Zukunft der Mobilität
Damit das Auto nicht an der Grenze stehen bleibt
Die Zukunft der Mobilität steht vor gewaltigen Veränderungen. Gefordert sind nicht nur technische Entwicklungen, sondern auch Überzeugungsarbeit bei den Nutzern.
Von Knut Krohn
Das Auto ist für viele Deutsche eine heilige Kuh. Sie anzutasten, gilt als eine Art Sakrileg. Der deutsche Autofahrer werde dazu erzogen, „der beste Fahrer der Welt zu sein“, betont Winfried Hermann scherzhaft. Der Verkehrsminister von Baden-Württemberg greift in einer Diskussionsrunde in Brüssel zu dieser flapsigen Formulierung, um ein ernstes Problem zu beschreiben. Die Zukunft der Mobilität steht vor einer gewaltigen Veränderung, doch die beharrenden Kräfte sind enorm.
Der aktuelle Streit um den Verbrenner-Motor wirkt in diesem Zusammenhang wie ein anachronistischer Seitenaspekt. In absehbarer Zeit würden die meisten Pkw in Europa elektrisch angetrieben, ist Hildegard Müller überzeugt. Und die Präsidentin des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA) formulierte in Brüssel eine der großen Herausforderungen für Politiker, Juristen, Techniker und die Industrie. „Automatisiertes und vernetztes Fahren wird in Zukunft ein zentraler Punkt sein, über den wir heute schon nachdenken müssen“, forderte die Auto-Lobbyistin bei der Veranstaltung zum Thema Mobilitätswende in Brüssel.
Wirklich präzise Aussagen dazu, wie die Mobilität der Zukunft aussehen wird, sind allerdings äußerst schwierig. Sicher ist, dass die Fahrzeuge immer mehr Aufgaben übernehmen werden, bis hin zum vollständig autonomen Fahren. Der technische Aufwand ist allerdings enorm, denn die Autos müssen dazu ständig mit den anderen Verkehrsteilnehmern und allen Überwachungs- und Regelungsanlagen am Straßenrand kommunizieren. Dabei werden unvorstellbare Mengen an Daten gesammelt, verarbeitet und den beteiligten Akteuren wieder zur Verfügung gestellt, die dann entsprechend reagieren können.
Hauptziel ist, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, den Verkehrsfluss zu verbessern und damit auch den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Und immer muss bedacht werden: Eine Manipulation oder ein technischer Ausfall der Technik kann Menschenleben kosten.
VDA-Chefin Hildegard Müller sieht eine zentrale Aufgabe der Politik darin, die Akzeptanz „der Gesellschaft in diese Form der Mobilität zu stärken“. Dazu gehört in ihren Augen etwa, dass die EU europaweite Regelungen für den Einsatz der Technik schaffen. „Wir müssen über die europäischen Grenzen hinweg denken“, fordert die Auto-Lobbyistin in Brüssel. Es dürfe nicht sein, dass ein Fahrzeug an einer Staatsgrenze einfach stehen bleibe, weil etwa die Regeln zum Datenschutz im Nachbarland andere sind.
Hildegard Müller betont diesen Aspekt ausdrücklich, denn sie scheint zu bezweifeln, dass in Brüssel die großen Herausforderungen des vernetzten Fahrens in voller Tragweite erfasst worden sind. Im „Mission Letter“ des designierten EU-Kommissars, das ist eine Art Arbeitsprogramm für die kommende Legislaturperiode, „wird das autonome Fahren mit keinem Wort erwähnt,“ rügt die VDA-Präsidentin.
Ein Wissenschaftler, der das vernetzte Fahren in der Praxis weiterentwickelt, ist Lennart Asbach. Er arbeitet am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das den Auftrag hat, verschiedene sogenannte Testfelder in Deutschland zu koordinieren. Dort werden Daten unter Realbedingungen gesammelt, die für die Entwicklung der Mobilität der Zukunft fundamental wichtig sind. So geht er etwa der Frage nach, welche Informationen tatsächlich notwendig sind und wie diese gesammelt werden.
Er erklärt das am Beispiel einer komplexen Kreuzung. „Im Fall einer eher unübersichtlichen Verkehrssituation kann es sinnvoller sein, Kameras an einer Kreuzung zu installieren, um alle Fahrzeuge zu erfassen“, erklärt Lennart Asbach. „Das brauchen wir dann nicht im Fahrzeug selbst noch einmal zu tun.“ Allerdings müssen die Bordsysteme im Auto dann in Echtzeit auf diese externen Daten zugreifen können. Eine Herausforderung besteht auch darin, besonders kritische Fahrsituationen aufgrund ihrer teilweise geringen Eintrittswahrscheinlichkeit im Realbetrieb überhaupt erst zu identifizieren.
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann ist einer der Politiker, die sich für das Projekt der Forschungszusammenarbeit einsetzen. „Wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, müssen wir uns untereinander austauschen“, konstatiert der Grünen-Politiker. „In diesem Fall konkurrieren bei der Forschung nicht die Bundesländer untereinander oder auch nicht die EU-Staaten“, sagt er, „unsere Konkurrenz sitzt in den USA und China.“ Angesichts seiner Erfahrungen richtet Lennart Asbach in Brüssel einen Appell an die Industrie. „Viele der Testfelder in Deutschland werden nur von der Forschung genutzt“, beklagt er und fordert etwa die Autobauer auf, sich stärker einzubringen, um dann auch direkt auf die Ergebnisse zugreifen zu können.
Alle Diskussionsteilnehmer sind sich einig, dass der Fortschritt vor allem auch von der gesellschaftlichen Akzeptanz des automatisierten Fahrens abhängig sein wird. Oder wie es Verkehrsminister Hermann in Brüssel formuliert: „Es hat fast 50 Jahre gedauert, bis die Autofahrer von den Vorteilen des Automatikgetriebes überzeugt wurden“. So viel Zeit habe man im Fall der Mobilitätswende nicht.
USA planen Verbot von Auto-Software aus China
DatenschutzDer Datenschutz ist bei der Mobilitätswende ein großes Problem. Die USA greifen deswegen nun zu harten Maßnahmen. Washington will bestimmte Fahrzeugkomponenten aus China und Russland vom amerikanischen Markt verbannen. Dazu zählen Systeme zur Fahrzeugvernetzung und zum autonomen Fahren, die potenziell durch Cyberangriffe gefährdet werden könnten, teilte das US-Handelsministerium jüngst mit. Betroffen sind in bestimmten Fällen auch gesamte Fahrzeuge.
Missbrauch„Autos sind heutzutage mit Kameras, Mikrofonen, GPS-Systemen und anderen Technologien ausgestattet, die mit dem Internet verbunden sind“, erklärte US-Handelsministerin Gina Raimondo. „Es ist leicht vorstellbar, wie ausländische Akteure das missbrauchen könnten.“
LieferkettenDie Maßnahme hat auch direkte Auswirkungen auf deutsche Hersteller. Auch die müssen ihre Lieferketten gegebenenfalls an die neuen Vorgaben anpassen.