Bürgermeister Max Schäfer will das Wahlergebnis nicht werten
Interview Die AfD-Erfolge in Spiegelberg erklärt Max Schäfer damit, dass die Politik die Menschen auf dem Land nicht genug im Blick hat.
![Bürgermeister Max Schäfer will das Wahlergebnis nicht werten Bürgermeister Max Schäfer. Foto: Alexander Becher](/bilder/buergermeister-max-schaefer-foto-alexander-becher-749453.jpg)
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Bürgermeister Max Schäfer. Foto: Alexander Becher
Warum ist der Boden in Spiegelberg für die AfD so fruchtbar?
Sie fragen, ob die AfD Wähler gewonnen hat. Ich frage mich, ob die aktuell an der Regierung beteiligten Parteien nicht eher Wähler vergrault haben. Darauf lassen die aktuellen Umfragen schließen. Siehe Heizungsgesetz, Strompreisexplosion, Geschlechterdebatten, ungehemmte Zuwanderung, Verbrennerverbot, rekordverdächtige Steuer- und Abgabenlast, Belehrungen, was man essen und wie man reden soll. Die bisherige Arbeit der Regierung hat Optimierungspotenzial, die Oppositionsparteien mussten wenig zu den letzten Wahlergebnissen beitragen.
Diese bundespolitischen Themen betreffen aber alle, nicht nur Spiegelberger Bürger. Weshalb fällt die Reaktion in Spiegelberg so sehr zugunsten der AfD aus?
Diese Themen treffen alle Einwohner der Bundesrepublik, aber nicht alle gleich. Ein Ingenieur aus Hamburg, der in seiner topsanierten Altbauwohnung wohnt, morgens mit dem Rad oder der U-Bahn ins Büro kommt und ein E-Auto als Lifestyle-Accessoire least, wird weniger von den Entscheidungen der letzten Jahre berührt als der Pendler im ländlichen Raum, der mit seinem alten Diesel-Passat zur Arbeit fahren muss und gerade das alte Haus seiner Eltern übernommen hat. Für diesen Pendler heißt es bis zum Ende gedacht: Er soll sein Haus teuer sanieren oder günstig verkaufen. Will er weiter zur Arbeit kommen, muss er sich ein unbezahlbares E-Auto kaufen oder mit dem Bus fahren, der teilweise über Stunden nicht kommt. Das Leben wird sehr teuer für ihn. Dass derartige Forderungen nicht unbedingt in der Lebenswirklichkeit der Menschen Anklang finden, sieht man an den Wahlergebnissen, nicht nur in Spiegelberg. Die Politik hat eher die Ballungsräume im Blick. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung, denn dort leben deutlich über 70 Prozent der Wähler. Die Menschen auf dem Land wollen aber auch in Zukunft Rahmenbedingungen vorfinden, die zu ihren Lebensumständen passen. Themen wie Zuwanderung, Inflation oder innere Sicherheit haben zusätzlich als Katalysatoren fungiert.
Können Sie verstehen, dass viele Bürger in Ihrer Gemeinde die AfD wählen?
Für die jeweilige Wahlentscheidung der Bürger gibt es von mir kein Verständnis, kein Mitleid, keinen Beifall oder eine sonstige Wertung. Ich wurde nicht für die politische Erziehung gewählt, das müssen die Parteien unter sich ausfechten – ohne Beihilfe von Behörden oder Amtsträgern.
Im Gegenzug: Verstehen Sie, dass es Bürger gibt, die sich dafür schämen, dass die AfD so erfolgreich ist im Ort?
Wenn Menschen ihre eigene Meinung zu politischen Ereignissen haben und diese äußern, machen sie Gebrauch von ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Das unterstütze ich ohne Wertung. Ich habe Achtung vor jeder Meinung aus der Bürgerschaft unabhängig davon, wie sie ist.
Im überregionalen Teil der BKZ wurden Sie zitiert mit den Worten „Der Grundsatz der Demokratie ist, dass alles angekreuzt werden darf, was auf dem Stimmzettel steht“. Heißt das, Sie ziehen keine Brandmauer zu einer demokratie- und fremdenfeindlichen Partei?
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Ich lasse mich vor keinen Karren spannen. Wer vom politischen Diskurs auszuschließen ist, bestimmt in Deutschland einzig und allein das Bundesverfassungsgericht und kein gewählter Amtsträger und Bediensteter des Staats wie ich. Das wäre eine sehr spezielle Version der Demokratie und ein Tiefpunkt des im Grundgesetz verankerten Neutralitätsgebotes des Staats.
Spielt das Rechtsaußen-Wahlverhalten von mehr als einem Drittel der Bürger im alltäglichen Miteinander in Spiegelberg eine Rolle?
Ob jemand ein guter Nachbar oder zuverlässiger Vereinskamerad ist, wird bei uns genauso wenig anhand seiner politischen Einstellung wie anhand der Religion, Herkunft, des Geschlechts oder anderer sachfremder Faktoren beurteilt. Menschen aufgrund ihrer politischen Meinung vom gesellschaftlichen Leben auszugrenzen, ist ein Indiz autokratischer bis diktatorischer Systeme. Es gab Zeiten, in denen auch in Deutschland danach beurteilt wurde. Es ist gut, dass diese Zeiten vorüber sind.
Das Gespräch führte Nicola Scharpf.