Blödsinn muss nicht strafbar sein
Die AfD-Chefin Alice Weidel ist von Stadtrat Luigi Pantisano wegen Volksverhetzung angezeigt worden. Warum er scheitern wird.
Von Christian Gottschalk
Stuttgart - Der Stuttgarter Stadtrat Luigi Pantisano ist von der AfD in etwa so weit entfernt wie der Nord- vom Südpol. Neben dem politischen Kampf hat der Linke-Politiker inzwischen auch das Mittel der Strafanzeige für sich entdeckt. Im vergangenen Jahr hatte Pantisano den AfD-Kommunalpolitiker Thomas Rosspacher wegen Volksverhetzung angezeigt. Der hatte auf Wahlplakaten mit dem Slogan „Schnelle Remigration schafft Wohnraum“ geworben. Das brachte Pantisano Schlagzeilen ein, mehr aber auch nicht.
Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt. Nun hat Pantisano in den sozialen Medien wieder Trubel gemacht. Er hat AfD-Chefin Alice Weidel angezeigt, weil diese in einem Gespräch mit Elon Musk behauptet hatte, dass Hitler ein Kommunist gewesen sei. Wieder sieht Pantisano Volksverhetzung als gegeben an. Die Wahrscheinlichkeit, dass er mit dieser Ansicht alleine bleibt, ist hoch.
Remigration mag das Unwort des Jahres 2023 gewesen sein, strafbar ist seine Verwendung nicht unbedingt. Hitler als Kommunisten zu bezeichnen ist geschichtsvergessener Blödsinn, aber auch hier ist eine Strafbarkeit eher unwahrscheinlich. Die Volksverhetzung, in Paragraf 130 des Strafgesetzbuches geregelt, hat eine ganze Reihe von Tatbestandsmerkmalen, die erfüllt werden können. Oft muss das Gesagte mit den Grundsätzen der freien Meinungsäußerung abgewogen werden.
Dabei kommt es weder auf die subjektive Absicht des Provokateurs noch auf das subjektive Verständnis des Betroffenen an. Entscheidend ist der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums habe.
Pantisano argumentiert, dass Weidels Äußerung eine „Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus und eine deutliche Relativierung der Verbrechen der Nationalsozialisten“ sei. Kommunisten seien in Wahrheit vom Verbrechensregime der Nationalsozialisten verboten, aus Verwaltungen und Parlamenten entfernt, verfolgt und in Konzentrationslagern ermordet worden. Letzteres ist geschichtlich belegt. Er sieht eine Strafbarkeit nach Absatz vier der entsprechenden Norm.
Diese wurde im März 2005 vom Deutschen Bundestag im Rahmen einer Strafrechtsnovelle beschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Regel in einem Beschluss des Jahres 2009 gebilligt. Dabei hat das Gericht aber auch festgestellt, dass die nationalsozialistische Gesinnung selbst durch die Meinungsfreiheit geschützt ist und der Paragraf dazu dient, den öffentlichen Frieden zu schützen.
Das Strafgesetzbuch enthält einen breiten Katalog an Straftatbeständen, die den öffentlichen Frieden schützen. In der Regel wird darunter die Aufrechterhaltung des friedlichen Miteinanders verstanden. Dass dies gefährdet sein könnte, weil der Nationalsozialist Adolf Hitler als Kommunist bezeichnet wird, erscheint nicht sehr wahrscheinlich.