Chancen für den ländlichen Raum
Claudia Erlekamm ist neue Regionalmanagerin Kultur – Ziel: Vernetzung der Kulturakteure und Begleitung für die Kommunen
Auf Claudia Erlekamm kommen neue Aufgaben zu: Die Frau, die seither schon die Winterkulturtage im Schwäbischen Wald in der Hand hat, wird Regionalmanagerin Kultur. In dieser vom Land geförderten Funktion soll sie die Kulturakteure im Kreis – speziell im ländlichen Raum – zusammenbringen und unterstützen. „Es ergeben sich neue Möglichkeiten und neue Ansätze“, sagt sie.

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Stellt sich einer neuen Kulturherausforderung: Claudia Erlekamm am Brunnen von Fritz Nuss vor dem Landratsamt Waiblingen. Foto: J. Fiedler
Von Armin Fechter
WAIBLINGEN. Der Rems-Murr-Kreis hat ein Jahr der Großereignisse hinter sich: die Remstal-Gartenschau als erste interkommunale Aktivität dieser Art überhaupt, ferner die Heimattage Baden-Württemberg in Winnenden und schließlich das 40-jährige Bestehen des Naturparks Schwäbisch-Fränkischer Wald.
In dieser ungewöhnlichen Konstellation ist, wie Claudia Erlekamm erklärt, im Kreis eine ganz neue Dynamik entstanden, die nach dem Willen von Landrat Richard Sigel über das Jahr 2019 hinaus fortgeführt werden soll. Glückliche Fügung dabei: Das Land hat parallel ein Projekt „Regionalmanager*innen Kultur“ ausgeschrieben, bei dem der Rems-Murr-Kreis mit seiner Bewerbung zum Zug gekommen ist – zusammen mit den Landkreisen Hohenlohe, Ostalb, Reutlingen und Waldshut sowie der Kulturregion Karlsruhe. Insgesamt 720000 Euro stehen zur Verfügung, um ein Regionalmanagement Kultur zu verankern.
Den Anstoß dazu hat wiederum ein Programm der Kulturstiftung des Bundes gegeben: „Trafo – Modelle für Kultur im Wandel“. Damit sollen ländliche Regionen in ganz Deutschland dabei unterstützt werden, ihre Kulturinstitutionen für neue Aufgaben zu öffnen. Gedacht ist dabei an Veränderungsprozesse, die auf eine gesellschaftliche Herausforderung reagieren und auf ein neues Selbstverständnis der Aufgaben zielen.
Wunsch nach mehr Beratung in Dialogveranstaltungen des Landes
Baden-Württemberg betritt mit seinem Projekt Regionalmanagement Neuland: „Die anderen Länder schauen auf uns“, macht Erlekamm deutlich. Um was es konkret geht, klang bereits bei den vom Land 2018 initiierten Dialogveranstaltungen zur Kulturpolitik für die Zukunft an: Da wurde oft der Wunsch nach mehr Begleitung und Beratung geäußert. Darauf will nun das federführende Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Verbindung mit dem Ministerium für Ländlichen Raum aufbauen.
Claudia Erlekamm sieht darin die Chance, neue Vernetzungen zwischen den Kulturakteuren im Kreis zu schaffen. Gemeint sind damit sowohl Kulturschaffende als auch die Kulturwirtschaft, Vereine, Initiativen und Kommunen. „Es tun sich neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf“, verdeutlicht sie. Das auf vier Jahre angelegten Projekt Regionalmanager Kultur soll in zwei Etappen ablaufen: Zunächst ist für 2020 eine Entwicklungsphase vorgesehen, von 2021 bis 2023 soll eine Umsetzungsphase folgen.
Zunächst gilt es, so Erlekamm, den Istzustand festzustellen. Im Kulturbereich sei vieles handgemacht, es gebe vielfältiges Engagement an unterschiedlichen Orten – aber es fehlt ein Überblick, was die Kultur im Kreis ausmacht, wie sie sich als Ganzes darstellt. Die Analyse soll auf wissenschaftlicher Basis erfolgen, eventuell in Partnerschaft mit der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, wo ein Studiengang Kulturmanagement etabliert ist. Ziel ist es jedenfalls, eine solide Grundlage zu gewinnen und im nächsten Schritt dann zu sehen, wo im Kreis welcher Bedarf besteht: Wo gibt es vielleicht weiße Flecken? Wo ist ein verstärkter Austausch nötig? Wo braucht es zusätzliche Unterstützung? Daraus lassen sich dann auch konkrete Vorhaben und Handlungsempfehlungen ableiten.
