Bauern und Waldbesitzer machen ihrem Ärger Luft
Landwirtschaftsminister Peter Hauk in der Murrhardter Festhalle – Diskussion über Waldschäden, Düngeverordnung und Pestizideinsatz
Es ging um den Wald und die Landwirtschaft, und das teilweise lautstark. Landwirtschaftsminister Peter Hauk musste sich bei seinem Besuch in Murrhardt Vorwürfe von aufgebrachten Waldbesitzern und Landwirten anhören. Begleitet wurde der Ministerauftritt von einer Treckeraktion der jungen Bewegung „Land schafft Verbindung“.
Von Annette Hohnerlein
MURRHARDT. Schon von Weitem waren die gelben Blinklichter der Traktoren zu sehen. „Ohne Landwirtschaft wärst du hungrig, nackt und nüchtern“ war da auf Transparenten zu lesen. Oder, an die Adresse der Politiker: „Sie säen nicht und sie ernten nicht, aber sie wissen alles besser“. Einige Bauern der Initiative „Land schafft Verbindung“ (LSV) machten vor der Festhalle auf ihre Anliegen aufmerksam. Die neue Bewegung (siehe Infokasten) hat mit ihren Treckeraktionen bereits bei der Grünen Woche in Berlin und vergangenen Freitag in Stuttgart für Aufsehen gesorgt.
Begrüßt wurde der Gast aus Stuttgart von Jürgen Maurer, dem Vorsitzenden des Bauernverbands Schwäbisch Hall/Hohenlohe/Rems, der zusammen mit den Forstbetriebsgemeinschaften im Rems-Murr-Kreis zu der Veranstaltung eingeladen hatte. Vor den Besuchern in der fast voll besetzten Festhalle sprach Maurer ein Thema an, das vor allem den Waldbesitzern unter den Nägeln brennt: die extreme Dürre der letzten beiden Jahre. Die Aufarbeitung des abgestorbenen Holzes „macht enorme Schwierigkeiten, ist aber wegen der drohenden Borkenkäferinvasion dringend notwendig“, wie es in der Ankündigung heißt. Darauf ging auch Bürgermeister Armin Mößner in seinem Grußwort ein. In letzter Zeit seien die Holzpreise stark gefallen, was vor allem in kleineren Betrieben zu Existenzängsten führe.
Peter Hauk, Landesminister für den ländlichen Raum, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, sprach zunächst zwei Punkte an, die die Bauern im Land derzeit auf die Palme bringen. Das ist zum einen die neue Düngeverordnung, mit der Deutschland die EU-Nitratrichtlinie zum Schutz des Grundwassers umsetzen will. Zum anderen ein geplantes Gesetz der Landesregierung zum Artenschutz, das die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln einschränkt. Dieses Vorhaben ist Teil eines Deals mit den Initiatoren des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“.
Dann kam er auf sein eigentliches Thema zu sprechen: „Der Wald im Klimawandel – wir packen die Herausforderungen an!“ Was dem Wald mehr und mehr zu schaffen mache, seien Wetterextreme wie Spätfröste, Starkniederschläge, Stürme und Dürreperioden. Der Klimawandel sei dafür verantwortlich, dass diese Phänomene immer häufiger werden, so Hauk. Weißtannen, Buchen und Fichten seien in manchen Gegenden Baden-Württembergs flächig abgestorben, die Böden seien bis zu einer Tiefe von 2,5 Metern völlig ausgetrocknet. Es sei eine Herausforderung für die Waldbesitzer, die dadurch entstandenen Schäden aufzuarbeiten. Durch die große Menge an Schadholz sei der Holzpreis gleichzeitig stark gefallen, sodass die Besitzer von Privatwald oft kein Interesse mehr hätten, sich um ihren Wald zu kümmern. Deshalb habe die Landesregierung Ende 2019 aus restlichen Haushaltsmitteln eine Aufarbeitungsprämie von drei Euro pro Kubikmeter eingeführt, die 2020 auf fünf Euro angehoben werden soll, versprach der Minister.
