Pharmahersteller

Boehringer will mit Abnehmspritzen wachsen

Beim deutschen Pharmahersteller laufen die Geschäfte gut. Zu den nächsten Plänen gehört, bald ebenfalls in den riesigen internationalen Markt einzusteigen, den das „Wundermittel“ Ozempic eröffnet hat.

Fridtjof Traulsen  ist seit einem Jahr Deutschlandchef des Pharmariesen.

© dpa/Arne Dedert

Fridtjof Traulsen ist seit einem Jahr Deutschlandchef des Pharmariesen.

Von Rüdiger Bäßler

Der Pharmahersteller Boehringer Ingelheim will sein langjähriges Wachstum beschleunigt fortsetzen. Der seit einem Jahr amtierende Deutschlandchef Fridtjof Traulsen kündigte bei einem Jahresgespräch vor Journalisten am Donnerstag im oberschwäbischen Werk Biberach den möglichen Durchbruch neuer hauseigener Medikamente an. Lediglich „Gegenwind“ durch politische und bürokratische Hemmnisse lägen ihm „schwer im Magen“, sagte er.

Bisher ist das Unternehmen für Medikamente gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs oder für seine Tiermedizin bekannt. Nun lockt auch der Erfolg des Mittels , das den dänischen Hersteller Novo Nordisk innerhalb von Monaten zu einem internationalen Börsenschwergewicht gemacht hat. Ozempic, ursprünglich als Diabetesmittel entwickelt und in Deutschland auch wirkstoffähnlich unter dem Namen Wegovy erhältlich, ist wegen seiner gewichtszügelnden Eigenschaft zur Lifestyle-Spritze mutiert. Nachahmer wie der US-Konzern Eli Lilly sind auf dem Sprung.

Auch Boehringer Ingelheim will nicht nachstehen. Das hauseigene Medikament heißt Survodutid, es soll allerdings in erster Linie Patienten mit Fettleber helfen, indem es gezielt den Stoffwechsel unterbricht. Bezeichnenderweise läuft die Entwicklung in Kooperation mit einem ebenfalls dänischen Unternehmen. Bis zur Marktreife fehlt jedoch noch ein Schritt. Derzeit, so heißt es, starte die Phase III, in der neue Präparate an tausenden Patienten getestet werden.

Schon weiter ist das neu entwickelte Medikament Iclepertin zur Behandlung von Schizophrenie-Erkrankungen. Im Dezember würden erste Daten aus Phase III erwartet, man habe große Hoffnungen, so Traulsen. Der Bereich der psychischen Erkrankungen berge weltweit riesige Chancen, gelte wegen der vielen branchenübergreifend erlittenen Fehlschläge aber zugleich als „Friedhof“ investierter Gelder. Doch durch die „Präzisionspsychiatrie“ gerade der vergangen zehn Jahre, so der Deutschlandchef, wisse man über die Funktionsweise einzelner Hirnbereiche immer mehr. Nach Schätzungen litten beispielsweise weltweit etwa 24 Millionen Menschen unter Schizophrenie.

Auch ohne die neuen Hoffnungsträger laufen die Geschäfte bei Boehringer Ingelheim bereits außergewöhnlich gut. Das Jahr 2023 schlossen die global agierenden Ingelheimer mit einem Umsatz von 25,6 Milliarden Euro ab, ein Plus von gut zehn Prozent zum Vorjahr. Und auch im laufenden Jahr zeigen die internen Charts nach oben; bis Ende dieses Jahres wird ein weiteres deutliches Plus prognostiziert.

Der deutsche Absatzmarkt ist dabei eher untergeordnet, er beträgt lediglich neun Prozent. Ganz anders die Gewichtung jedoch bei Forschung und Entwicklung, hier sind die deutschen Standorte unverzichtbar. So ist der Standort Biberach, spezialisiert auf die Herstellung von biopharmazeutischen Wirkstoffen auf Basis von Zellkulturen, das weltweit größte Forschungs- und Entwicklungszentrum von Boehringer Ingelheim. Das Umsatz- und Gewinnwachstum bildet sich auch in den Beschäftigtenzahlen ab. Ende 2023 beschäftigte der Pharmariese weltweit 53 500 Menschen, davon gut 18 000 an den deutschen Standorten. In Biberach ebenso wie am größten Einzelstandort Ingelheim mit seinen 9800 Beschäftigten werden derzeit neue Produktionshallen gebaut.

Der in den kommenden Jahren statistisch zu erwartende Personalmangel in der Pharmabranche gehört zu den wenigen aktuellen Problemfeldern, die Traulsen sieht. Ein anderes ist das seit 2011 geltende „Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz“, kurz AMNOG. Es ist ein Verfahren der Preisregulierung innovativer Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen. Pharmazeutische Hersteller vereinbaren demnach mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen Erstattungsbeträge für neue Arzneimittel auf Basis einer Zusatznutzenbewertung. Kann so ein Zusatznutzen nicht belegt werden, gibt es auch nicht mehr Geld. Dieses Feilschen um den „Wert“ neuer Medikamente sei teilweise fern jeder Realität und ein ungerechter Eingriff in den freien Markt, findet man bei Boehringer Ingelheim. Das Gesetz müsse „reformiert“ werden, derzeit liefen deswegen Gespräche mit politischen Parteien. Die DAK hingegen warnte im Juli öffentlich, die Ausgaben für patentgeschützte Arzneimittel stiegen weiter „ungebremst“ an.

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Erstellt:
24. Oktober 2024, 17:30 Uhr

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