Co-Pädagoge auf vier Pfoten
Tiere in der Schule liegen im Trend – Schüler sind ruhiger und auch aufmerksamer
Ob Hund, Katze, Maus, Bienen, Fische oder Hühner – Tiere in der Schule sind nicht selten. Warum? Sie bringen viele Vorteile mit sich. Mit ihnen gelingt es, dass die Klasse ruhiger wird und die Aufmerksamkeit der Schüler steigt. Zudem lernen Mädchen und Jungen, Verantwortung zu übernehmen und üben den Umgang mit den tierischen Begleitern.

© Jörg Fiedler
Tierische Unterstützung im Unterricht: Nika, die Schäferhündin von Lehrerin Pia Mindermann, darf sich frei bewegen und sich bei Bedarf auch in ihre Box zurückziehen. Fotos: J. Fiedler/ A. Becher
Von Florian Muhl
BACKNANG. Es ist fast Totenstille in der Klasse 5d im Tausgymnasium. Die Schüler arbeiten konzentriert. Sie haben sich inzwischen daran gewöhnt, dass Nika ab und zu durch die Reihen schleicht und hier mal schnuppert und dort mal kurz ihren Kopf auf dem Oberschenkel eines Schülers ablegt oder sich einfach irgendwo hinlegt und schläft. Die weiße Schäferhündin, „umgerechnet im späten Teenie-Alter“, wie Klassenlehrerin Pia Mindermann sagt, ist im wahren Leben ein knappes Jahr alt und geht selbst noch zur Schule, zur Hundeschule in Waiblingen-Bittenfeld. Mindermann arbeitet mit Nika ausschließlich über positive Bestätigung. „Ich versuche, gutes Verhalten einzufangen und das dann zu bestätigen mit diversen Belohnungen.“
Mindermann hatte bei der Auswahl von Nika, ihres zweiten Hundes, bereits im Hinterkopf, sie zum Schulhund ausbilden zu lassen. „Ich wollte eine Hündin, die relativ ruhig ist, aber trotzdem selbstbewusst – einen ängstlichen Hund kann man nicht mit in die Schule nehmen.“ Die Schulleitung war vom Projekt angetan und gab grünes Licht. Zuvor waren aber ein paar Dinge zu klären: Die Kollegen mussten zustimmen und beim Elternabend im Oktober sprach die Lehrerin über Ängste und Bedenken. „Einige Kinder hatten Angst vor Hunden oder glaubten, Angst zu haben“, erinnert sich Mindermann. Zudem musste die Frage der Allergien geklärt werden. Das Ergebnis: Einfach mal probieren. Wenn’s nicht funktioniert, das Projekt abbrechen.
„In der Praxis sieht es so aus, dass Nika einfach nur da ist und das Klassenklima positiv beeinflusst“, erklärt Mindermann. Die Co-Pädagogin auf vier Pfoten spielt also nicht die Hauptrolle, denn, so die Lehrerin: „Wir müssen ja auch Unterricht machen.“ Die Erfahrung zeige, dass die Klasse viel ruhiger ist, sobald der Hund da sei, und dass auch die Lern- und Arbeitsbereitschaft steige. Zudem würden die Kinder besser miteinander kommunizieren, weil sie über den Hund reden und dann miteinander sprechen. Auch ihre Körpersprache würden die Schüler besser und bewusster einsetzen. „Die Schüler haben auch ihre Selbstkontrolle steigern können.“
Auch Nika musste am Anfang lernen, dass für sie die Situation entspannt ist. Sie hat eine große Hundebox im Klassenzimmer stehen, wohin sie sich jederzeit zurückziehen kann. „Die Schüler wissen: Dort darf sie absolut nicht gestört werden, das ist ihre Zone“, sagt die Klassenlehrerin. Zu Beginn des Projekts nach den Herbstferien war Nika nur einmal in der Woche ein paar Minuten in der Klasse – zum gegenseitigen Kennenlernen. Die ersten zwei Stunden an der Leine, mittlerweile darf sie sich im Raum frei bewegen, ist ein- oder zweimal pro Woche für jeweils eine Stunde in der Klasse. Den Rest des Tages beziehungsweise Vormittags hat die Schäferhündin auch im Büro der stellvertretenden Schulleiterin Jutta Ernst einen Platz. „Man kann den Hund nicht sechs Stunden in der Klasse haben, das ist viel zu anstrengend für das Tier“, sagt Mindermann. Nach dem Unterricht geht sie mit Nika ins Freie, wo sie rennen und spielen und sich austoben kann.
