Bei B14-Ausbau: Bürger gegen Umfahrung von Oberschöntal
Wenn landwirtschaftliche Fahrzeuge und andere langsame Verkehrsteilnehmer künftig nicht mehr auf der ausgebauten B14 fahren dürfen, müssen Alternativen gefunden werden. Die Stadt Backnang gibt ein Gutachten in Auftrag, das die verträglichste Lösung finden soll.

© Alexander Becher Fotografie
Traktoren, Mähdrescher, Häcksler oder Ballenpressen werden immer größer. Wenn sie sich künftig durch die Backnanger Innenstadt oder in noch größerer Anzahl als bisher durch Oberschöntal quälen müssen, sind Konflikte vorprogrammiert. Foto: Alexander Becher
Von Matthias Nothstein
Backnang. Etliche Gemeinden im gesamten Bundesgebiet sehnen sich nach einer Umgehungsstraße. Nicht so Oberschöntal. In der jüngsten Informationsveranstaltung meldeten sich zahlreiche Bürger zu Wort, die in einer Umfahrung des kleines Dorfes zahlreiche Nachteile und nur sehr wenige Vorteile erkennen konnten.
Dass die Verantwortlichen überhaupt ein solches Projekt in Betracht ziehen, hängt mit dem Ausbau der B14 im Backnanger Westen zusammen. Wenn die Bundesstraße in den nächsten Jahren nach jahrzehntelanger Planung und Bauzeit endlich einmal vierstreifig gebaut sein wird, dann dürfen landwirtschaftliche Fahrzeuge und andere Verkehrsteilnehmer wie Baumaschinen, die keine 60 Kilometer pro Stunde schnell sind, die Straße nicht mehr befahren. Wie aber soll ein Landwirt dann vom Weissacher Tal nach Aspach kommen? Oder ein Baggerfahrer von Oppenweiler nach Winnenden?
Die einfachste Lösung wäre, auch in Zukunft die Bundesstraße zu nutzen. Doch dies wird vom Regierungspräsidium definitiv nicht genehmigt. Die künftig vierstreifige B14 wird autobahnähnlich ausgebaut sein, da ist wegen der Geschwindigkeitsdifferenz kein Platz für Traktoren, Mähdrescher und Co. Selbst die Überlegung, zwischen der sogenannten Spritnase und Backnang-West die Geschwindigkeit auf 60 Stundenkilometer zu reduzieren, stieß beim Regierungspräsidium auf taube Ohren.
So bleibt derzeit nur die Lösung, dass die Fahrzeuge nach dem B-14-Ausbau durch die Backnanger Innenstadt fahren. Ein Gedanke, der bei der Stadtverwaltung gar nicht gut ankommt und der auf kurz oder lang höchstwahrscheinlich zu Konflikten führen wird, zumal die Fahrzeuge Jahr für Jahr größer, breiter und schwerer werden.
Kreisstraße zwischen Neuschöntal und Großaspach könnte ausgebaut werden
Vor einiger Zeit ist nun laut Stadtbaudezernent Stefan Setzer die Landkreisverwaltung von sich aus mit der Idee auf die Stadt zugekommen, die Kreisstraße1831 zwischen der Kläranlage Neuschöntal und Großaspach auszubauen, samt einer Umfahrung von Oberschöntal und einem Radweg. Im Backnanger Rathaus lief man damit offene Türen ein, da schon seit Langem versucht wurde, die marode, enge, kurvige und unübersichtliche Verbindung zwischen Aspach und Schöntal zu sanieren. Möglich wäre dies derzeit auch deshalb, weil das gesamte Gebiet wegen des B-14-Ausbaus bereits im Flurbereinigungsverfahren enthalten ist. Laut Setzer ist längst noch keine Entscheidung gefallen, „wir stehen erst ganz am Anfang des Verfahrens“. In den nächsten Wochen wird von der Stadt ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die verträglichste Trassenführung erforschen soll. Dies ist nicht einfach, da die Topografie zwischen Neuschöntal und Oberschöntal herausfordernd ist. „Bislang haben wir die Entscheidung des Regierungspräsidiums in Sachen Ausnahmegenehmigung abgewartet“, begründet Setzer den Zeitpunkt. Nachdem die Ablehnung unmissverständlich ausgefallen ist, soll der Gutachter aktiv werden. Dabei handelt es sich um eine Firma, „die viel Erfahrung mit der Planung von Kreis- und Bundesstraßen hat“. Sobald ein Vorschlag vorliegt, wird dieser in den entsprechenden Gremien abgestimmt.
