Baubeginn wohl auf den letzten Drücker
Mit dem Hochwasserrückhaltebecken Oppenweiler muss bis Ende Oktober begonnen werden, sonst verfällt der Planfeststellungsbeschluss. Noch fehlt eine letzte Unterschrift. Erst danach erteilt das Landratsamt die Baufreigabe. Das Projekt beginnt mit der Verlegung eines Wegs.
Von Matthias Nothstein
Oppenweiler. Der Bau des Hochwasserrückhaltebeckens Oppenweiler ist seit Jahren geplant, doch bislang wurde die Baustelle noch nicht begonnen. Dies ändert sich bald. Genauer gesagt: Dies muss sich bald ändern. Denn der Planfeststellungsbeschluss für das Becken hat nur eine Gültigkeit von fünf Jahren – und diese Frist endet am 31. Oktober dieses Jahres. Bis dahin muss der Wasserverband Murrtal mit dem Bau begonnen haben, sonst droht dem wichtigen Hochwasserschutzprojekt Ungemach. Denn auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigt das Landratsamt Rems-Murr-Kreis, dass es keine Möglichkeit gibt, diese gesetzliche Frist zu verlängern. Das würde bedeuten, dass ein neuer Planfeststellungsbeschluss gefasst werden müsste.
Zwar würde ein solcher Beschluss laut Landratsamt „vermutlich grundsätzlich mit dem ersten identisch sein“. Aber all die Änderungen, an denen es bislang hakt, müssten dann trotz alledem berücksichtigt werden. Zudem müssten zuvor noch die betroffenen Fachbehörden sowie die Öffentlichkeit erneut angehört werden. Aus der Waiblinger Behörde heißt es: „Insofern ist der Ablauf eines Planfeststellungsverfahrens dabei zu beachten.“ Diese Verzögerungen und Mehrarbeiten kann niemand ernsthaft wollen, weshalb die Verantwortlichen des Murrtal-Wasserverbands derzeit alle Hebel in Bewegung setzen, dass es mit dem Baubeginn doch noch rechtzeitig klappt. Dem Verband gehören die Kommunen Backnang, Oppenweiler, Sulzbach an der Murr und Murrhardt an.
Bernhard Bühler, Bürgermeister von Oppenweiler und aktuell amtierender Vorsitzender des Murrtal-Wasserverbands, zeigt sich trotz des Zeitdrucks sehr zuversichtlich. Er schreibt: „Es gibt derzeit keinen Grund, daran zu zweifeln, dass der Baubeginn innerhalb der Frist – also vor dem 31. Oktober 2022 – ermöglicht wird.“
Aber weshalb hat es überhaupt so lange gedauert? Bühler erklärt, dass seit der Unanfechtbarkeit der Planfeststellung 2017 die Arbeiten an der Ausführungsplanung ohne Unterlass laufen würden. Er beschreibt das komplexe Verfahren so: „Zunächst musste eine europaweite Ausschreibung der Planungsleistungen erfolgen. Den Zuschlag erhielt das bestens mit der örtlichen Situation vertraute und leistungsfähige Ingenieurbüro Winkler und Partner (IWP) aus Stuttgart. Bei der Ausführungsplanung mussten alle Details der Vorplanung, die die Grundlage der Planfeststellung war, überprüft, konkretisiert und teilweise den inzwischen veränderten Bedingungen angepasst werden.“
Laut Bühler haben sich unter anderem wegen der sogenannten Leitfischart einige Änderungen ergeben. Ein Problem, mit dem auch Backnang beim Umbau des Biegelwehrs zu kämpfen hat. Dort musste der Verlauf der Rampe neu bemessen werden, da die Beckengröße auf die dort bestimmende Fischart „Barbe“ abgestimmt werden musste. Die Rampe wird in Backnang rund doppelt so lang wie ursprünglich geplant. In Oppenweiler muss zudem auch das Höhensystem umgestellt werden. Eine Simulation habe laut Bühler gezeigt, dass der Bereich der Rüflensmühle im Extremfall einen zusätzlichen Schutz benötige. Dafür mussten unter anderem „kleine zusätzliche Verwallungen“ eingeplant werden.
Ebenfalls überprüft worden sind die Maßnahmen des Natur- und Umweltschutzes. Dabei sei unter anderem festgestellt worden, dass sich besonders gefährdete Tierarten im Baubereich niedergelassen hätten, die vor Baubeginn umzusiedeln sind. So wurde nun mit der Schaffung eines Ersatzhabitats für die Haselmaus begonnen.
