Murrhardter Gartenhäuschen: Brandstiftung ist nicht ausgeschlossen

Das denkmalgeschützte Gartenhäuschen auf dem Areal der Erlacher Höhe wird durch ein Feuer schwer beschädigt. Die Polizei ermittelt und bittet um Zeugenhinweise. Eine technische Ursache allerdings scheint unwahrscheinlich. Die Stadt hofft auf Erhalt des Kleinods.

Von Christine Schick

Murrhardt. Im Juli vergangenen Jahres hat die Erlacher Höhe die Einweihung des Gebäudeensembles der therapeutischen Wohngemeinschaft in Murrhardt gefeiert. Neben dem Neubau, dem hergerichteten Bestandsgebäude und der sanierten Soehnle-Villa ließ sich auch das kleine historische Gartenhäuschen, das für das Bauprojekt extra versetzt worden war und noch auf seinen künftigen festen Platz wartete, auf dem Gelände bewundern. Das denkmalgeschützte Kleinod ist nun am vergangenen Wochenende durch einem Brand schwer beschädigt worden. Die Murrhardter Feuerwehr wurde am Sonntag gegen 3.55 Uhr alarmiert und konnte das Feuer rasch unter Kontrolle bringen, das Gartenhäuschen aber nicht komplett retten.

Angesichts des Vorfalls sagt Andrea Beckmann, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit bei der Erlacher Höhe: „Wir haben einen Riesenschreck bekommen und sind unglaublich froh, dass zu keinem Zeitpunkt Menschen durch den Brand in Gefahr waren.“ Den Einsatzkräften sei man für ihr schnelles, effizientes Eingreifen sehr dankbar. Mit Blick auf das Kleinod berichtet sie, dass das Gartenhäuschen von der Einrichtung nicht als solches genutzt worden sei.

Das Häuschen sollte demnächst versetzt und dann saniert werden

Vielmehr habe man, da die Außenanlagen nun fertiggestellt seien, geplant, es nochmals umzusetzen. Es sollte noch ein Stück weiter ins Innere des Areals näher an die Nachbargebäude rücken, um dort seinen festen Platz zu erhalten. Im Zuge des Neubauprojekts war das denkmalgeschützte Häuschen, das der Erlacher Höhe als Grundstückseigentümerin auch gehört, entsprechend gesichert worden. So wie vor Baubeginn sollte es jetzt erneut mit einem Autokran versetzt und anschließend saniert werden, erzählt Andrea Beckmann.

Nun hat das diakonische Sozialunternehmen das Denkmalamt sowie die Versicherung über den Brand informiert, um das weitere Vorgehen abzuklären. Genauso müsse man die polizeilichen Ermittlungen abwarten. Aber unabhängig von einer möglichen Ursachenaufklärung betont Beckmann, dass dem Brandschutz mit Blick auf die ihnen anvertrauten Menschen eine große Bedeutung zukomme. Ob eine Art Rekonstruktion des historischen Gartenhäuschens Thema sein kann, ließe sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, zunächst müsse man sich mit den Behörden abstimmen.

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Der geschätzte Schaden von etwa 5000 Euro ist das eine, der Erinnerungswert das andere. Bürgermeister Armin Mößner jedenfalls sagt angesichts der Besonderheit des Gartenhäuschens (siehe Infotext) ganz klar, dass der Erhalt im Sinne der Stadtverwaltung wäre, und ergänzt: „Die Grundsubstanz wurde durch den Brand nicht beeinträchtigt, da die Feuerwehr noch recht schnell eingreifen konnte.“

Keine technischen Geräte und kein Stromanschluss

Erhalt beziehungsweise Rekonstruktion wäre auch im Sinne Christian Schweizers vom Carl-Schweizer-Museum. Er bedauere es sehr, dass mit dem Feuer ein Stück Murrhardter Geschichte zerstört ist. Für ihn liege außerdem nahe, dass das historische Gartenhäuschen nicht zufällig abgebrannt ist. Er vermute, dass der Brand auf menschliches Einwirken hin ausgebrochen ist. Zum Hintergrund seiner Überlegungen gibt er zu bedenken, dass sich im dem kleinen Gebäude, das auf dem Gelände frei zugänglich sei, dem Augenschein nach keine technischen Geräte und kein Stromanschluss befunden hätten und dort auch kein brennbares Material wie Heu gelagert worden sei. Das Feuer habe aber vom Inneren aus seinen Anfang genommen.

Auf Nachfrage unserer Redaktion berichtet Rudolf Biehlmaier, Pressesprecher des zuständigen Polizeipräsidiums in Aalen, dass die Brandursache nach den vorläufigen Ermittlungsergebnissen noch unklar sei. Allerdings gehe man davon aus, dass eine technische Ursache eher ausscheidet, da sich in dem kleinen Gebäude keine entsprechenden Geräte befunden hätten. Das heißt, es gelte nun zu prüfen, ob möglicherweise ein Brandstiftungsdelikt vorliegt. Ermittlungen in Brandfällen gestalteten sich oft schwierig, weil das Feuer viele Spuren vernichte und so die Lage für Einsatzkräfte und Fachleute nicht einfacher mache.

Das Gartenhäuschen aus dem 19. Jahrhundert steht für die Anfänge der bürgerlichen Gartenkultur

Bauwerk In den Unterlagen zu dem denkmalgeschützten Kleinod wird das Gartenhaus als turmartiger Fachwerkbau über massivem Sockel mit einem flachen Satteldach beschrieben, wie Bürgermeister Armin Mößner berichtet. Das kleine Gebäude besitzt zwei Geschosse: einen niederen Geschirr- und Geräteraum und darüber den eigentlichen, deutlich höheren Aufenthaltsraum. Das Fachwerk ist einfach, die Hölzer sind jedoch symmetrisch angeordnet und – wie in der Umgebung Murrhardts häufig auch im 19. Jahrhundert – von Anfang an freiliegend. Durch das weit vorragende Satteldach gewinnt das Häuschen Züge des Schweizerhausstils hinzu. Es wurde 1888/89 für den Privatier August Seeger errichtet. Im Jahr 1914 ging es in den Besitz von Apotheker Eugen Zügel über, der in den Unterlagen verzeichnet ist.

Standort Das Gartenhaus lag ursprünglich in den sogenannten Mühlgärten zwischen den mäandernden Wasserläufen von Murr und Mühlkanal vor den Toren der Stadt Murrhardt. Das heißt, die Umgebung hat sich im Vergleich zu heute auch stark verändert. Erschlossen wurde das erste Obergeschoss des Häuschens von der Südseite aus, die ehemals am Ufer des Mühlkanals lag.

Kulturdenkmal Das Gebäude gehört zu den nunmehr selten überlieferten Gartenhäusern aus dem 19. Jahrhundert; in Murrhardt ist es das einzige Beispiel. Es belegt die von den Honoratioren der kleinen Stadt getragenen Anfänge der bürgerlichen Gartenkultur, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Murrhardt Luftkurort und Standort von Landhäusern wurde, einen bestimmenden Faktor darstellte. Das Gartenhäuschen ist – in seinem gesamten historischen Bestand – Kulturdenkmal aus wissenschaftlichen und heimatgeschichtlichen Gründen. Seine Erhaltung liegt insbesondere wegen seines dokumentarischen und exemplarischen Werts im öffentlichen Interesse.

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Erstellt:
17. April 2024, 11:30 Uhr

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