Bewährung nach Hitlergruß auf Backnanger Straßenfest
Der Angeklagte zeigt sich bei seiner Verhandlung am Amtsgericht Backnang wegen Verwendens von „Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ geständig.
Von Carmen Warstat
BACKNANG. Am Backnanger Amtsgericht hat sich ein Endzwanziger in Sachen „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ verantworten müssen. Dem gelernten Kfz-Mechatroniker wurde vorgeworfen, im Juni 2023 beim Straßenfest den Hitlergruß mehrere Sekunden lang gezeigt, während der Kontrolle und Belehrung durch Polizeibeamte dieses wiederholt und ausländerfeindliche Parolen geäußert zu haben. Der Blutalkoholtest ergab einen Wert von 0,56 Promille. Der Mann hat bereits eine Reihe von Einträgen im Bundeszentralregister: Beleidigung, unerlaubter Waffenbesitz, mehrfach Leistungserschleichung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Trunkenheit im Verkehr, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und andere.
Zu Beginn gestand der Angeklagte vollumfänglich und distanzierte sich von seinem früheren Verhalten und Denken. „Das war blöd.“ Auch die Polizisten „nicht ernst genommen zu haben“ täte ihm leid. Er habe seine Einstellungen inzwischen überdacht. „Sehr interessante zwischenmenschliche Erfahrungen im Gefängnis“ hätten ihn dazu veranlasst, etwa die Bekanntschaft mit Algeriern und Türken. Der Angeklagte habe den Heroinentzug eines türkischen Häftlings begleitet und diesem geholfen. Bis zur Verhandlung war er nämlich in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart Stammheim.
Ein Outfit, das in rechtsextremistischen Kreisen beliebt ist
Der Richter sprach den reumütigen Angeklagten daraufhin auf sein Outfit an: Der war im Lonsdale-Sweatshirt erschienen, mit einem großen Schriftzug, der sich in rechtsextremistischen Kreisen großer Beliebtheit erfreut, weil er die Buchstabenfolge „NSDA“ enthält und somit an die NSDAP erinnert. Der Angeklagte erläuterte, dass er sich keine neue Kleidung ins Gefängnis habe schicken lassen und deshalb nichts anderes hätte anziehen können.
Er habe zum Tatzeitpunkt unter erheblichem Drogeneinfluss (Kokain) gestanden, sei zuletzt schwer abhängig gewesen und habe im Gefängnis einen harten Entzug durchlebt. „Die ersten Tage waren grausam.“ Der Plan sei, clean zu bleiben, weshalb er mehrere Hilfsorganisationen, darunter Release Stuttgart, kontaktiert habe. Als Beleg überreichte er dem Richter diesbezügliche Unterlagen.
Als Zeuge wurde ein Polizeibeamter gehört. Er schilderte den Ablauf der Geschehnisse. Auf eine Nachfrage des Richters gab er an, beim Angeklagten keine möglicherweise durch Drogen hervorgerufenen Ausfallerscheinungen bemerkt zu haben.
Im Gericht wird der Drogenkonsum des Angeklagten thematisiert
Danach ging es um die Eintragungen im Bundeszentralregister sowie die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten, der angab, früh mit Marihuana begonnen zu haben, später seien Speed, Ecstasy und Kokain dazugekommen, welches er ab dem 25. Lebensjahr regelmäßig konsumiert habe. „Zuletzt war es eine Vollkatastrophe“, so der Angeklagte. Die Frage nach der Höhe seiner Schulden beläuft sich nach Aussagen seiner Schwester auf bis zu 65000 Euro, die vorwiegend innerhalb der Familie aufgelaufen seien. Gebraucht habe er das Geld „für Kokain, zum Ausgehen und für Klamotten“ zum Beispiel.
Der Strafantrag des Staatsanwalts belief sich dann auf sechs Monate Freiheitsentzug, zur Bewährung ausgesetzt, wobei hier bereits eine frühere Strafandrohung eingerechnet war. Zugunsten des Angeklagten wertete der Staatsanwalt das Geständnis, die Enthemmung unter Drogeneinfluss sowie das Bemühen des Angeklagten um eine Drogentherapie. Auch habe der Angeklagte einen starken Monat Haft verbüßt, der offenbar „Eindruck gemacht“ habe, sodass die Prognose positiv sei.
Als absolut angemessen bezeichnete der Verteidiger des Angeklagten den Antrag des Staatsanwalts und bat darum, angesichts der Schulden des Angeklagten auf eine Geldstrafe zu verzichten.
Das letzte Wort vor der Urteilsverkündung hatte der Angeklagte: „Danke für die Schocktherapie“, sagte der mit Blick auf die zurückliegende fünfwöchige Haftzeit. Er wurde zu sechs Monaten Freiheitsentzug auf Bewährung verurteilt. Eine vorhandene Fahrerlaubnissperre bleibt wirksam. „Der Haftbefehl wird aufgehoben“, sagte der Richter zuletzt. „Sie können heimgehen.“