Beim Streiten haben Erwachsene Vorbildfunktion

Im VHS-Seminar „Konflikte lösen“ geht es darum, wie Erzieher Streit zwischen Kindern mit Herz und Verstand begleiten können.

Wenn bei Kindern die Positionen weit auseinanderliegen, können Erwachsene auf eine Annäherung hinwirken, indem sie ein Streitgespräch neutral und empathisch führen – aber das will gelernt sein. Foto: CFalk/pixelio.de

Wenn bei Kindern die Positionen weit auseinanderliegen, können Erwachsene auf eine Annäherung hinwirken, indem sie ein Streitgespräch neutral und empathisch führen – aber das will gelernt sein. Foto: CFalk/pixelio.de

Von Nicola Scharpf

BACKNANG. Es geht um etwas, das jeder kennt: um Konflikte, wie man ihnen begegnet, wie sie sich lösen lassen. Angetreten sind die Teilnehmer des VHS-Elternseminars „Konflikte lösen mit Herz und Verstand“ mit dem Wunsch, professioneller und gelassener damit umzugehen, wenn es Konflikte zwischen Kindern gibt. Es geht um die berühmte Begegnung auf Augenhöhe. Gelernt haben sie dabei aber auch viel über sich selbst und das eigene Verhalten in Konfliktsituationen: Wie reagiere ich in Konflikten? Will ich mich durchsetzen? Bin ich kompromissbereit? In reflektiven Übungen geht es darum, sich selbst im Streitfall einzuschätzen und zu erkennen: Man kann verschieden reagieren, es gibt verschiedene Charaktere. Zwar gibt es einen Baukasten, der bei dem Führen eines Streitgesprächs mitschwingt, „aber Schema F ist immer ganz schwierig“, sagt Dozentin Isabell Fritzsche.

Daher ist diese Auseinandersetzung mit sich selbst wichtig, schließlich haben Erwachsene auch in Sachen Konfliktmanagement eine Vorbildfunktion für Kinder. „So wie ich streite, streitet dann in Zukunft vielleicht auch das Kind“, sagt Fritzsche, die in Bamberg Erziehungswissenschaften studiert hat und von Beruf Personalentwicklerin ist. Wenn Erwachsene in der Lage sind, ein Streitgespräch moderierend zu führen und eine wohlwollende Haltung einnehmen können, profitiert davon das Kind. „Es lernt, dass man Konflikte mit einem System lösen kann. Außerdem erkennt das Kind, dass seine Meinung wichtig ist, dass es als Person wahrgenommen wird, dass es jemand ist.“

Die Seminarteilnehmer sind vor allem Tageseltern, für die das Seminar als Weiterbildung anerkannt wird. Eine Teilnehmerin berichtet von einem Kind im Vorschulalter, dem immer alles egal ist: ob es Pommes lieber mit Ketchup oder mit Mayo möchte – egal; ob es lieber ein Spiel spielen oder ein Buch vorgelesen bekommen möchte – egal... Die Teilnehmer begeben sich auf Spurensuche: Woran kann das liegen? Was kann dahinterstecken? Ist das Kind gelangweilt, womöglich unterfordert? Braucht es eventuell mehr kognitive Anreize? Eine andere Teilnehmerin hat keinen konkreten Anlass aus dem Alltag, der sie ins Seminar führt. Sie möchte den „Königsweg“, wie sie sagt, erlernen – also Konflikte mit Verstand zu lösen und trotzdem mit dem Herzen dabei zu sein. „Es geht mir um die Art und Weise, wie man an einen Konflikt herangeht, dass man lernt zu streiten und lernt, dass Streit nichts Schlechtes sein muss.“

Ein Konflikt spielt sich – im Gegensatz zum Streit, der eine bewusste Auseinandersetzung darstellt – eventuell verdeckt und im Unterbewusstsein ab, kann sich hochschaukeln. Das Kind reagiert dann anders als sonst, zieht sich womöglich zurück. Isabell Fritzsche gibt den Teilnehmern Elemente aus dem Mediationsprozess an die Hand, um mit kindlichen Konflikten umzugehen. Dazu gehört zum Beispiel, dass jeder der beteiligten Kinder Redezeit bekommt, dass Gesprächsregeln festgelegt werden, dass die Kinder sich mit dem Thema Gefühle auseinandersetzen. „Es ist ein Versuch, sich anzunähern“, schildert die Waiblingerin. Der Erwachsene lenkt den Prozess, verhält sich offen, neutral, empathisch, stellt seine eigenen Werte zurück und versucht, den Kern des Konflikts zu erfassen. „Es ist dabei ganz wichtig, Fragen zu stellen: Warum wurde mehrfach gehauen? Um was geht es dir? Und schließlich: Auf was achten wir zukünftig?“ Das Ergebnis des Konfliktgesprächs wird festgehalten. „Es gibt einen kleinen Vertrag, aber nicht zu förmlich, sondern vielmehr zur Erinnerung.“ Wenn sich die energiegeladene Situation beruhigt hat, geht es den Konfliktparteien besser – so das Ziel des Mediationsprozesses.

Sowohl die Teilnehmer als auch die Dozentin haben das Seminar als intensiv wahrgenommen. Die Teilnehmer haben die Vorteile einer mediativen Grundhaltung kennengelernt, die sich auch auf Streitsituationen in anderen Lebensbereichen übertragen lässt – für mehr Kompetenz in Sachen Konflikte.

Ein thematisch verwandtes Elternseminar der Volkshochschule Backnang findet am 23. Januar 2021 mit Dozentin Brigitte Wagner statt. Dabei geht es um empathische Kommunikation.

Beim Streiten haben Erwachsene Vorbildfunktion

„So wie ich selbst streite, streitet dann

in Zukunft vielleicht

auch das Kind.“

Isabell Fritzsche,

Erziehungswissenschaftlerin

Zum Artikel

Erstellt:
4. Januar 2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen