Bande handelt mit über 60 Kilogramm Rauschgift

Auftaktverhandlung vor dem Stuttgarter Landgericht – Polizei hatte nach Razzia in Backnang und Aalen 21 Beschuldigte verhaftet

Symbolfoto: Photographee.eu - Fotolia

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Von Bernd S. Winckler

BACKNANG/STUTTGART. Im Rahmen einer im Mai vergangen Jahres groß angelegten Aktion hatten rund 700 Beamte, unter anderem auch Fahnder der Rauschgiftdezernate Backnang, Waiblingen, Stuttgart und Sindelfingen, mehrere Wohn- und Gaststättenbetriebe durchsucht und dabei in Backnang und Stuttgart große Mengen Rauschgift, Bargeld und andere Gegenstände sichergestellt. Von den festgenommenen 21 Beschuldigten sitzen jetzt sieben Männer zwischen 21 und 45 Jahren auf der Anklagebank.

Die 8. Große Strafkammer am Stuttgarter Landgericht hat am gestrigen Mittwoch das Mammutverfahren gegen diese sieben Angeklagten begonnen. Einer von ihnen stammt aus Nellmersbach, ein weiterer aus Schorndorf. Den Männern wirft die Staatsanwaltschaft vor, von Ende 2018 bis Mai einen schwunghaften Handel mit Kokain und Marihuana betrieben zu haben, wobei es um Mengen über 60 Kilo verschiedener Drogensubstanzen geht und bei denen die Stuttgarter Strafverfolgungsbehörde davon ausgeht, dass die Beschuldigten einen Gewinn in Höhe von 2,5 Millionen Euro gemacht haben. Die Bandenstruktur soll einem Wirtschaftsunternehmen geähnelt haben, die Arbeit wurde aufgeteilt, das Vorgehen war konspirativ. Wie bei einem Lagerhaus soll die Bande in Stuttgart einen Drogenbunker in einem Aufzugsschacht unterhalten haben und daraus dann bis zu den Festnahmen jeweils die Rauschgiftmengen eingelagert und zum Weiterverkauf entnommen haben.

Bisher hatte sich die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung und Anklage gegen mutmaßliche Drogendealer auf die Ergebnisse der polizeilichen Handy-Abhörprotokolle der Verdächtigen verlassen können. Das ist in diesem jetzt begonnenen Verfahren vor dem Landgericht anders. Die professionellen Drogendealer sollen technisch dazugelernt haben: Sie benutzten im vorliegenden Fall sogenannte Duplex-Handys, Smartphons, die von elektronisch versierten Technikern so umgebaut wurden, dass sie abhörsicher wurden. Dabei werden mehrere Karten in den Handys verwendet, sodass die Polizei jeweils immer nur einen der Teilnehmer verzerrt hören kann, den anderen nicht, was zudem elektronisch wechselseitig gesteuert wird. Es ist eine Praxis, die einst Funkamateure entwickelt hatten. Die Anklage nennt es kurz „verschlüsselte Handys“.

Dennoch konnte am 7. Mai ein Sondereinsatzkommando der Polizei bei der Razzia in Backnang, Aalen und Reutlingen neun Männer festnehmen, von denen sieben mit syrischen, mazedonischen, afghanischen und türkischen Wurzeln jetzt angeklagt sind. Die Angeklagten werden zum großen Teil dem Umfeld der kurdisch dominierten Streetgangs zugeordnet. Gegen weitere Festgenommene soll später wegen Erpressung, Waffenvergehens und Bandendiebstahls verhandelt werden.

Prozess um Drogen, Geldwäsche, Schutzgelderpressung und Waffen

Vor den Verhaftungen waren von den verschiedenen Polizeidienststellen mehrmonatige verdeckt geführte Ermittlungen in enger Zusammenarbeit mit der Stuttgarter Schwerpunktstaatsanwaltschaft geführt worden. Dabei ging es nicht nur um Drogendelikte, sondern laut der Anklage auch um Schutzgelderpressung, Geldwäsche und Verstoß gegen das Waffengesetz. Sicherstellen konnte die Polizei zwei scharfe Schusswaffen, Munition und weitere Bewaffnungsgegenstände sowie Pyrotechnik, große Bargeldmengen – und einen Koffer mit Gold.

Im Einzelnen wirft die Anklage den sieben Männern in 20 Einzelfällen vor, Kokain und Marihuana jeweils im Bereich zwischen einem und 20 Kilogramm von einem unbekannten Lieferanten aus Frankfurt am Main eingekauft und mit hohen Gewinnen an Kunden abgegeben zu haben. Über 20 Kilo Marihuana allein an einem Januartag an einen Abnehmer in Backnang. Preis: 16500 Euro. Die Reinheit des Rauschgifts mit 99 Prozent überrascht selbst die Staatsanwältin, die gestern die dicke Anklageschrift verlesen hatte. Zwei Tage später seien es dann zwei Kilo Kokain gewesen, welches auf einem Backnanger Parkplatz für 36000 Euro übergeben worden sei. Bei den weiteren 18 Fällen soll es sich um Drogen zwischen einem und je 20 Kilo handeln. Von den Einnahmen soll sich der Hauptangeklagte im Januar für 75000 Euro ein Luxusfahrzeug gekauft und bar bezahlt haben. Über 2,5 Millionen Euro will die Anklägerin von den Angeklagten als Vermögensabschöpfung wegen Geldwäsche vom Gericht einziehen lassen.

Die Angeklagten machten gestern von ihrem Recht der Aussageverweigerung Gebrauch. Die Strafkammer hat 21 Prozesstage bis zum 28. April angesetzt.

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Erstellt:
9. Januar 2020, 06:00 Uhr

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