Als Konsequenz aus dieser Entwicklung müsse man Baumarten pflanzen, die mit Hitze und Trockenheit besser zurechtkommen, zum Beispiel Hainbuche, Roteiche, Douglasie, aber auch Esskastanie oder Walnuss. Allerdings mahnte Hauk: „Wunder darf man davon nicht erwarten.“ Für die kommenden Jahre zeichnet er eine düstere Prognose. „Das Ziel ist es, eine Deckelung der Erwärmung auf zwei Grad bis 2030 zu erreichen. Ein Grad haben wir jetzt schon; das heißt, die Wetterextreme werden schlimmer. Aber wenn wir nichts machen, wird es noch schlimmer.“
In der anschließenden Diskussion machten zahlreiche Bauern und Waldbesitzer ihrem Ärger Luft. Einer von ihnen klagte, drei Euro Zuschuss für die Schadholzaufarbeitung seien zu wenig, wenn man bedenke, dass im Durchschnitt ein Verlust von 50 Euro pro Festmeter gemacht werde. Hauk kündigte an, dass demnächst Fördergelder in Höhe von 50 Millionen Euro ausgeschüttet würden, um die Schäden in den Wäldern zu beseitigen. „Was sollen wir mit dem Holz machen?“, fragte ein anderer Waldbesitzer. Angemahnt wurde auch eine Förderung für die Einstellung von mehr Personal, zum Beispiel für die Forstbetriebsgemeinschaften. Ein anderer Besucher berichtete von finanziellen Problemen beim Betrieb einer Hackschnitzelanlage, da konkurrierende Gasanlagen zu sehr gefördert würden. Auch die Einrichtung von Nass- oder Trockenlagern für das viele angefallene Holz kam zur Sprache. Hauk betonte, dass in Zukunft mehr Holz eingesetzt werden müsse, zum Beispiel bei Verpackungsmaterialien oder beim Hausbau. „Das ist CO2-freundlicher als die Herstellung von Beton.“
Auch die anwesenden Landwirte meldeten sich teils lautstark zu Wort. Einer von ihnen forderte eine Prämie für den Anbau von Pflanzen wie beispielsweise Mais, die Treibhausgase aufnehmen. Der Einwand des Ministers: Für eine CO2-Prämie für Wälder und landwirtschaftliche Flächen gebe es bisher keine Mehrheit in der Bundesregierung. Daneben ging es um die Unterstützung von regionalen Erzeugern, zum Beispiel durch Kantinenessen mit regionalen Zutaten nach dem Vorbild Bayerns oder den Betrieb von Hofläden.
Zum Thema Insektensterben betonte Hauk, dass die Landwirtschaft zwar eine Teilschuld habe, aber nicht der ausschlaggebende Faktor sei. Beim geplanten Gesetz zum Artenschutz müssten auch Kommunen und private Gartenbesitzer ihren Beitrag leisten.
Am 1. Oktober 2019 wurde die Facebook-Gruppe „Land schafft Verbindung“ (LSV) gegründet. Über soziale Netzwerke entwickelte sich daraus schnell eine bundesweite Bewegung, die heute rund 15000 Nutzer bei Facebook und rund 100000 Nutzer bei WhatsApp vereint. Sie organisiert Protestaktionen in ganz Deutschland, zum Teil in Form von Schlepper-Flashmobs. In den nächsten Monaten soll über die Organisationsstruktur von LSV entschieden werden.
„Wir wollen auf unsere Probleme aufmerksam machen und Ansprechpartner für die Politik sein“, sagt Niko Kalaitzidis aus Welzheim, Sprecher von LSV im Rems-Murr-Kreis. Das Verhältnis zu den Bauernverbänden beschreibt Mitglied Julian Frei aus Spiegelberg mit den Worten: „Konkurrenz belebt das Geschäft.“
Informationen gibt es auch im Netz unter www.landschafftverbindung.de.