Bürgermeisterwahl Großerlach: Kevin Dispans Rede war größtenteils abgeschrieben

Bürgermeisterwahl Großerlach Beim BKZ-Wahlpodium bedient sich der Kandidat ungefragt bei Veronika Franco Olias aus Sulzbach.

Kevin Dispan präsentierte beim Podium der BKZ eine Rede, die zu Teilen abgeschrieben war. Archivfoto: Tobias Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Kevin Dispan präsentierte beim Podium der BKZ eine Rede, die zu Teilen abgeschrieben war. Archivfoto: Tobias Sellmaier

Von Kornelius Fritz

Großerlach. „Liebe Großerlacherinnen und Großerlacher, ich freue mich, heute Abend in viele bekannte, aber auch neue Gesichter zu sehen. Ich stehe heute Abend vor Ihnen, weil ich seit Jahren ein Ziel verfolge: das Ziel, als Bürgermeister die Zukunft einer Gemeinde gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort und den lokalen Akteuren zu gestalten und voranzubringen.“ Mit diesen Worten hat sich Bürgermeisterkandidat Kevin Dispan am Montagabend beim Wahlpodium der Backnanger Kreiszeitung in der Großerlacher Gemeindehalle vorgestellt. Denjenigen unter den rund 250 Besuchern, die im November auch das Wahlpodium zur Sulzbacher Bürgermeisterwahl besucht hatten, kam dieser Einstieg ziemlich bekannt vor. Denn mit genau diesen Worten hatte sich dort damals die später zur Bürgermeisterin gewählte Veronika Franco Olias vorgestellt.

Vielleicht nur Zufall? Wohl nicht, denn in Dispans Rede finden sich noch weitere Passagen, die fast wörtlich von der Sulzbacher Kandidatin übernommen wurden. Etwa wenn der Bewerber über sich sagt, er sei „jung, dynamisch und niemandem verpflichtet außer dem Wohlergehen der Gemeinde und ihren Bürgerinnen und Bürgern“. Ein Abgleich der Reden, die beide auf Video dokumentiert und bei Youtube abrufbar sind, zeigt, dass Kevin Dispans Rede zu 65 Prozent mit der von Veronika Franco Olias übereinstimmt. Lediglich die Passagen, in denen es um den persönlichen Werdegang geht, weichen voneinander ab.

Veronika Franco Olias erklärt auf Nachfrage, dass sie ihre Vorstellungsrede komplett selbst geschrieben habe. „Ich habe dafür viel Zeit investiert“, erzählt die künftige Sulzbacher Bürgermeisterin, die Anfang Februar ihr Amt antreten wird. Kevin Dispan kenne sie persönlich nicht und dieser habe sie auch nicht gefragt, ob er sich aus ihrer Rede bedienen dürfe. „Ich war sehr überrascht“, sagt Franco Olias, die sich das Großerlacher Wahlpodium auf Video angeschaut hat und auch im Bekanntenkreis auf die Parallelen in Dispans Rede angesprochen wurde. Weiter kommentieren will die 30-Jährige den Vorgang aber nicht. Sollte Dispan zum Bürgermeister der Nachbargemeinde gewählt werden, muss sie schließlich eng mit ihm zusammenarbeiten.

Kandidat räumt Fehler ein

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Und was sagt Kevin Dispan selbst? Der Kandidat räumt ein, dass er die Rede von Veronika Franco Olias kannte und sich auch davon habe inspirieren lassen: „Wir haben eben eine ähnliche Geschichte.“ Es sei aber nicht seine Absicht gewesen, ihre Rede zu kopieren: „Es war mir nicht klar, dass das so wahrgenommen wird“, erklärt er.

Und er sei auch durchaus in der Lage, selbst Reden zu schreiben. So habe er in seiner jetzigen Funktion im Rathaus von Remseck bereits Reden für den Oberbürgermeister geschrieben. Auch die Rede, die er gestern Abend bei der offiziellen Kandidatenvorstellung der Gemeinde gehalten habe, stamme zu 100 Prozent aus seiner Feder. Dass er den Vortrag beim Wahlpodium größtenteils übernommen habe, sei ein Fehler gewesen, räumt der Kandidat rückblickend ein.

Expertin Hannah Kluwe :„Bei einer Rede ist Authentizität besonders wichtig.“

Eine, die sich mit Bürgermeisterwahlen auskennt, ist Hannah Kluwe. Mit ihrer Schorndorfer Agentur Spirit Kommunikation hat sie schon Dutzende Kandidaten in Wahlkämpfen betreut. Dass Flyer, Plakate, Slogans und auch Vorstellungsreden oft recht ähnlich sind, überrascht sie nicht: „Das liegt in der Natur der Sache.“ Einen Text oder eine Rede eines anderen Kandidaten zu übernehmen, würde sie aber niemandem empfehlen: „Bei einer Rede ist Authentizität besonders wichtig.“ Deshalb bietet ihre Agentur Bewerbern zwar an, ihre Entwürfe gegenzulesen und zu besprechen, stellt ihnen aber keine fertigen Reden oder Textbausteine zur Verfügung: „Die Inhalte müssen von den Kandidaten kommen.“

Kommentar
Ein klassisches Eigentor

Von Kornelius Fritz

Ein Bürgermeister muss nicht perfekt sein. Die Wählerinnen und Wähler akzeptieren es durchaus, wenn der Rathauschef auf eine Frage mal keine Antwort weiß. Auch rhetorisch muss dieser nicht unbedingt brillant sein. Viele Bürgermeister wären sonst nie ins Amt gekommen. Viel wichtiger ist den Menschen neben fachlicher Kompetenz, dass der Mann oder die Frau im Rathaus authentisch und vertrauenswürdig wirkt.

Mit seiner abgeschriebenen Rede beim BKZ-Wahlpodium hat Kevin Dispan in Großerlach deshalb ein klassisches Eigentor geschossen. Abgesehen davon, dass es naiv war zu glauben, dass niemand das Plagiat bemerken würde, hat er damit auch die Chance verpasst, sich so zu präsentieren, wie er wirklich ist. Selbst eine etwas holprige Rede wäre besser gewesen als eine geschliffene, die nicht von ihm stammt.

Für Dispans Verhalten gibt es zwei mögliche Erklärungen: Entweder er traut sich selbst nicht zu, eine gute Rede zu schreiben, oder es war ihm zu viel Aufwand. Beides wären keine guten Voraussetzungen für das Amt des Bürgermeisters.

k.fritz@bkz.de

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Erstellt:
18. Januar 2024, 06:00 Uhr

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