Das 51. Backnanger Straßenfest ist eröffnet
Nur zwei Schläge benötigt Maximilian Friedrich fürs Anzapfen, dann eröffnet er das 51. Backnanger Straßenfest. Angesichts des 50-jährigen Bestehens des Kreises wirbt der Oberbürgermeister augenzwinkernd für neue Strukturen und eine neue Gemeindereform.
Von Florian Muhl
Backnang. Der Wettergott – oder die Wettergöttin? Egal, er oder sie haben’s mal wieder gut gemeint mit den Besucherinnen und Besuchern, die gestern Abend zur Eröffnung des 51. Backnanger Straßenfests auf die Marktstraße strömen. Die Sitzplätze auf den Bänken füllen sich zusehends. Kurz vor dem Startschuss ist es von oben Höhe Galerie bis runter zum Rathaus so voll wie in den guten alten Zeiten.
Es ist Punkt 19 Uhr, da tut’s einen jenseits Schlag, der in der Häuserschlucht widerhallt. Oben auf dem Stadtturm stehen Mitglieder der Schützengilde Backnang 1848, die den Böllerschuss abgegeben haben. Unten auf der Marktstraße ist eine Besucherin zusammengezuckt, hält sich die Ohren und fragt besorgt ihren Mann: „Tut’s jetzt noch 50 Schläge?“ Als sie die Antwort hört, atmet sie beruhigt auf. „Nein, es kommen nur noch vier und dann ein leiserer.“ Beide blicken nach oben und freuen sich über den Qualm, der beim Schießen entsteht. Der Rauch umweht den Stadtturm nämlich in den Stadtfarben blau und gelb.
Eröffnung des 51. Backnanger Straßenfests
Böllerschüsse, Fassanstich und Freibier: Am Freitag wurde des Backnanger Straßenfest 2023 eröffnet.
Danach sorgt der Musikverein Sachsenweiler für den musikalischen Schwung und die nötige Würze, die bei einer Eröffnungsfeier nicht fehlen darf, wie Maximilian Friedrich bemerkt. Einen Schwerpunkt in seiner Ansprache widmet der Oberbürgermeister dem runden Geburtstag des Rems-Murr-Kreises. Angesichts der Tatsache, dass der Kreis und die Stadt Backnang „immer eine besondere, ja ambivalente Beziehung zueinander“ hatten, ist der Rathauschef der Meinung, „dass nach 50 Jahren die Strukturen kritisch überdacht werden müssen“. Eine überbordende Bürokratie, der Fachkräftemangel, die Digitalisierung sowie Wärmeplanungen und der demografische Wandel würden dies offensichtlich machen. „Was läge da näher als eine erneute Gemeindereform?“ fragt der OB ins Publikum, um seiner rhetorischen Frage sogleich eine ganze Latte von Antworten und folgende „unschlagbaren Angebote“ folgen zu lassen:
Für Allmersbach im Tal setzen wir den Bahnlückenschluss zwischen der Murr- und der Wieslaufbahn durch. Der Tunnel wird zu Ehren der letzten Bürgermeisterin „Patrizia-Rall-Gedächtnistunnel“ getauft. Dem neuen Schienenzweckverband steht sie als Geschäftsführerin vor.
Althütte bleibt nicht nur Luftkurort, sondern wird touristisch erweitert bis zum Ebnisee. Die Unterstützung des Kaisersbacher Bürgermeisters und Backnanger Bürgers Michael Clauss ist uns gewiss. Gemeinsam mit Reinhold Sczuka werden beide Beauftragte für Gaumen und Genuss und betreiben den Biergarten am Seeufer.
Für Aspach erkämpfen wir nicht nur einen Ausbau des Autobahnzubringers bis zur Autobahn, sondern entwickeln auch das größte Open-Air-Konzert Deutschlands. Mit dem Duo Andrea Berg und Vanessa Mai stehen die Headliner fest, Schlager- und Popbeauftrage wird Sabine Welte-Hauff.
