Demonstrationen
Bauern mit Wut und Traktoren gegen Aus für Agrardiesel
Die unerfreuliche Adventsbotschaft hat Bauern kalt erwischt: Gleich doppelt sollen sie von Sparplänen betroffen sein. Empörung darüber wird jetzt in der Hauptstadt sichtbar.
Von Von Sascha Meyer und Felix Krone, dpa
Berlin - Mit empörten Protesten und einer langen Treckerkolonne haben Tausende Landwirte in Berlin Front gegen ein vorgesehenes Aus für Steuervergünstigungen gemacht. "Wir nehmen das nicht hin", rief Bauernpräsident Joachim Rukwied bei einer Kundgebung am Brandenburger Tor. Er forderte die Ampel-Koalition zur Rücknahme von Einsparplänen beim Agrardiesel und der Kfz-Steuer auf und drohte größere Aktionen für Januar an. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) stellte sich den Demonstranten und äußerte Verständnis für den Unmut. Er kündigte weitere Beratungen in der Regierung dazu an.
Zu der Kundgebung in der Hauptstadt hatte der Bauernverband binnen weniger Tage bundesweit aufgerufen. Auf Transparenten stand "Finger weg vom Agrardiesel", "Traktoren statt Panzer", "Grüne Wiesen, Vieh und Felder opfert ihr für Steuergelder" oder "Die Ampel muss weg." Dicht an dicht standen Traktoren auf der Straße des 17. Juni, eine Wagenladung Mist landete auf der Fahrbahn. Nach Angaben des Bauernverbands als Veranstalter kamen zwischen 8000 und 10.000 Teilnehmer und mehr als 3000 Trecker. Die Polizei sprach von 6600 Teilnehmern bei der Demonstration und 1700 Traktoren.
Rukwied attackierte die Bundesregierung scharf. Mit den Plänen würde die Branche pro Jahr mit einer Milliarde Euro zusätzlich belastet. "Das ist eine Kampfansage." Und die Landwirte nähmen sie an. "Es reicht, zu viel ist zu viel." Die Ampel müsse die "unzumutbaren Vorschläge" komplett zurücknehmen, forderte der Bauernpräsident und ließ schon einmal anklingen, dass es andernfalls einen "sehr heißen Januar" geben könne. "Dann werden wir ab 8. Januar überall präsent sein in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat."
Den Ärger ausgelöst haben Sparpläne für den Bundeshaushalt 2024, die nach einer Verständigung von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) bekannt wurden. Die Landwirtschaft steht da gleich doppelt im Visier: Wegfallen soll die Regelung, dass sich Betriebe die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen können - mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Und wegfallen soll auch noch, dass land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge von der Kfz-Steuer befreit sind.
Özdemir äußert Verständnis - und wird angefeindet
Rukwied verlangte von Özdemir, in der Regierung Druck für die Bauern und die ländlichen Räume zu machen. Im Notfall müsse er auch sein Amt zur Disposition stellen. Der Minister war schnell auf Distanz zu den Plänen gegangen, bekam nun aber geballten Zorn zu spüren. "Ich weiß, dass Sie mit einer Riesenwut hier nach Berlin gekommen sind", rief er von der Bühne. Klar sei, dass mehr gespart werden müsse, aber eben nicht überproportional in der Landwirtschaft. "Ich halte nichts von den Streichungen in diesem Umfang", bekräftigte Özdemir. "Deshalb kämpfe ich im Kabinett dafür, dass es in dieser Härte nicht kommt."
Die zunächst lange ruhige und friedliche Atmosphäre heizte sich auf, als Özdemir zum Ende der Kundgebung ans Mikrofon trat. Seine kurze Rede wurde mehrfach vom Pfiffen und Zurufen unterbrochen. Rukwied rief zu Respekt auf und bat darum, zuzuhören. Der Minister wandte sich gegen herabwürdigende Äußerungen und mahnte auch noch: "Gehen Sie nicht denen auf den Leim, die das radikalisieren wollen."
Bei vielen Landwirten, die zur Demo anreisten, saß der Frust tief. Willi Groß aus Dallgow-Döberitz in Brandenburg, der mit dem Traktor kam, sagte, für Landmaschinen gebe es keine Alternative zum Diesel. Daher sei man auf die Steuererleichterung angewiesen. Die Politik solle an anderer Stelle sparen. Auf jeden Fall fühle er sich als Landwirt zu wenig wertgeschätzt. Jörg Schäfer aus Osthessen sagte, sollten die Erleichterung wie geplant wegfallen, müsse sein Betrieb mit 130 Kühen und 200 Hektar Ackerland monatliche Mehrkosten von 1100 bis 1300 Euro stemmen. "Das ist so nicht hinnehmbar." Höhere Produktionskosten würden nur dazu führen, dass mehr Lebensmittel aus Ländern importiert werden, wo keine so hohen Umweltstandards gelten.
Bauernpräsident mit einer Generalabrechnung
Rukwied machte klar, dass der Ärger nun auch auf Unmut wegen anderer "Zumutungen" folgt - von Auflagen bis hin zu fehlenden Möglichkeiten zum Abschuss von Wölfen zum Schutz von Schafen. "Das ist jetzt zu viel." Der Bauernpräsident wurde grundsätzlich und rief zu "einer Neuausrichtung der Politik" auf. "Das Steuergeld muss vorrangig dafür verwendet werden, dass Deutschland eine Zukunft hat." Habeck solle auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) empfehlen, "dass sie nicht weiterhin deutsches Steuergeld in anderen Ländern verschenkt".
Rukwied sagte: "Wir nehmen den Kampf an." Auch andere Berufsgruppen wie das Transportgewerbe oder die Gastronomie würden zu den Bauern aufschließen. Nötig sei eine anders ausgerichtete Regierungspolitik. Wenn das nicht komme, "dann brauchen wir einen Regierungswechsel." Die oppositionelle Union attackierte die Koalition erneut scharf. CDU-Agrarexperte Albert Stegemann sagte, die Sparmaßnahmen träfen direkt die Landwirte und schwächten die ländlichen Räume. Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) sagte am Rande der Kundgebung, die Branche brauche jetzt "Rückenwind und keinen Gegenwind".
Greenpeace: Ende der Agrardiesel-Subvention verkraftbar
Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte, ein Agrardiesel-Ende sei angesichts hoher Lebensmittelpreise und vieler anderer Subventionen verschmerzbar. "Bei allem Verständnis für die Bauern und Bäuerinnen - Agrardiesel staatlich zu verbilligen ist teuer, klimaschädlich und gehört abgeschafft." Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnte indes, dass das gleichzeitige Aus für die Kfz-Steuerbefreiung ein falsches Signal an einen Berufsstand sende, der einem enormen Veränderungsdruck ausgesetzt sei. Wichtig wäre nun etwa auch eine Förderung für den Umstieg auf alternative Antriebe.
Die Ertragslage der Landwirtschaft hatte sich nach Branchenangaben zuletzt verbessert. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 stieg der durchschnittliche Gewinn der Betriebe auf das Rekordniveau von 115.400 Euro - ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Angesichts sinkender Preise bei Getreide, Ölsaaten und Milch hatte der Bauernverband sich aber bereits vor Bekanntwerden der Ampel-Pläne pessimistisch zu den weiteren Geschäftsaussichten geäußert.