Die seit 2009 stattfindenden Winterkulturtage können dabei quasi als Blaupause dienen. Die Idee dahinter war es, wie Erlekamm erläutert, den Schwäbischen Wald in der besucherärmeren Zeit des Jahres zu fördern und die Kultur in diesem Raum zu vernetzen. Dabei wurden interessante Spielorte wie etwa die Mühlen aufgetan, Verbindungen zu Künstlern, auch von außerhalb der Region, wurden geschaffen und neue Impulse gesetzt, und es ergaben sich, teils auch spartenübergreifend, Vernetzungen unter Kulturschaffenden auf lokaler Ebene, beispielsweise auf dem sogenannten Kulturbuckel Großhöchberg. „Das kann man ausbauen“, sagt Erlekamm mit Blick auf die „sehr guten Erfahrungen“ aus den Winterkulturtagen, die bereits einen Kern fürs Regionalmanagement liefern und auch weiter bestehen sollen.
Dabei sieht sie auch die Möglichkeit, ein Grundproblem im ländlichen Raum anzugehen, nämlich die ausblutenden Ortskerne mit ihren alten, ortsbildprägenden, aber häufig leer stehenden Gebäuden mit Kulturaktivitäten zu beleben. Es gehe nicht darum, Plätze zu bauen, sondern das Vorhandene zu gestalten und etwas Neues daraus zu machen, beispielsweise als Spielstätten. Daraus könne ein Mehrfachnutzen entstehen: Ein Ort erfährt eine Belebung, ein Verein oder Künstler bekommt Gelegenheit zur Präsentation, und die Attraktivität eines Ortes insgesamt steigt.
Zugleich widerspricht Erlekamm der Vorstellung, dass der ländliche Raum – im Rems-Murr-Kreis sind 82 Prozent der Fläche Wald oder werden landwirtschaftlich genutzt – einseitig vom Verdichtungsraum profitiert: Auf der kreativen Ebene sei das anders, da finde ein Austausch statt. Zudem hätten auch die Großen Kreisstädte kleinere Teilorte. Und: Es gibt unterschiedliche Stärken, die sich ergänzen. Waiblingen könne sich beispielsweise tolle Künstler in die Stadt holen – vielleicht gelingt es, überlegt Erlekamm, regional noch eine weitere Veranstaltung mit diesem Künstler anzubieten. Vielleicht lassen sich auch ganz neue Kooperationen aufbauen, vielleicht lassen sich aber auch unerwünschte Doppelungen im Angebot vermeiden.
Dabei stehe der Dialog im Vordergrund: Den Kommunen solle keineswegs etwas aufoktroyiert werden, sie sollen frei sein, ob und wie stark sie das Angebot im Landratsamt annehmen. Das Regionalmanagement solle als zentraler Ansprechpartner bereitstehen, um Rat in finanziellen Fragen, zu Sponsoring und Fördermitteln zu geben und quasi als Drehscheibe für Erfahrungen zu fungieren: „Jeder kann profitieren und aus dem Austausch Nutzen ziehen.“ Dabei setzt Erlekamm auch auf ein Kompetenzteam, das sie mit externen Partnern bilden will.
Das Pilotprojekt „Regionalmanager Kultur“ bietet für den Rems-Murr-Kreis, so Landrat Richard Sigel, eine tolle Chance der Weiterentwicklung, insbesondere in der kreisweiten Vernetzung. Weiter sagt er:
Kultur übernimmt in der Regionalentwicklung heute zunehmend eine wichtige, spartenübergreifende Kommunikations- und Vernetzungsfunktion. Auch wenn jede Kommune im kulturellen Bereich ihr eigenes Profil entwickeln muss, ist eine kommunenübergreifende Vernetzung der Schlüssel zur Stärkung der Kulturarbeit.
Es geht dabei um den Ausbau von Identität, von Image, zum Beispiel im touristischen Sinn, und die Erhöhung weicher Standortfaktoren in puncto Wirtschaftsförderung und Lebensqualität. Ein wesentlicher Aspekt ist hier auch ein Brückenschlag zwischen Verdichtungsräumen wie dem Remstal und ländlichen Gebieten wie dem Schwäbischen Wald.
Aber es geht ebenso um eine verstärkte Einbindung sozialer Aspekte wie Inklusion oder Integration, die Nutzung von Brachflächen oder die Unterstützung regionaler Produkte aus der Landwirtschaft. Kurz: Das Regionalmanagement Kultur bietet hier eine Vielfalt neuer Möglichkeiten, von denen der Landkreis insgesamt profitieren kann.
Herzstück ist und bleibt natürlich, die Kultur weiter in die Fläche zu bringen und die im Jahr 2019 neu begonnenen Aktivitäten in die Zukunft zu führen. Die Ideen, Initiativen und Projekte aus der Initialzündung der drei Großereignisse sollen nicht als Rückblicke enden, sondern vielmehr inspirieren und nachhaltig fortgeführt werden.