Bahnpendler erwartet „maximale Störung“
Um Kabel für den digitalen Bahnknoten Stuttgart zu verlegen, kündigt die Deutsche Bahn mehrwöchige Sperrungen wichtiger Strecken an. Davon betroffen ist wieder einmal die ohnehin schon gebeutelte Murrbahn, Pendler müssen sich auf massive Einschränkungen einstellen.
Rems-Murr. Die Pendler auf der Murrbahn sind angesichts der diversen Hiobsbotschaften der vergangenen Monate rund um S3 und Go-Ahead durchaus leidgeprüft. Die jüngste Ankündigung der Deutschen Bahn, aufgrund der Kabelarbeiten für den digitalen Verkehrsknoten Stuttgart wichtige Strecken über mehrere Wochen teilweise oder vollständig zu sperren, sorgt allerdings selbst bei hart gesottenen Zynikern nur noch für ungläubiges Kopfschütteln.
Insgesamt 14 Wochen, schon ab 21. April bis 29. Juli, werden die Arbeiten zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen sowohl Murr- als auch Remsbahn massiv einschränken. Betroffen sind davon sowohl die S-Bahn-Linien als auch die Regionalzüge. An diesen Zeitraum wird sich nahtlos die bereits aus den Vorjahren bekannte Sperrung des Innenstadttunnels anschließen, gefolgt von elf weiteren Wochen Bauarbeiten auf den Streckenabschnitten nach Vaihingen und zum Flughafen, welche die Linie S3 ebenfalls betreffen.
Heftige Reaktionen aus der Politik
Landesverkehrsminister Winfried Hermann zeigte sich genau wie der Verband Region Stuttgart, welcher als Aufgabenträger für den Schienennahverkehr in der Region Stuttgart zuständig ist, von der Ankündigung der Deutschen Bahn überrascht und spricht in einer Pressemitteilung von einer „maximalen Störung des Schienenverkehrs“. Sowohl Hermann als auch der Verband formulieren klare Forderungen an die Deutsche Bahn, die Einschränkungen für die Bahnreisenden so gering wie möglich zu halten und die notwendigen Maßnahmen für einen Schienenersatzverkehr schnellstmöglich zu organisieren.
Der Backnanger Landtagsabgeordnete Ralf Nentwich von den Grünen bezeichnet die Streckensperrungen in Bad Cannstatt, Vaihingen und Waiblingen als schweren Schlag für die Kundinnen und Kunden des öffentlichen Personennahverkehrs, vor allem im Rems-Murr-Kreis, aber auch im Landkreis Schwäbisch Hall und Ostalbkreis. „Die Sperrung konterkariert auch die Bemühungen, mehr Menschen zum Umstieg auf den öffentlichen Verkehr zu bewegen“, so Nentwich. Zwar hält er die Schaffung des ersten digitalen Bahnknotens für einen wichtigen Schritt, derartig massive und vor allem kurzfristige Sperrungen ließen allerdings Zweifel an der Fähigkeit der Deutschen Bahn aufkommen, ein solches Projekt in zumutbarer Weise durchzuführen.
Von einem Schock angesichts der Ankündigung spricht der Landtagsabgeordnete Gernot Gruber (SPD): „Das klingt wirklich nach chaotischen Zuständen und es ist bloß zu hoffen, dass seitens der Bahn wenigstens ein vernünftiger Notbetrieb eingerichtet wird.“
Die FDP-Landtagsabgeordneten Julia Goll aus Waiblingen und Jochen Haußmann aus Schorndorf finden ebenfalls klare Worte für das Vorgehen der Deutschen Bahn, sparen in ihrer Kritik allerdings auch Verkehrsminister Winfried Herrmann nicht aus: „Wenn es stimmt, dass er von der Ankündigung der DB völlig überrascht worden ist, dann muss er sich fragen lassen, ob sein Ministerium nicht vollkommen den Überblick verloren hat.“
Ringen um Ersatzangebote
In ihrer Pressemitteilung verspricht die Deutsche Bahn, intensiv an Ersatzangeboten für Bahnreisende zu arbeiten, doch wie akzeptable Alternativen konkret aussehen könnten, ist die große Frage. Wünschenswert wäre eine Lösung, durch die Bahnreisende aus den Richtungen Backnang und Schorndorf zumindest die S-Bahn-Station Nürnberger Straße erreichen, wo ein Umstieg auf die U-Bahn relativ unkompliziert möglich wäre. Zwar ist auch Fellbach an das U-Bahn-Netz angeschlossen, dort allerdings müsste für den Umstieg ein längerer Fußweg oder eine Busfahrt in Kauf genommen werden. Ob ein solches Szenario, nach dem sich auch Ralf Nentwich beim Verkehrsministerium erkundigt hat, zumindest in einem Teilzeitraum technisch überhaupt umsetzbar wäre, bleibt allerdings abzuwarten. Dasselbe gilt für eine Taktverdichtung und Fahrzeugverlängerung sowohl der S3, um die Fahrgäste der Regionalzüge aufzunehmen, als auch der betreffenden U-Bahn-Linien, welche dadurch deutlich stärker frequentiert würden.
Nentwich stellt außerdem die Frage nach einer möglichen Taktverdichtung und Fahrzeugverlängerung der Züge auf der Linie S4, welche von Backnang über Marbach und Ludwigsburg nach Stuttgart fährt und damit von den Bauarbeiten zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt nicht unmittelbar betroffen ist.
Wie der Bahnverkehr auf der Murrbahn ab Ende April letztlich aussehen wird, ist momentan noch ungewiss, die Deutsche Bahn teilt mit, aktuell noch an den Fahrplankonzepten zu arbeiten. Schon jetzt zeichnet sich aber ab: Auf Pendler kommen wieder schwere Zeiten und volle Bahnen zu.
Erster digitaler Verkehrsknoten In der Metropolregion Stuttgart soll im Zuge der Arbeiten für Stuttgart21 der erste digital gesteuerte Schienenknoten Deutschlands entstehen. Zu diesem Zweck müssen etwa 500 Fahrzeuge mit digitaler Technik ausgerüstet werden, was einer der Gründe ist, weshalb im S-Bahn-Netz der Region Stuttgart derzeit Züge fehlen. Dies hatte bereits eine Reduzierung des S-Bahn-Takts der Linie S3 bewirkt (wir berichteten).
Kabelarbeiten Rund 1200 Kilometer Kabel müssen laut Deutscher Bahn verlegt werden, um den digitalen Knoten zu ermöglichen. Zudem seien mehr als 70 neue Kabelquerungen unter Gleisen und in Bahnhöfen zu bauen. Da dies unter „rollendem Rad“ nicht möglich sei, kommt es zu den nun verkündeten Sperrungen.