Das Ende des Kuschelkurses?

Ohne kritische Ansagen des Trainers, ohne einen Wortführer im Team, dafür mit einem Spannungsabfall bei vielen Leistungsträgern durchlebt der VfB aktuell die schlechteste Phase unter Sebastian Hoeneß. Und die kommenden Gegner haben es in sich.

VfB-Chefcoach Sebastian Hoeneß (li.) hält bislang noch die schützende Hand über seine Spieler.

© /Volker Müller

VfB-Chefcoach Sebastian Hoeneß (li.) hält bislang noch die schützende Hand über seine Spieler.

Von Heiko Hinrichsen

Stuttgart - Die positiven Schlagzeilen gehören derzeit den anderen: Etwa Steven Skrzybski, der zum 2:2 gegen den VfB beide Kieler Tore beisteuerte. Somit hat der Offensivspieler der Holsteiner mit seinen letzten sechs Torschüssen nun sechs Treffer erzielt. Das ist eine einhundertprozentige Effizienz, von welcher die Stuttgarter aktuell sehr weit entfernt sind.

Lediglich fünf von 21 möglichen Punkten hat der Vizemeister aus den vergangenen sieben Bundesliga-Spieltagen geholt. Mit dem 2:1 in Dortmund war nur ein Sieg dabei. Und so durchlebt die Stuttgarter Elf derzeit die größte Flaute in der Amtszeit des Trainers Sebastian Hoeneß, die im April 2023 begann. Vieles hat die Mannschaft in der Zwischenzeit erreicht, hat in der Champions League eine ordentliche Rolle gespielt und den VfB somit auf internationalem Parkett wieder salonfähig gemacht.

Doch nun verdichten sich in der Phase des anhaltenden Misserfolgs die Anzeichen, dass der VfB den Krisenmodus erst noch erlernen muss. Schließlich hat es das anstehenden Programm der Cannstatter mit den Spielen am Sonntag (19.30 Uhr) zuhause gegen den Doublesieger Bayer Leverkusen sowie mit dem Auftritt nach der Länderspielpause bei Eintracht Frankfurt (29. März) in sich. Von einem Ruck innerhalb des Teams ist bis dato allerdings nichts zu spüren. Das gilt für den Trainer gleichermaßen wie für die Spieler. So ist zu befürchten, dass der VfB weiter abrutschen könnte, wenn keiner gegensteuert.

Mit öffentlicher Kritik gegenüber seiner Mannschaft geht Sebastian Hoeneß dennoch weiter sehr sparsam um. „Ich möchte erst mit den Spielern reden, bevor ich hier etwas sage“, so lautete die Botschaft des Chefcoaches unisono auf den Pressekonferenzen nach den Partien gegen die Bayern sowie in Kiel. Dabei mehren sich die Stimmen, die beim VfB ein Ende des Kuschelkurses mit den Spielern fordern – auch intern. Doch Hoeneß hält bisher weiter die schützende Hand über seine Profis. Er ist in der Sache bestimmt und fordernd, aber eben kein Poltergeist.

Trotz der Tatsache, dass bei vielen Leistungsträgern ein deutlicher Spannungsabfall festzustellen ist, der ungefähr zu dem Zeitpunkt einsetzte, als der VfB nicht mehr international in einer gefühlten Endlosschleife von englischen Wochen gefordert war. Immerhin waren die Stuttgarter mit vier Siegen in Serie furios in das Spieljahr 2025 gestartet – ehe sich die Ergebniskrise trotz mehr Trainingszeit sukzessive zu einem Problem auswuchs. Zwar liegt das Team in der Bundesliga-Tabelle noch immer nur zwei Punkte hinter einem internationalen Platz – und nur fünf Zähler hinter einem Champions-League-Rang. Doch das ist inzwischen eher den Schwächen der Konkurrenz geschuldet.

Wer aber setzt beim VfB neue Impulse, um den Abwärtstrend zu stoppen? „In der Form und mit der Intensität in der Zweikampfführung, wie wir gespielt haben, kannst du kein Bundesliga-Spiel angehen. Wir waren mit dem Ball ziemlich langsam, hatten zu wenig Tiefe. Das war einfach nicht gut genug“, sagte der Stürmer Nick Woltemade – und legte damit nach der Punkteteilung von Kiel, die nicht der Anspruch des VfB sein kann, als einer der wenigen den Finger in die Wunde.

Von den arrivierten Kräften im Kader ist derweil kaum etwas darüber zu hören, wie der VfB neun Bundesligaspiele vor Saisonende wieder in die Spur kommen will. Auch, weil der Mannschaft ein Wortführer fehlt. Das macht sich auf dem Platz bemerkbar – und auch außerhalb: Wenn es etwa um öffentliche Statements der Spieler abseits der TV-Pflichtinterviews nach Spielschluss geht, dann herrscht bei den Leistungsträgern, etwa dem Torhüter Alexander Nübel, dem Spielgestalter Angelo Stiller oder dem Kapitän Atakan Karazor absolute Funkstille.

Und so steht der Vorwurf unbeantwortet im Raum, der da lautet, dass diverse Akteure inzwischen viel von ihrem Selbstbewusstsein, der Spritzig- und Galligkeit aus der Vorsaison eingebüßt haben. Das gilt etwa für Stürmer Deniz Undav, der seit Wochen seiner Topform hinterherläuft, genauso wie für den zu oft zu ineffizienten Chris Führich oder die formschwachen Rechtsverteidiger Leonidas Stergiou und Josha Vagnoman. Die beiden Letztgenannten dürfen immerhin für sich in Anspruch nehmen, dass sie auf der Großbaustelle des VfB, nämlich der Abwehr, ihren Dienst tun, wo es schon die gesamte Saison über aus unterschiedlichsten Gründen fundamentale Probleme gibt.

Andere Spieler wie Fabian Rieder oder Yannik Keitel stehen derzeit komplett im Abseits beim VfB, der anders als der nächste Gegner Leverkusen am Sonntag ausgeruht in die Heimpartie geht. Doch selbst das muss nach den jüngsten Erfahrungen ja kein Vorteil mehr sein.

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Erstellt:
11. März 2025, 22:04 Uhr
Aktualisiert:
11. März 2025, 23:56 Uhr

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