Hühnerprojekt in der Plaisirschule: Fast Totenstille auch im Hühner-Atelier, einer Art Arbeitsgemeinschaft, in der Plaisirschule in Backnang. Flüsternd fragt Lehrerin Mirjam Ulmer im Klassenzimmer, was Hühner benötigen, um glücklich zu sein. „Ein Gehege“, sagt Nikita. „Ganz viel Zuneigung und man muss jeden Tag nach ihnen schauen und auch ihren Stall ausmisten“, meldet sich Anna zu Wort. Und ein Junge ruft in die Runde: „Sie brauchen alles außer Videospiele und Fernsehen.“ Themen sind auch noch die Freiland-, Bio- und Bodenhaltung sowie das Eierlegen und Fressfeinde.
Zum Schluss des Theorieunterrichts werden noch Aufgaben verteilt, bevor die Dritt- und Viertklässler ins Freie strömen. „Wer hat was zum Füttern dabei?“ Nicki, Leonie und Nikita melden sich. „Wer überprüft die Trinkschale?“ Eine Hand reckt sich zögerlich in die Höhe. „Wer möchte die Eier einsammeln?“ Wie aus der Pistole geschossen schreien alle „Ich!“. Auch den Futterautomaten will eine Schülerin übernehmen. Dann geht’s endlich hinter die Schule zu den fünf Hühnern. Jeden Tag kümmern sich Schüler um die Hühner, diese Gruppe einmal in der Woche. Jeder der Schüler kommt jetzt seiner Aufgabe nach. Seit 2015 ist die Plaisirschule Naturparkschule, seit drei Jahren hat sie eigene Hühner.
Es kommt natürlich vor, dass ein Huhn stirbt, wie kürzlich die beliebte Lili. „Das wird dann nicht totgeschwiegen, sondern ganz im Gegenteil. Wir thematisieren das Sterben, denn der Tod gehört zum Leben“, sagt Schulleiterin Annedore Bauer-Lachenmaier. Sie beobachtet, dass ihre Schüler lernen, Verantwortung für Leben zu übernehmen und Empathie entwickeln. Wichtig sei auch folgende Erfahrung: „Wie ich einem Lebewesen begegne, so reagiert es.“
Bienenprojekt an der Eduard-Breuninger-Schule Backnang: Erst in der Planungsphase befinden sich die 28 Schüler der Klasse i11/4 der kaufmännischen Schule, die im Frühling im Rahmen des Sozial- und Ökoprojekts Bienenvölker beim Berufsschulzentrum Backnang aufstellen wollen. „Zwei Bienenvölker werden es sein“, sagt Leon Wallenwein, der aus Schülersicht das Projekt in der Hand hat. Denn der 15-Jährige ist Imker, und das schon seit knapp fünf Jahren. „Wir wollen eine Blumenwiese anlegen, dann Honig produzieren und verkaufen und auch in Kindergärten gehen und informieren“, kündigt Wallenwein die geplanten Aktivitäten an, die man später auf Facebook und Instagram verfolgen kann.

© Pressefotografie Alexander Beche
Die frei laufenden Hühner der Plaisirschule bekommen täglich Besuch und Pflege.
Die Entscheidung, ob Tiere an der Schule eine Rolle haben oder nicht, entscheiden Schulen in eigener Verantwortung. Folgende Vorteile sieht das Staatliche Schulamt Backnang beim Einsatz von Tieren:
Der Umgang mit Tieren bietet die Möglichkeit, sich einem Lebewesen gegenüber zu öffnen und positiv zuzuwenden. Die Tiere können Brücken bauen und den Schülern helfen, in Kontakt zu treten und Gefühle auszudrücken.
Verbesserung der Lernatmosphäre und individuellen Leistungsfähigkeit sowie des Sozialverhaltens der Schüler.
Förderung des emotionalen Wohlbefindens durch Erleben von Beziehungen, Akzeptiertwerden, Geliebtwerden, Zuwendung, Trost, Ablenkung und so weiter.
Abbau von Ängsten.
Die Übertragung von Verantwortung durch die Arbeit mit Tieren fördert in hohem Maße das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein der Schüler.
Aneignung von Sachwissen über das jeweilige Tier.
Abwechslung und Spaß im Schulalltag.
Förderung von sozial-emotionalen Fähigkeiten und kognitiven Fähigkeiten.
Förderung von Kontrolle über sich selbst und die Umwelt, indem eine gewisse Pflicht in der Pflege von und dem Umgang mit Tieren erfüllt werden muss.