EU-Lieferkettengesetz

Brüssel will Vorgaben verschieben und aufweichen

Europas Wirtschaft hinkt der Konkurrenz hinterher. Mit weniger Berichtspflichten und billigerer Energie soll sie wieder in Schwung gebracht werden.

Achtjähriger in einer Gerberei in Dhaka, Bangladesch: Das EU-Lieferkettengesetz sollte Firmen ursprünglich unter anderem dazu verpflichten, Kinderarbeit in ihrer gesamten Produktkette auszuschließen.

© imago//Syed Mahamudur Rahman

Achtjähriger in einer Gerberei in Dhaka, Bangladesch: Das EU-Lieferkettengesetz sollte Firmen ursprünglich unter anderem dazu verpflichten, Kinderarbeit in ihrer gesamten Produktkette auszuschließen.

Von Knut Krohn

Brüssel will der lahmenden Wirtschaft Europas auf die Sprünge helfen. Dazu hat die EU-Kommission am Dienstag den sogenannten Clean Industrial Deal präsentiert. Damit sollen die Unternehmen in der Union wettbewerbsfähiger werden, aber auch auf Kurs in Sachen Klimaschutz gehalten werden.

Durchaus selbstkritisch räumte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ein, dass den Firmen in Europa zu viele Hürden im Weg stünden wie etwa „hohe Energiepreise und regulatorische Lasten“. Mit dem Maßnahmenpaket soll sich das ändern. An den ehrgeizigen Klimazielen will Brüssel allerdings weiter festhalten.

Entlastet werden sollen etwa energieintensive Betriebe, die im harten Wettbewerb mit der billigeren Konkurrenz aus den USA und China stehen. Zu diesem Zweck sollen mit einem Aktionsplan die Belastungen in verschiedenen Bereichen gesenkt werden. So sollen etwa die Wettbewerbsregeln vereinfacht werden. Für niedrigere Stromkosten fordert die Kommission die Mitgliedstaaten unter anderem auf, die Stromsteuern zu senken.

Brüssel will Auflagen abschwächen

Auf massivem Druck aus der Wirtschaft will die europäische Kommission die Anwendung des EU-Lieferkettengesetzes um ein Jahr verschieben und die Auflagen für Unternehmen deutlich abschwächen. Zudem sollen mehr Firmen von der Regelung ausgenommen werden. Eigentlich will die EU mit dem Lieferkettengesetz Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten für Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung in ihrer Produktion in die Pflicht nehmen. Die Kommission schlägt nun vor, den ersten Stichtag für die Umsetzung um ein Jahr auf den 26. Juni 2028 zu verschieben. Ein Jahr später soll das Gesetz dann voll greifen.

Die betroffenen Firmen sollen nicht mehr in ihrer gesamten Lieferkette die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards sicherstellen müssen, sondern nur noch bei ihren direkten Zulieferern. Ein Nachweis dafür würde nicht mehr jährlich, sondern nur noch alle fünf Jahre fällig. Die Kommission will zudem eine EU-weite zivilrechtliche Haftung für Verstöße gegen die Vorgaben einschränken.

Massive Kritik an dieser Regelung kommt vom sozialdemokratischen Europaabgeordneten René Repasi. „Es besteht das ernsthafte Risiko, dass die Kommission das noch in den Kinderschuhen steckende Europäische Lieferkettengesetz zum zahnlosen Papiertiger macht“, sagt der Vorsitzende der Europa-SPD. „Ohne wirkungsvolle Durchsetzungsmechanismen wie die zivilrechtliche Haftung werden Handlungspflichten wirkungslos.“ Auch Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Pläne als Rückschritt für Klimaschutz und soziale Standards.

Der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary betont hingegen, dass die EU-Kommission mit dem Maßnahmenpaket den richtigen Weg eingeschlagen habe. Man müsse die „europäische Gesetzgebung einem Realitätscheck für unsere Wettbewerbsfähigkeit unterziehen und den EU-Berichtspflichtenkatalog massiv entschlacken“, sagt der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament und fordert, dass „noch viele weitere vergleichbare Initiativen folgen müssen“.

Streit in den Parteien ist programmiert

Die EU-Kommission will auch die heimischen Unternehmen besser schützen. So sollen europäische Firmen in Zukunft den Vorzug bei öffentlichen Ausschreibungen erhalten. Dazu soll es eine Art Kriterienkatalog geben. Zu solchen Kriterien könnten demnach der CO2-Ausstoß, die Möglichkeit zum Recycling oder die Cyber-Sicherheit zählen.

Für das kommende Jahr kündigte die Kommission zudem einen Gesetzesvorschlag an, mit dem sie EU-Unternehmen in strategisch wichtigen Wirtschaftsbereichen grundsätzlich einen Vorzug einräumen will. Viele der Vorschläge richten sich direkt an die EU-Staaten.

Der sogenannte Clean Industrial Deal ist kein Rechtstext, er hat also keinen Gesetzescharakter. Es werden aber Gesetze angekündigt, die noch vorgeschlagen werden müssen. Wie genau die Verhandlungen bei den geplanten Vereinfachungen ablaufen werden und welche Mehrheiten sich finden werden, ist noch unklar.

Dabei ist der Streit zwischen den Parteien bereits programmiert. Andreas Glück, Europaabgeordneter der FDP, kritisierte, insbesondere die Sozialdemokraten würden schon im Vorfeld eine Blockadehaltung an den Tag legen. „Ich glaube, wenn man sich so verhält, dann hat man ein Stück weit den Schuss nicht gehört“, sagte der Liberale.

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Erstellt:
26. Februar 2025, 17:28 Uhr

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