Bioladen im Hofgut Hagenbach schließt
Nur noch bis Weihnachten wird das Fachgeschäft für Bioprodukte geöffnet haben. Für die Entscheidung gibt es laut Eigentümer Mathias Wurche mehrere Gründe, unter anderem Personalmangel und die aktuell allgemein schlechte wirtschaftliche Situation der Biomärkte.
Von Kristin Doberer
Backnang. Nach über 25 Jahren muss der Bioladen im Hofgut Hagenbach gegen Ende des Jahres schließen. Darauf weisen seit kurzem Schilder vor dem Laden hin. Nur noch bis zum 23. Dezember wird das Geschäft wie üblich geöffnet haben, tatsächlich der letzte Tag wird der 27. Dezember sein. Dann gibt es aber nur noch Restbestand. „Wir haben vor zweieinhalb Wochen beschlossen, die Reißleine zu ziehen“, sagt Mathias Wurche, Geschäftsführer im Hofgut Hagenbach. Ihm sei zwar klar gewesen, dass diese Entscheidung irgendwann in der näheren Zukunft anstehen würde, „dass es nun so schnell geht, das hätten wir auch nie gedacht“, sagt er.
Auslöser für diese nun doch recht schnelle Entscheidung war die Personalsituation im Bioladen. Eigentlich seien viereinhalb Vollzeitstellen nötig, um diesen zu betreiben. Im Moment habe er aber nur zweieinhalb. Die Suche nach Personal sei im Lebensmittelbereich sehr schwer, gerade im Raum Stuttgart, in dem es um die Arbeitskräfte viel Konkurrenz gebe – auch aus der besser bezahlenden Industrie. Hinzu kommen unvorhergesehene Kündigungen in der Probezeit und auch die allgemeine Unverbindlichkeit von manchen Arbeitssuchenden. „Das ist dann einfach unglaublich frustrierend“, sagt Wurche. Sowohl in der Lebensmittel- als auch in der Gastrobranche habe man so kaum Planungssicherheit. Die Personalprobleme treiben den kleinen Biomarkt schon eine ganze Weile um. Erst im Mai hatte man deshalb die Verkaufsfläche und das Sortiment reduziert, auch die Öffnungszeiten wurden eingeschränkt, um den Laden auch mit weniger Personal am Laufen zu halten. Immer häufiger, erzählt Wurche, habe er dann auch selbst mit im Laden gestanden und ausgeholfen.
Konkurrenz mit konventionellen Supermärkten und hohe Ausgaben
Und während die Personalsituation sicher der letzte Sargnagel ist, sie ist nicht der einzige Grund, der zur Schließung des Bioladens führt. So war die allgemeine wirtschaftliche Situation vieler Biomärkte in den vergangenen beiden Jahren schlecht (wir berichteten). Die extremen Preissteigerungen sind auch an den Fachgeschäften nicht vorbei gegangen, die nicht nur einen hohen Energieverbrauch haben, sondern gleichzeitig immer mehr mit konventionellen Supermärkten und Discountern konkurrieren müssen, die mehr und mehr Bioprodukte in ihr Sortiment aufnehmen. „Ab September 2019 hatte die Branche monatelang einen Umsatzrückgang“, berichtet Wurche von einem Netzwerktreffen mit anderen Händlern. Im August hat bereits der Bioladen in der Annonaystraße aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen, auch der Bioladen in Backnang habe rund 19 Monate lang nur Verluste gemacht. Zwar sei es ab dem Juni 2023 wieder etwas aufwärts gegangen, sagt Mathias Wurche, trotzdem „sehe ich einfach keine Perspektive“. Die Preise zu erhöhen, um die gestiegenen Ausgaben zu kompensieren, das wollte er nicht. „Wir waren nie ein Edelmarkt nur für Betuchte, sondern hatten immer einen breiten Kundenstamm aus allen Gesellschaftsteilen, denen Bioprodukte eben wichtig waren“, sagt Wurche.
Kooperation mit Schulen und Kindergärten bleibt bestehen
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Dass noch dazu im neuen Jahr die Gas- und Strompreisbremse wegfällt, sei nur ein weiteres Argument dafür gewesen, den Laden schon jetzt zu schließen. „Die Entscheidung tut natürlich weh, aber jetzt ist dafür die richtige Zeit.“ Weitergehen wird trotz der Schließung des Bioladens die Kooperation mit Schulen und Kindertagesstätten. Etwa 150 Schulen und Kindergärten werden laut Wurche mit Bioprodukten beliefert, sodass die Kinder frische Nahrungsmittel bekommen. „Das Schulprojekt läuft gut und ist optimiert, das lassen wir auf jeden Fall weiterlaufen.“
Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen. Doch gleichzeitig blickt Wurche auch gerne auf die vergangenen 25 Jahre zurück, in denen der Bioladen in Backnang ein fester Anlaufpunkt für zahlreiche Stammkunden war. „Manche waren fast täglich da“, sagt Wurche. Viele von ihnen haben Verständnis für die Entscheidung, da ist sich der Eigentümer sicher. Einige hätten sich schon informiert, wo sie die lieb gewonnenen Produkte stattdessen kaufen können. Die frische Ware wird es nun zumindest bis Weihnachten noch geben, die sogenannte Trockenware wird aber schon seit einer Woche nicht mehr aufgefüllt. Einen Ausverkauf mit großen Rabattaktionen will er nicht anbieten. Er möchte vermeiden, dass Menschen auf der Suche nach einem Schnäppchen den Laden überrennen und die Stammkunden dann plötzlich vor leeren Regalen stehen. Obwohl die endgültige Entscheidung erst kürzlich gefallen ist, hat Mathias Wurche schon Ideen, wie es in dem Gebäude weitergehen könnte. „Die Grundausrichtung im Hofgut Hagenbach bleibt gleich. Gutes für Körper, Geist und Seele“, sagt er.
Wie geht es nun weiter mitdem Hofgut Hagenbach?
Eine Überlegung ist, das medizinische Angebot zu erweitern. Ein Physiotherapeut sowie eine Kinderpsychologin haben bereits ihre Praxis im Hofgut Hagenbach, auch in den Räumen des Bioladens wäre eine ärztliche Nutzung denkbar. „Die Grundvoraussetzungen dafür sind auf jeden Fall gegeben“, so der Eigentümer. Er könnte sich zum Beispiel gut vorstellen, dass sich hier ein Konzept mehrerer Praxen mit gemeinsamem Eingangs- oder Wartebereich gut anbieten würde. Vor sieben Jahren habe man außerdem die Toiletten renoviert, auch energetisch sei das Gebäude sehr gut in Schuss. Trotzdem müssten im kommenden Jahr natürlich einige Umbauarbeiten erfolgen, damit das Gebäude für Mieter interessant wird. Was Wurche bei all den Überlegungen besonders wichtig ist: „Wir wollen der Öffentlichkeit auch weiter Zugang ermöglichen. Viele Leute, die zu uns hoch kommen, fühlen sich hier auch sehr wohl.“ Das soll weiterhin so bleiben.