„Da kann man nicht groß diskutieren“

Horste von Rotmilanen bringen Windenergie-Projekt auf der Anhöhe zwischen Weissach und Rudersberg zum Scheitern

„Da kann man nicht groß diskutieren“

© Joachim Neumann - stock.adobe.co

Von Armin Fechter

WEISSACH IM TAL/RUDERSBERG. Das Aus für den projektierten Windpark nahe dem Rettichkreisel ist definitiv: Naturschutzrechtliche Belange haben das Vorhaben zum Scheitern gebracht. In dem Gebiet an der Markungsgrenze zwischen Weissach im Tal und Rudersberg befinden sich mehrere Horste des streng geschützten Rotmilans. Rund um diese Brutplätze bestehen Schutzzonen, deren Radien sich mit dem kompletten Windenergie-Vorranggebiet überschneiden – „ein K.-o.-Kriterium“, wie Rudersbergs Bürgermeister Raimon Ahrens erklärt.

Vom Wind her betrachtet, der auf dem Höhenzug zwischen Weissacher Tal und Wieslauftal weht, sei dies schade: Die Messungen hatten eine lohnende Windhöffigkeit ergeben, und die Ergebnisse brauchen den Vergleich mit anderen Standorten in Süddeutschland nicht zu scheuen. Die Aussagen aus dem Windatlas wurden damit bestätigt. Das Projekt am Standort WN-18 „Rudersberg-Jux“, wie er offiziell heißt (benannt nach der 496 Meter hohen Erhebung nördlich von Rudersberg), hätte demzufolge auch eine gute Wirtschaftlichkeit erwarten lassen. Aber in Anbetracht der naturschutzrechtlichen Situation „kann man nicht groß diskutieren“, hält Ahrens fest.

Rudersbergs Bürgermeister will

den Plänen nicht nachweinen

Die Gemeinde Rudersberg hatte die Windkraftpläne an diesem Standort unterstützt: Der Gemeinderat sprach sich seinerzeit einstimmig dafür aus, dass die Energiegemeinschaft Weissacher Tal gemeinsam mit der Firma Enercon das Vorhaben auf dem gemeindeeigenen Gelände in Angriff nimmt. Auf dieser Grundlage wurde vor zwei Jahren auch ein entsprechender Vertrag geschlossen, um die Nutzung der betreffenden Flächen zu ermöglichen. Nun aber, da das Projekt gescheitert ist, hält Ahrens, der erst im Januar zum Nachfolger von Martin Kaufmann als Bürgermeister von Rudersberg gewählt wurde, nichts davon, den Plänen nachzuweinen. „Das ist dann halt so“, kommentiert er die naturschutzrechtlichen Gegebenheiten, die zur Aufgabe des Vorhabens zwingen.

Auch aus Sicht von Weissachs Bürgermeister Ian Schölzel macht es nach den Ergebnissen der Voruntersuchungen, die von Investorenseite angestrengt wurden, „keinen Sinn, ein Genehmigungsverfahren zu starten“. Zu eindeutig sind die Resultate: Nicht einmal ein einzelnes Windrad wäre aufgrund der erforderlichen Mindestabstände auf dem Gebiet unterzubringen, geschweige denn der projektierte Windpark mit zwei Anlagen.

Dabei hatte die Energiegemeinschaft, bei der Schölzel als Aufsichtsratsvorsitzender fungiert, große Hoffnungen in das Projekt gesetzt: Sie wollte ihr Portfolio um die Windkraft erweitern. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Planungen am Standort Zollstock-Springstein, wo die Energiegemeinschaft ebenfalls beteiligt ist, nur langsam vorangekommen sind. Dort ist wegen des Drehfunkfeuers für den Flugverkehr jetzt nur noch von einem einzelnen Windrad die Rede, das realisiert werden könnte. Im Übrigen hatte es gegen den Standort zwischen Auenwald, Sulzbach und Murrhardt erhebliche Widerstände gegeben. Proteste kamen dabei auch von Einwohnern aus Weissach im Tal. Anders im Fall Jux: Da blieb es vergleichsweise ruhig, blickt Schölzel zurück. Was ihn auch deshalb immer noch verwundert, weil die dort geplanten Windräder noch näher lägen und vom Täle aus gut zu sehen wären. Für die Energiegemeinschaft sei die Entwicklung aber bedauerlich: Sie habe viel Kraft in das Projekt investiert – und nun herrscht absolute Flaute.

