Cannabisclub gründet sich in Backnang
Mit der Teillegalisierung ist es möglich, ab Juli Cannabis von gemeinnützigen Vereinen zu beziehen. Eine Freundesgruppe aus Backnang hat einen solchen Cannabis Social Club gegründet und stellt sich vor. Der Verein 91Barrio möchte möglichst hochwertiges Gras produzieren.
Von Anja La Roche
Backnang. Seit dem 1. April ist Cannabis in Deutschland legal. Über gemeinnützige Vereine sollen Konsumenten gemeinsam Cannabis anbauen und untereinander verteilen dürfen. Auch für Backnang wurde ein solcher Cannabis Social Club gegründet. Auf der Website des Vereins 91Barrio (www.91barrio.de) kann man bereits sein Interesse an einer Mitgliedschaft bekunden.
Insgesamt sieben junge Leute aus Backnang und der Umgebung haben sich zusammengeschlossen, um den Verein ins Leben zu rufen. „Wir haben schon relativ lange Berührungspunkte mit Cannabis“, erklärt der Vereinsvorsitzende Calvin Gosselke, der in Backnang aufgewachsen ist und mittlerweile zwischen dort und Würzburg pendelt. Der 23-jährige Student möchte sich auch beruflich mit dem Thema befassen und arbeitet bereits als Werkstudent in der Marketingabteilung eines Pharmaunternehmens, das medizinisches Cannabis produziert. Als er und seine Freunde von dem Gesetz zur Teillegalisierung gehört haben, war ihnen klar, dass sie Teil von der neuen Entwicklung sein wollen.
Um alles richtig zu machen, haben sich die Gründer einen Anwalt mit ins Boot geholt. Denn angesichts des komplizierten Gesetzes wollen sie nichts falsch machen. „Ab Juli dürfen wir einen Antrag für die Anbaugenehmigung stellen“, erklärt Gosselke. „Bis dahin versuchen wir, alles vorzubereiten.“ Eine Abgabestelle für das Marihuana ist dabei nicht nur in Backnang, sondern auch in Würzburg geplant.
Bis zu 100 Mitglieder sind in Backnang möglich
In der rund 128000-Einwohner-Stadt in Bayern hätten sich bereits etwa 325 Interessenten gemeldet, geplant sind 400 Plätze. In Backnang hingegen seien noch alle Plätze offen, maximal 100 will 91Barrio dort anbieten. Dass bislang noch kaum jemand in Backnang Interesse bekundet hat, liege daran, dass für die Cannabis Social Clubs keine Werbung im klassischen Sinn gemacht werden darf, erklärt Gosselke. Doch weil sie in Würzburg vernetzter seien und dort auch schon in einem Radiobeitrag vorgestellt wurden, habe sich ihr Verein bereits stärker herumgesprochen.
Das Durchschnittsalter der bisherigen Interessenten hat die Vereinsgründer dabei überrascht: Es liegt bei 36 Jahren. Der Jüngste sei 21, der Älteste etwa 60 Jahre alt. Das zeigt, dass nicht nur junge Leute kontrolliert angebautes Gras konsumieren wollen, sondern Personen verschiedenster Altersgruppen. Es gebe Leute, die hätten angegeben, dass sie seit 30 Jahren nicht mehr gekifft haben und es nun angesichts der neuen Möglichkeiten mal wieder ausprobieren wollen, berichtet Calvin Gosselke.
Die Mitgliedschaft bei 91Barrio soll 25 Euro im Monat kosten, ermäßigt 15 Euro, also beispielsweise für Studenten und Menschen mit Behinderung. Falls auch weitere Personen überlegen, einen Cannabis Social Club in Backnang zu gründen, freuen sich die Leute von 91Barrio über Kontakt. Gerne teilen sie ihre Tipps über die Vereinsgründung mit anderen. Immerhin würden bundesweit etwa acht Prozent der Bevölkerung kiffen, berichtet Gosselke – der Bedarf in Backnang wäre also theoretisch erst mit rund 2800 Vereinsplätzen gedeckt.
Vorerst nur Mitglieder ab dem Altern von 21 Jahren erlaubt
Wichtig ist 91Barrio, dass niemand ausgeschlossen wird. Der Verein soll also nicht nur ein bestimmtes Klientel ansprechen, sondern offen für jeden sein. Zwar soll eine Mitgliedschaft bei ihnen zunächst erst ab 21 Jahren möglich sein, aber das soll sich künftig noch ändern. Grund dafür ist, dass für 18- bis 20-Jährige die Regeln aufwendiger sind, und das wollen sich die Initiatoren vorerst nicht aufbürden.
Weitere Themen
Der Verein will seine Aufgabe zur Aufklärung dabei ernst nehmen. „Wir sind verpflichtet zu gucken, dass unsere Mitglieder bewusst konsumieren“, erklärt Calvin Gosselke. Dabei kritisiert die Mitgründerin Lola, die in der Zeitung nicht mit richtigem Namen genannt werden möchte, dass in den Vereinsräumlichkeiten nicht konsumiert werden darf. Dort dürfen die Leute lediglich das bestellte Cannabis abholen. „Wenn die im Social Club konsumieren dürften, könnte man da ein Auge drauf haben“, bemängelt sie. Dadurch wäre etwa ein begleiteter Erstkonsum möglich.