Bei der Ausführungsplanung hätten sich laut Bühler zudem in wenigen Details auch Veränderungen ergeben. Veränderungen, die sich auf Grundstücken befinden, die vom Planfeststellungsbeschluss nicht erfasst waren. In der Folge wurde der Verband aufgefordert, mit den Eigentümern Einigungen zu erzielen. Dieser Einigungsprozess ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass laut Bühler „nur noch in einem Fall eine Unterschrift“ fehlt. Der Rathauschef von Oppenweiler ist höchst zuversichtlich: „Der notarielle Vertrag ist zwischen den Beteiligten abgestimmt und der Termin beim Notar ist bereits reserviert.“
Sobald der Vertrag unterzeichnet ist, kann das Landratsamt die Baufreigabe erteilen. In der Folge werden dann die Ausschreibungen für die Bauarbeiten auf den Weg gebracht. Laut Bühler kann das Projekt dann recht zügig mit der Verlegung des Wirtschafts- und Radwegs begonnen werden. Diese Arbeiten reichen als „offizieller Baubeginn“ aus, womit die Frist eingehalten werden könnte. Die zentralen Bestandteile des Beckens wie das riesige Durchlassbauwerk, das Schlauchwehr oder der eigentliche Damm könnten später begonnen werden. Oder wie es das Landratsamt formuliert: „Es genügt, wenn ein Bagger mit dem Aushub für den neuen Rad- und Wirtschaftsweg entlang der Bahnlinie beginnt.“
Die Tatsache, dass der Start nun höchstens auf den letzten Drücker gelingt, kommentiert das Amt so: „Aufgrund der Komplexität eines solchen Großvorhabens ist es nicht ungewöhnlich, sondern eher der Normalfall, dass sich bei der Ausführungsplanung Änderungen im Vergleich zum Planfeststellungsbeschluss ergeben. Neben kleineren Umplanungen waren besonders die Verlegung des Rad- und Wirtschaftswegs aufgrund einer für die Haselmaus geplanten Ausgleichsmaßnahme, erforderliche Neukonstruktionen und Optimierungen des Damms, des Durchlassbauwerks und des Schlauchwehrs sowie Änderungen beim Gewässerausbau und der Wege der Grund für die Verzögerungen. Zudem musste der Wasserverband noch mit den betroffenen Grundstückseigentümern einig werden.“
Befristung Das sogenannte Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG) regelt die Befristung eines Planfeststellungsbeschlusses. Begonnen hat die Fünfjahresfrist im vorliegenden Fall am 1. November 2017, als der Beschluss unanfechtbar geworden ist. Daher verfällt der Plan am 1. November 2022.
Wiederholung Müsste der Planfeststellungsbeschluss nochmals gefasst werden, so würde dies zu erheblichen Verzögerungen führen. Der zeitliche Ablauf richtet sich nach Paragraf 73 des LVwVfG. Sobald der überarbeitete Plan eingereicht wird, werden die Fachbehörden sowie die Gemeinde (erneut) angehört und um eine Stellungnahme innerhalb von drei Monaten gebeten. Parallel wird der Plan einen Monat lang öffentlich ausgelegt. Bis zwei Wochen danach können Einwendungen erhoben werden. Anschließend kann es einen Erörterungstermin geben, bei dem diese Einwendungen besprochen werden. Eine realistische Einschätzung, wie lange ein solches Verfahren dauern würde, ist schwierig. Angesichts der im Verfahren eingegangenen Stellungnahmen kann davon ausgegangen werden, dass die Fachbehörden und die Gemeinde ähnlich lautende Stellungnahmen abgeben werden. Was vonseiten der Öffentlichkeit dann jedoch noch herangetragen wird, ist völlig unklar.
Becken Oppenweiler Das mit Abstand größte Becken des Wasserverbands Murrtal fasst 850000 Kubikmeter. Der Bau wird begonnen mit der Verlegung des Wirtschafts- und Radwegs zur Bahn hin. Es folgen das Durchlassbauwerk und später der eigentliche Damm. Bauende: voraussichtlich 2026. Die Gesamtkosten betragen über 20 Millionen Euro, wobei ein Großteil vom Land getragen wird.
Wasserkraft Die aktuellen Hindernisse hängen nicht mit dem Wasserkraftwerk von Jürgen Küenzlen zusammen. Küenzlen hat zwar in der Tat vor Jahren für seine Rechte gekämpft und das Verfahren verkompliziert, aber diese Kämpfe sind seinen Aussagen zufolge längst alle beendet. Er kann seine Wasserkraftanlage bauen. Er hätte eigenen Aussagen zufolge diese schon vor 20 Jahren ausgebaut, was auch ohne das Rückhaltebecken möglich gewesen wäre. Das Landratsamt hat seine Anlage genehmigt. Zuletzt konnte er jedoch nur deshalb nicht bauen, weil es noch kein Becken gibt.