Die Energiegemeinschaft werde sich nun intern Gedanken darüber machen, wie sie in puncto Windkraft weiter verfahren will. Im Vordergrund habe immer der Gedanke eines regionalen Bezugs gestanden. Doch außer Jux und Zollstock-Springstein gibt es im Einzugsgebiet keine weiteren Vorranggebiete mehr, die infrage kämen. Damit könnte die Energiegemeinschaft jetzt allenfalls noch eine Beteiligung an weiter entfernt gelegenen Windparks, etwa auf der Alb, ins Auge fassen. Aber da sei halt die Frage, wie weit man gehen wolle, gibt Schölzel zu bedenken. Und: „Das war nicht unser primäres Ziel.“

Die untere Naturschutzbehörde im Landratsamt stellt unterdessen klar, dass die Betreiber aufgrund ihrer eigenen Untersuchungen selbst zu dem Schluss gekommen seien, dass das Vorhaben wegen der Gefährdung geschützter Tierarten naturschutzrechtlich nicht zu realisieren sei. Die Ergebnisse der Untersuchungen lägen der Behörde bislang nicht vor.

Unabhängig davon spreche aber auch die Lage des Standorts in einem Landschaftsschutzgebiet gegen das Vorhaben. Es gäbe zwar die Möglichkeit, die für das Gebiet maßgebliche Landschaftsschutzgebietsverordnung so zu ändern, dass eine Windenergienutzung möglich würde. Eine entsprechende Bitte ist auch vom Ministerium Ländlicher Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg an das Landratsamt ergangen.

Die Naturschutzbehörde in Waiblingen ist in diesem Abwägungsprozess jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass die Belange des Klimaschutzes in diesem Fall nicht ausreichen, um eine Zurückstellung der Naturschutzbelange zu rechtfertigen.

Landratsamt lehnt ein Änderung

für das Landschaftsschutzgebiet ab

In dem umfangreichen Abwägungsverfahren werden, wie das Landratsamt erklärt, viele verschiedene Schutzgüter und öffentliche Belange abgeprüft: „Betroffen sein können insbesondere Mensch/Gesundheit, Lärm/Schall, Mindestabstände, Freizeit- und Erholungseinrichtungen, Tabubereiche, Schutzgebiete, Boden, Wasser, Wald, Flora, Fauna, Biodiversität, Klima/Luft, Landschaft/Erholung, Landwirtschaft, Sach- und Kulturgüter, Richtfunk, Wetterradar und Flugsicherheit.“ Unter anderem befindet sich dort das Naturdenkmal Juxhöhle, wo einst Stubensandstein abgebaut wurde – heute haben geschützte Fledermäuse dort einen Nistplatz.

Dass das Landratsamt kein Verfahren zur Änderung des Landschaftsschutzgebiets am Standort Jux einleiten werde, sei der Betreiberfirma Enercon und dem Verband Region Stuttgart kürzlich mitgeteilt worden. Letzterer arbeitet derzeit an einer Fortschreibung des Regionalplans. In diesem Zug sollen Vorranggebiete zur Nutzung von Windenergie ausgewiesen werden. Darunter befindet sich auch der Standort Jux. Für eine dementsprechende Ausweisung müsste aber zuerst das Landschaftsschutzgebiet geändert werden, was nicht vorgesehen ist.

Zum Artikel

Erstellt:
18. Juni 2018, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen