen sind. Das heißt aber auch: Wer im Mai erstmals anlässlich des Deutschlandtickets (siehe Infotext) ein Abo abschließen möchte, hat keine Vergünstigungen aufgrund der Sperrungen zu erwarten. „Das wird wahrscheinlich nur eine kleine Gruppe betreffen, aber da könnte man sicher auch noch mal nachschärfen“, sagt Nentwich dazu.
Ticket Dass mehr oder weniger gleichzeitig mit den Kabelarbeiten und den damit verbundenen Sperrungen auch das Deutschlandticket, besser bekannt als 49-Euro-Ticket, an den Start geht, erscheint ein Stück weit kurios. Das monatlich kündbare Abo kann seit dieser Woche gekauft werden und wird ab Mai bundesweit die unbegrenzte Nutzung des Nah- und Regionalverkehrs ermöglichen. Es orientiert sich damit am 9-Euro-Ticket, welches 2022 von Juni bis August zu Hochbetrieb in den Regionalzügen und S-Bahnen geführt hatte. Das Deutschlandticket soll nicht nur Bahnpendler entlasten, sondern auch einen Beitrag zur Verkehrswende leisten und den ÖPNV attraktiver machen.
Startschwierigkeiten Diese Bemühungen werden durch die Sperrungen ein Stück weit konterkariert. Allerdings sind diese nicht allein verantwortlich dafür, dass das Deutschlandticket im Rems-Murr-Kreis einen schweren Start haben könnte. Die höchst mäßigen Beförderungsleistungen in den vergangenen Monaten durch die S-Bahn haben daran ebenfalls ihren Anteil. Zwar erholt sich die S-Bahn langsam vom Coronaloch – im Jahr 2022 wurde mit rund 102 Millionen Fahrgästen der Stand von 2013 erreicht, für den Stand vom Rekordjahr 2019 fehlen noch rund 30 Millionen Fahrgäste –, allerdings sind im vergangenen Jahr rund 1,4 Millionen Zugkilometer ausgefallen. Auch die Pünktlichkeitsstatistik zeigt, dass vieles im Argen liegt. Bei der S-Bahn Stuttgart betrug die sogenannte Sechsminutenpünktlichkeit im Februar dieses Jahres 90,1 Prozent. In den Vorjahren lag sie im Vergleichszeitraum zwischen 97 und 98 Prozent. Bei der Dreiminutenpünktlichkeit ist die Kluft noch größer: Während diese im Februar in der Regel zwischen 85 und 93 Prozent betrug, liegt der Wert in diesem Jahr bei 76,2 Prozent.