Umweltpolitik der Union
CDU-Vize Andreas Jung widerspricht Spahn: „Kein Zurück zur Atomenergie“
Auch bei Neckarwestheim 2 sei „die Messe gelesen“, sagt der stellvertretende CDU-Vorsitzende unserer Zeitung.
Von Norbert Wallet
Andreas Jung, der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, ist im Gespräch mit unserer Zeitung dem Eindruck entgegengetreten, die Christdemokraten wollten wieder in die Nutzung der Atomenergie einsteigen. „Wir wollen nicht zurück, sondern mit Innovationen nach vorne“, sagt der Konstanzer Bundestagsabgeordnete.
Dass dieser Eindruck überhaupt entstehen konnte, hat einen Grund. In einem als Diskussionspapier bezeichneten Konzept aus der Feder von Jens Spahn und Andreas Jung hatte der Satz gestanden, die Partei strebe eine fachliche Bestandsaufnahme an, „ob angesichts des jeweiligen Rückbau-Stadiums eine Wiederaufnahme des Betriebs der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist“. Offenbar verstehen Spahn und Jung die Formulierung aber ganz verschieden.
Kein Wackeln der CDU beim Ziel der Klimaneutralität bis 2045
Der stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Jens Spahn hatte zu Wochenbeginn mit der Bemerkung aufhorchen lassen, die kommende Bundestagswahl werde auch eine Abstimmung über die Kernkraft, die „wir wieder auf die Tagesordnung“ setzen. Jung widerspricht dieser Sicht. Die CDU werde „keinen Atomwahlkampf“ führen, das Konzept sei „viel breiter“ und stelle einen pragmatischen Weg bei Energieeffizienz, Erneuerbaren, Wasserstoff und CO2-Abscheidung in den Mittelpunkt. Wie bereits im Grundsatzprogramm der CDU gehe es auch hier „nicht um Neubau von Kernkraftwerken in Deutschland, sondern um Offenheit für Forschung an Innovationen von morgen – gerade auch bei der Kernfusion.“ Auch in Baden-Württemberg sei der Fall klar, sagt Jung: „Neckarwestheim 2 kommt nicht zurück, der Rückbau ist weit fortgeschritten. Das Abschalten inmitten der Energiekrise war falsch, aber die Messe ist gelesen.“
Der CDU-Vize möchte lieber einen anderen Aspekt in den Vordergrund rücken: Die CDU halte weiter am Ziel fest, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. „Am Ziel der Klimaneutralität 2045 wird nicht gerüttelt“, sagt Jung. Politisch ist das eine wichtige Festlegung, denn gerade erst hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in seiner innerkoalitionären Streitschrift ein Verschieben des Datums ins Spiel gebracht.
Wirtschaft muss wettbewerbsfähig bleiben
Wie die Klimaneutralität bis 2045 erreicht werden soll, obwohl das ökonomische Umfeld schwieriger wird, dazu liegt nun ein zweites Unionspapier, diesmal dezidiert zur Klimapolitik, auf dem Tisch. Es stammt aus der Feder von Thomas Gebhart, Unionsobmann im Ausschuss für Klimaschutz und Energie. Auch hier hat Jung mitgeschrieben.
„Unsere Unternehmen am Standort Deutschland dürfen auf dem Weg hin zur Klimaneutralität ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren“, sagt Gebhart gegenüber unserer Zeitung. Es müsse gelingen, „starke Wirtschaft, Klimaschutz und Soziales in Einklang zu bringen“. Dazu wolle die Union auf marktwirtschaftliche Lösungen setzen, sagt Gebhart. Ein Schlüssel seien „technologische Innovationen“. Zudem müssten der europäische Binnenmarkt und die unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Regionen Europas „zum Vorteil unserer Wirtschaft und Bevölkerung viel besser genutzt werden“.
Emissionshandel als Leitinstrument
Dazu haben Gebhart und Jung für die Unionsfraktion im Bundestag einen Antrag formuliert, der am Dienstag in der Fraktion verabschiedet wurde und bereits diesen Mittwoch im Parlament diskutiert werden soll. Der umfangreiche Antrag, der aus 30 Unterpunkten besteht, macht klar, dass für die Union der CO2-Emissionshandel das marktwirtschaftliche Leitinstrument der Klimapolitik sein soll. Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung in Folge des Emissionshandels sollen „auch künftig in die EU-Mitgliedstaaten statt in europäische Töpfe fließen“, heißt es in dem Papier. Die Einnahmen sollen „in Deutschland an Bürger sowie Unternehmen zurückgegeben“ werden, auch um damit „ die Stromsteuer auf das europarechtliche Minimum“ zu senken und die Netzentgelte „spürbar“ zu reduzieren. Die Potenziale der erneuerbaren Energien sollen in größerer Bandbreite genutzt werden. Neben dem Ausbau von Wind und Sonne „müssen nun auch endlich die Potenziale der Bioenergie, Geothermie, Wasserkraft, Abwasserwärme, Wärmerückgewinnung und zur effizienten Dekarbonisierung industrieller Prozesswärme“ ausgeschöpft werden, heißt es in dem Antrag.