Bahnhöfe der Region gestern und heute
Beim Altstadtstammtisch des Heimat- und Kulturvereins Backnang waren die Bahnhöfe der Murrbahn Thema. In einem Vortrag wurde die Architektur der Bahnhofsgebäude beleuchtet und den rund 50 Zuhörern mit Bildern und Plänen anschaulich präsentiert.

Das nicht mehr existierende Backnanger Bahnhofsgebäude um 1950. Foto: Archiv
Von Carmen Warstat
BACKNANG. Der 224. Altstadtstammtisch des Heimat- und Kunstvereins Backnang befasste sich am Montagabend mit der Bahnhofsarchitektur der 1870er-Jahre im Königreich Württemberg, insbesondere mit den Bahnhofsgebäuden der Murrtalbahn, und schaute von da aus in die Zukunft. Etwa 50 Gäste verfolgten den digitalen Vortrag des Architekturhistorikers Klaus J. Loderer an ihren Bildschirmen, darunter auch solche aus Berlin und dem Rheinland. Zumindest ein großer Vorteil dieses sonst so schwierigen Formats wurde somit deutlich: Es findet nicht ortsgebunden statt und kann auch von auswärtigen Interessenten besucht werden.
Der Backnanger Bahnhof erhielt als Knotenpunkt ein besonderes Gebäude
Ernst Hövelborn begrüßte den „profunden Kenner der Backnanger Baugeschichte“, und Horst Schildknecht berichtete eingangs über Kindheitserlebnisse. Jahrelang fuhr er mit der Bahn zur Schule, verweilte mit Freunden am und im Bahnhofsgebäude, die Hausaufgaben und den Kaffee teilend.
Der Referent Klaus J. Loderer hatte umfangreiches Material mitgebracht, darunter Fotos und Karten, Zeitungsberichte und Katasteramtsauszüge, zu denen er frei sprach. Seine Recherchen hatten Loderer unter anderem ins Staatsarchiv Ludwigsburg geführt. Als Knotenpunkt der Murrbahn, deren Bau im 19. Jahrhundert begann (siehe Infokasten), erhielt der Backnanger Bahnhof ein repräsentatives Verwaltungsgebäude, das bemerkenswerterweise heute nicht mehr existiert.

Im Jahr 1974 wurde der Backnanger Bahnhof umgebaut. Foto: Archiv
Ein Lageplan des Backnanger Bahnhofs von 1874 zeigt, dass dieser fast so groß war wie die gesamte Innenstadt und ein riesiges System, bestehend aus Personen- und Güterbahnhof, bildete. Die Erdarbeiten dafür waren gigantisch und erforderten den Bau mehrerer Brücken. Loderer zeigte Dokumente zur „Verakkordirung von Eisenbahnhochbauarbeiten“, das waren Kostenvoranschläge etwa für den Bau des Bahnhofsgebäudes, das eigentlich als Empfangsgebäude bezeichnet wird und in Württemberg Verwaltungsgebäude hieß.
Gebäudearchitektur in Backnang beispielhaft für die Moderne
Auch Zeichnungen, Pläne und Fotos von den Nebengebäuden wurden präsentiert und Loderer erzählte dazu frei heraus über die Situation vor nunmehr 150 Jahren. Im Vergleich dazu sehe das heutige Bahnhofsgebäude sehr bescheiden, wenn nicht schäbig aus, wie mehrere Zuhörer andeuteten. Aber Klaus J. Loderer verteidigte die Gebäudearchitektur als beispielhaft für die Moderne, sie erinnere an den berühmten Architekt Mies van der Rohe. Ernst Hövelborn machte mangelnde Pflege und ein Zuviel an Werbung für den aktuell schlechten Eindruck verantwortlich.
Der Vortragende beleuchtete nicht zuletzt einige Phänomene um die Bahn herum, etwa die Bahnhofstraße und die „Restaurationen“, also Bahnhofsgaststätten, die sich bald in der Nähe von Bahnhöfen etablierten und nicht selten „Zur Eisenbahn“ hießen.
„Tief beeindruckt von diesem umfassenden und imposanten Überblick“ zeigte sich Ernst Hövelborn schließlich und dankte dem Referenten für seine kenntnisreichen Ausführungen.
26. Oktober 1876: Eröffnung Bahnlinie Waiblingen–Backnang
11. April 1878: Eröffnung Bahnstrecke Backnang–Murrhardt
1. Dezember 1879: Eröffnung Bahnlinie Hessental–Gaildorf
8. Dezember 1879: Eröffnung Bahnstrecke Bietigheim–Backnang
1880: Eröffnung Bahnstrecke Murrhardt– Gaildorf
1881: Eröffnung Bahnstrecke Ludwigsburg–Beihingen