Neben der Aufklärung sehen die Gründer ihre Aufgabe vor allem auch darin, möglichst qualitative Produkte anzubieten. Für den Anfang seien etwa zehn verschiedene Sorten geplant, die dann zwischen sieben und zwölf Euro pro Gramm kosten sollen. Das Cannabis soll nicht nur auf seinen THC-Gehalt, sondern auch beispielsweise auf Verunreinigungen getestet werden, bevor es abgegeben wird. „Wir sind schon sehr erpicht darauf, dass das Gras sauber sein wird, sonst hätten wir weitermachen können wie bisher“, sagt Gosselke. Das Marihuana soll sogar so nah wie möglich an medizinische Produkte herankommen, so der Anspruch des Vereins.
Der Verein will eine Gemeinschaft kreieren und Sprachrohr sein
91Barrio soll aber auch eine Gemeinschaft unter Gleichgesinnten kreieren, in der sich ausgetauscht werden kann. Nicht umsonst ist Barrio das spanische Wort für ein Stadtviertel, das sich durch eine eigene charakteristische Identität auszeichnet und somit auch für Gemeinschaft steht (und die 91 steht für die Backnanger Vorwahl). Soweit möglich, wollen die Vereinsgründer beispielsweise Events organisieren. Außerdem wollen sie ein Sprachrohr für die Community sein. So ist geplant, mit der Stadtverwaltung in den Austausch zu treten.
Nun gilt es, Räumlichkeiten für die Abgabestelle in Backnang zu finden. Anbauen will der Verein auf baden-württembergischer Seite an der Grenze zu Bayern. Dadurch wären Backnang und Würzburg relativ schnell zu erreichen und sie könnten den Verein in Stuttgart anmelden. Das hat Vorteile, weil die Landesregierung in Bayern die Teillegalisierung durch strengere Regelungen möglichst einschränken will.
Neben der positiven Wirkung von Cannabis wie Entspannung, Entfaltung, neuen Perspektiven und dem sozialen Kontakt nennen die Freunde auch die negativen Seiten der Droge. „Cannabis kann nicht nicht gesundheitsschädlich sein“, betont der Vereinsvorsitzende. Es gehe also darum, den Schaden zu begrenzen – durch ein positives Umfeld, durch sauberes Gras und Aufklärung zu weniger gesundheitsschädigendem Konsum, beispielsweise indem die Leute das Marihuana verdampfen, statt es zu verbrennen. Calvin Gosselke selbst erzählt, der Kontakt zu Dealern in seiner Jugend habe mit zum Unangenehmsten gehört. Er kenne auch einige Personen, die zu viel konsumiert haben. „Da gehört auch Selbstdisziplin dazu“, betont er. 91Barrio könne auch eine Alternative für Leute sein, die nicht zu Alkohol greifen wollen.
Kontakt Den Verein 91Barrio finden Interessierte online unter www.91barrio.de und auf Instagram (@91barrio.de oder @cscBacknang). Per E-Mail ist der Verein unter info@91barrio.de zu erreichen.Joints unerwünscht Zwar ist das Kiffen in der Öffentlichkeit grundsätzlich erlaubt, wenn die Verbotszonen wie der nähere Umkreis von Schulen und Spielplätzen eingehalten werden. Doch viele Cafés und Restaurants, auch in Backnang, verbieten Joints in ihren Außenbereichen per Hausverbot. Der Oberbürgermeister Maximilian Friedrich hat bereits angekündigt, Cannabis auf dem Straßenfest zu verbieten und auch in den Freibädern wird es verboten bleiben.
Meinung des Vereins Dass Gastrobetreiber Joints verbieten, können die Vereinsgründer nachvollziehen. „Das kommt immer auf deren Zielgruppe an“, sagt der Vorsitzende Calvin Gosselke. Und auch auf dem Straßenfest und in Freibädern könne er verstehen, dass nicht überall gekifft werden darf, immerhin müsse der Jugendschutz gewahrt werden. Doch ein komplettes Verbot hält er für falsch. „Dass ist ja das, was das Gesetz ändern soll, dass man den Konsum aus der dunklen Ecke holt“, sagt er. „Wir wollen nicht mit einem Joint herumlaufen, aber wir wollen auch ein normaler Teil der Gesellschaft sein.“
Vorschlag Die Gründer bevorzugen deshalb, dass wie bereits mancherorts für das Rauchen von Zigaretten bestimmte Bereiche ausgewiesen werden, in denen gekifft werden darf – also eine Konsum- statt einer Verbotszone. „Backnang hätte bestimmt die Möglichkeit, irgendwo einen Bereich einzurichten“, findet Gosselke.