CO2-Diät dient dem Klima und der Gesundheit

Ökotrophologin spricht über klimafreundliche Ernährung – Viele Aspekte nicht so leicht zu bewerten, wie sie zunächst scheinen

Bergeweise weggeworfenes Brot: Lebensmittelreste nicht wegzuschmeißen, sondern zu verwerten, ist ein wichtiger Hebel, wie man sich klimafreundlicher ernähren kann. Fotos: R. Holzkamp

Bergeweise weggeworfenes Brot: Lebensmittelreste nicht wegzuschmeißen, sondern zu verwerten, ist ein wichtiger Hebel, wie man sich klimafreundlicher ernähren kann. Fotos: R. Holzkamp

Von Nicola Scharpf

ASPACH. Viele Aspekte, die Ökotrophologin Reinhild Holzkamp in einem Vortrag „Essen für den Klimaschutz“ thematisiert hat, sind nicht allzu überraschend: Wer weniger Fleisch und Wurst isst, fettarme Produkte sowie saisonales Obst und Gemüse aus der Region bevorzugt, tut sowohl der eigenen Kohlenstoffdioxid-Bilanz und damit dem Klima als auch der eigenen Gesundheit Gutes. Aber manches ist nun doch nicht so einfach, wie es zunächst scheint – so die Erkenntnis, nachdem Holzkamp, die als freie Referentin für das Ernährungszentrum mittlerer Neckar tätig ist, auf Einladung des Großaspacher Diakonievereins die CO2-Diät vorgestellt hatte.

Zum Beispiel kann ein Apfel aus der Region bei der CO2-Bilanz durchaus schlechter abschneiden als einer, der aus Neuseeland zu uns gebracht wird. Und Biolebensmittel, die Verbraucher oft als hochpreisiger gegenüber konventionell hergestellten Produkten betrachten, sind eigentlich günstiger als ihr herkömmliches Pendant. Wer im Restaurant isst, tut dem Klima meist nichts Gutes.

Reinhild Holzkamp, die mit ihrer Familie in Erdmannhausen lebt, beschäftigt sich seit zehn Jahren mit klimafreundlicher Ernährung. Es geht ihr bei der CO2-Diät nicht um Verzicht, sondern um die Motivation zu kleinen Schritten und zu mehr Wertschätzung für unsere Nahrungsmittel. Über die Ernährung könne der Einzelne relativ schnell handeln und seine CO2-Bilanz direkt beeinflussen. Immerhin mache die Ernährung 20 bis 25 Prozent des CO2-Fußabdrucks aus – ein ähnlich hoher Wert, wie er aus den Bereichen Verkehr und Wohnen generiert werde. Holzkamp betrachtet zunächst, woher die Emissionen an Treibhausgasen kommen, zu denen auch Methan und Lachgas zählen, die um ein Vielfaches klimaschädlicher sind als Kohlenstoffdioxid. Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte verursachen drei Viertel der Emissionen – durch die Tierhaltung, die Entwaldung zum Gewinn von Weide- und Ackerland, die energieintensive Herstellung von Stickstoffdünger. Dabei könnten Wiederkäuer in extensiver Weidehaltung sogar nahezu klimaneutral gehalten werden, betont Holzkamp. Weit vorne bei den Klimaschädlingen steht die Butter: Für die Produktion von einem Kilogramm Butter werden 25 Liter Milch gebraucht, schildert Holzkamp. „Die Klimabelastung steigt mit dem Fettgehalt.“ Gegenüber dem konventionellen Anbau verursache der ökologische Pflanzenbau ein Viertel weniger Treibhausgase. Eine Studie der Universität Augsburg rechne zum Preis, den die Verbraucher für ein Produkt zahlen, die externen Kosten, die das Produkt hinsichtlich Stickstoff, Treibhausgase und Energieerzeugung verursacht, hinzu. Berücksichtige man diese Kosten, dann seien Biolebensmittel sogar günstiger als konventionelle.

Die Schlüsse, die Holzkamp aus ihren Ausführungen zieht, beziehungsweise die Möglichkeiten, wo der Verbraucher ansetzen kann, liegen auf der Hand: Auf den Teller sollen mehr pflanzliche und weniger tierische Lebensmittel, mehr biologisch und weniger konventionell hergestellte Produkte, mehr unverarbeitete und weniger verarbeitete Speisen – zum Beispiel Kartoffeln statt Pommes.

Holzkamp führt etliche weitere Punkte an, die zum Teil naheliegen. Regionale Erzeugnisse seien beispielsweise gegenüber Waren, die per Flugzeug zu uns transportiert werden, zu bevorzugen. Saisonales, also frisches Obst und Gemüse direkt vom Acker, sei klimaverträglicher als im beheizten Gewächshaus gezogenes. Wobei es an dieser Stelle knifflig wird: Eine Freilandtomate aus Spanien kann von der CO2-Bilanz her besser abschneiden als eine regionale Tomate aus einem Gewächshaus. Selbst ein Apfel aus Neuseeland kann im Frühling unter Klimagesichtspunkten besser sein als der regionale Apfel, der seit sechs Monaten im CA-Lager liegt, in dem Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Sauerstoff- und Kohlenstoffdioxidgehalt mittels Mess- und Regeltechnik überwacht und auf dem gewünschten Niveau gehalten werden. Hier komme es darauf an, ob Ökostrom oder Strom aus fossilen Energieträgern verwendet werde. Einen Großeinkauf beim Discounter mit dem Auto zu erledigen, sei besser, als für ein Kilogramm Bioäpfel mit dem Auto zum Hofladen zu fahren. Weitere Hebel für einen nachhaltigeren Alltag: Verpackungsmüll vermeiden, weniger Lebensmittel wegwerfen und Reste stattdessen weiterverwerten, Restaurantbesuche überdenken, da die Fahrt zum Gasthaus dem Klima genauso schadet wie der Einsatz von Convenience-Produkten und lange Warmhaltezeiten. Dann gibt es noch den virtuellen Wasserfußabdruck als Stellschraube. Er bezieht sich darauf, wie viel Wasser für die Herstellung eines Produkts verwendet wird. Für ein Kilogramm Rindfleisch zum Beispiel werden 15500 Liter Wasser benötigt.

Holzkamp füttert ihre Zuhörer reichlich mit Informationen. Schließlich ist das Thema Klimaschutz in aller Munde. „Ob wir wohl heute hier sitzen würden, wenn es eine Greta Thunberg nicht gegeben hätte?“, fragt sich Pfarrer Martin Kaschler. Es gehe nicht um Negatives, sondern um das Erkennen, das Akzeptieren und das Ändern. Wobei die einzelnen Punkte nicht so einfach zu bewerten seien, räumt Holzkamp ein. „Das ist für den Einzelnen kaum zu überschauen“, stimmt der Vereinsvorsitzende Jürgen Wuthe zu. „Für die Verbraucher wird es immer schwieriger.“ Er wünsche sich flankierende Maßnahmen des Gesetzgebers.

Der Vortrag war Teil einer kleinen Reihe zum Thema Ernährung, die der Diakonieverein veranstaltet. Beim nächsten Mal geht es am 29. April um „Glück im Darm – verwöhn’ ihn mit Charme“.

„Über die Ernährung lässt sich relativ schnellhandeln und die Sachedirekt beeinflussen.“Reinhild HolzkampÖkotrophologin

„Über die Ernährung lässt sich relativ schnell handeln und die Sache direkt beeinflussen.“ Reinhild Holzkamp Ökotrophologin

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Erstellt:
31. Januar 2020, 06:00 Uhr

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