Auch möglicher Schleichverkehr wurde thematisiert
Geht es nach jenen Oberschöntalern, die unlängst in der Infoveranstaltung das Wort ergriffen haben, wird eine solche Straße niemals gebaut. Denn die Straße würde diesen Stimmen zufolge den Landwirten ohnehin nichts nützen, die würden entweder die Straße nach Erbstetten nutzen oder weiterhin durch die Stadt fahren. Allerdings würden die Umfahrung und der Ausbau jede Menge Schleichverkehr anziehen. Verkehrsteilnehmer also, die die Verbindung als Abkürzung zwischen Erbstetten, Backnang und Aspach missbrauchen würden, auch wenn die Nutzung „nur für Anlieger“ eingeschränkt würde. Als weitere Nachteile listeten die Betroffenen auf, dass extrem wertvolle Ackerflächen verloren gingen und eine schöne Landschaft zerschnitten werde. Vermutlich befürchten auch manche Grundstücksbesitzer, dass die Idylle hinterm Haus durch eine Umgehungsstraße der Vergangenheit angehören könnte. Doch der unausgesprochenen Sorge begegnete Setzer dieser Tage auf Nachfrage, dass Lärmschutz in solch einem Fall Pflicht sei. Zudem verwies er auf die Chancen für die Ortsdurchfahrt, die dann endlich verkehrsberuhigt gestaltet werden könnte. Dennoch lobte Setzer auch das Engagement der Bürger: „Sie haben alle gute Argumente.“ Und er zeigte sich offen, als er erklärte: „Wir sind erst am Anfang der Abwägung.“
Parallele Wirtschaftswege Bei den meisten Bundesstraßen, die ausgebaut werden, entstehen parallel Wirtschaftswege für den landwirtschaftlichen Verkehr oder langsame Fahrzeuge. Im Fall der B14 zwischen den Anschlüssen Backnang-Mitte und Backnang-West ist ein solcher „begleitender Weg“ aus topografischen Gründen nicht realisierbar. Ein solcher Weg müsste laut Baudezernent Stefan Setzer 4,5 Meter breit sein. Er würde Setzer zufolge „geschützte Biotopstrukturen durchpflügen, das Tal kaputt machen und die Wertigkeit der Natur zerstören“.
Geschwindigkeitsreduzierung Mit dem Argument, man baue keine Autobahn, um dann darauf zu schleichen, habe das Regierungspräsidium es abgelehnt, auf der künftigen B14 die Geschwindigkeit so zu reduzieren, dass selbst extrem langsame Fahrzeuge keine Gefahr darstellen. Das Regierungspräsidium bot lediglich an, für jede Fahrt eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, ähnlich wie es Schwerlastverkehre machen müssen. In der Landwirtschaft absolut keine praktikable Lösung, zumal oft mehrere Fahrten an einem Tag anstehen.
Keine Ausnahmen Das Regierungspräsidium ließ sich auch nicht überzeugen, als die Landwirte Beispiele aus anderen Bundesländern anführten, bei denen Ausnahmen für landwirtschaftliche Verkehre und Geschwindigkeitsreduzierungen auf vierstreifigen Bundesstraßen aufgezeigt wurden.
Kritik Bei der Informationsveranstaltung in Oberschöntal fand Stadtbaudezernent Stefan Setzer zum Teil deutliche Worte. Er verwies darauf, dass der Planfeststellungsbeschluss für den B-14-Ausbau aus dem Jahr 2005 stammt, also zu einer Zeit, für die er keine Verantwortung trägt. So fiel sein Urteil zu den Planungen für die landwirtschaftlichen Verkehre auch sehr deutlich aus: „Man hat seinerzeit eine Lösung für diesen Abschnitt versäumt.“ Nun prognostizierte er: „Die Straße, auf die wir alle seit vielen Jahren warten, die kommt jetzt, aber sie kommt nicht schmerzfrei, es wird erhebliche Einschnitte geben.“ Damit spielte er nicht nur auf die monatelangen Sperrungen und auf die jahrelangen Behinderungen an, sondern auch auf die künftigen Schleichverkehre.