In Auenwald ermöglichen wir den Weinbau am Ebersberg in alter Größe und erweitern das Gelände rund um das Schloss um eine tolle Gastronomie sowie um einen Golfplatz. Neuer Greenkeeper wird Kai-Uwe Ernst.
Burgstetten erhält ein ganzjähriges Warmwasserfreibad. Das erfrischende Nass liefert das neue interkommunale Wasserwerk, die benötigte Energie wird klimaneutral und kostenlos mit Biogasen aus dem Stiftsgrundhof sichergestellt. Neue Bademeisterin wird Irmtraud Wiedersatz.
Kirchberg an der Murr bekommt nicht nur eine neue Gemeindehalle, sondern auch eine kostenlose Versorgung mit Kies und Schotter aus dem erweiterten Steinbruch. Für die benötigte Sprengkraft sorgen Baggerfahrer Frank Hornek und Sprengmeisterin sowie Explosionsexpertin Gudrun Senta Wilhelm.
Ampelweiler erhält endlich die lange geforderte Ortsumgehung und wird wieder rückgetauft in Oppenweiler. Um den Ausbau zu beschleunigen wird die Maßnahme als Brücke über den Ort umgesetzt und Bernhard-Bühler-Brücke getauft, Bernhard Bühler wird der Geschäftsführer der neuen Oppenweiler-Brückenmaut-GmbH.
Weissach im Tal erhält nicht nur ein neues Pflegeheim und ein eigenes Seniorenbüro, sondern auch zusätzlich einen Ü70-Vergnügungspark, um Tagesgäste anzulocken. Beauftragter für Best Ager wird Daniel Bogner.
Natürlich gliedern wir auch noch Weiler zum Stein wieder zurück in den Backnanger Raum ein, Winnenden erhält den Rest von Leutenbach. Jürgen Kiesl wird Vor-sitzender des Schwäbischen Mostviertels sowie Beauftragter für Fassanstiche und Hocketsen aller Art.
Und abschließend schlägt unser Herz natürlich auch vorbehaltlos für das obere Murrtal. Murrhardt könnte nun zwar versucht sein, den Gemeinden Sulzbach an der Murr, Spiegelberg und Großerlach eine Charmeoffensive zu unterbreiten, um seine eigene Selbstständigkeit zu bewahren.
Maximilian Friedrich kommt ins Schwärmen. Seinen Reim vom vergangenen Jahr „Fröhlich feiern kann die Stadt, wenn Nopper mal das Sagen hat! Mit Friedrich doch, das merke dir, gibt’s dazu noch viel mehr Bier!“ hat der OB aus aktuellem Anlass wie folgt ergänzt: „In Backnang wird gfeiert, des isch klar, 50 Jahr’ Murr-Rems-Kreis – oh wie wunderbar. Denn Stuagert, Ulm ond sonscht so Hefter hent mei Herz no nia verlockt, s’ isch ond bleibt halt s’allerbeste, wenn dr Mensch in Backena hockt.“
Mit einem Blick in die nahe Zukunft meint der Rathauschef: „Bei der größten Spaßbootregatta der Welt, unserer Murr-Regatta, geht es dieses Jahr sicher wieder spannend zu.“ Er vermutet, dass sich am Samstag, 8. Juli, manche Boote, „vermutlich auch das der Backnanger Kreiszeitung“, unterwegs auflösen werden. Denn Zeitungsschiffchen würden nicht so gut schwimmen. Die BBBs (BKZ-Boots-Bauer) versichern auf Anfrage, ihr Bestes zu geben.
Leider ist die OB-Rede aus akustischen Gründen nicht von allen Sitz- und Stehplätzen gut zu vernehmen. Aber als Maximilian Friedrich zusammen mit Landrat Richard Sigel ein ganzes Fass Freibier ausschenkt, da ist jeder wieder froh gelaunt und erhebt seinen Krug und trinkt auf ein freudiges und friedliches Straßenfest.