Murr-Regatta-Teilnehmer fahren in ihren Booten bis zum Meer

Ziel erreicht: Nach 800 Kilometern und 13 Tagen bis an die Nordsee – Axel Bauer und fünf Freunde starten nach der Murr-Regatta durch, überwinden in drei selbst gebauten Booten Hindernisse auf dem Neckar und kämpfen gegen hohe Wellen auf dem Rhein.

Den Neckar bei Marbach erreichen die Abenteurer zwei Tage nach dem Start (von links): Julian Hofer, Marco Dell’Oso, Michael Schwarz, Kevin Geißler, Martin Koschinat und Axel Bauer.

Den Neckar bei Marbach erreichen die Abenteurer zwei Tage nach dem Start (von links): Julian Hofer, Marco Dell’Oso, Michael Schwarz, Kevin Geißler, Martin Koschinat und Axel Bauer.

Von Florian Muhl

Backnang. Sie wären kurz vor dem Ziel bei heftigen Sturmböen fast gekentert, kämpften gegen hohe Wellen und kräftige Regenschauer an, wichen mächtigen Rheinschiffen aus, mussten wegen Motorschadens auf einen Ersatzmotor hoffen, zogen ihre Boote wegen umgestürzter Bäume senkrecht aus dem Wasser und froren tagelang, weil sie nur Sommerklamotten eingepackt hatten. Letztlich überstehen sie alle Prüfungen. Gestern erreichen sie ihr Ziel: das Meer. In ihren drei selbst gebauten Booten sind Axel Bauer und seine fünf Freunde nach der Murr-Regatta am 8. Juli durchgestartet (wir berichteten). 13 Tage später, nach rund 800 Flusskilometern auf dem Neckar und dem Rhein, erreichen die sechs Abenteurer aus Backnang um die Mittagszeit in der Nähe von Rotterdam das Meer.

Sehr unterschiedlich ist das Pensum, das die Bootsfahrer jeden Tag absolvieren. Mal sind es 40 Kilometer, mal 140. „Das kommt sehr auf die Strömung an, auf den Wind und auf die Schiffe, denen man ausweichen muss“, erklärt Axel Bauer, von seinen Kumpels auch liebevoll „Admiral zur See“ genannt. Der 29-Jährige ist Zimmerermeister in Ausbildung. „Auf dem Neckar ist ja gar keine Strömung, da haben wir am Tag meist nur 40 Kilometer geschafft.“

Die Schleusenwärter freuen sich, weil die Backnanger nur one way fahren

Auch Schleusen passieren die Abenteurer, insgesamt 18, alle auf dem Neckar. „Das war sehr cool, weil irgendwann kannten uns die Schleusenwärter. Einer hat uns schon beim nächsten angemeldet, da mussten wir fast nicht mehr warten“, schildert Alex Bauer. „Normal tun sie nur sehr ungern Sportboote schleusen, weil die dann meistens auch wieder hochwollen. Aber da wir ja one way unterwegs waren, haben die sich eher ziemlich gefreut.“

Das Sextett gönnt sich auch mal einen entspannten Tag. So fahren die Hobbybootsbauer kurz vor der Grenze zu den Niederlanden hinter dem Ort Ork in einen Seitenarm des Niederrheins, ankern dort am Ufer und erfrischen sich im kühlen Nass. „Das Baden war ganz entspannt, weil auf dem Rhein hats schon heftige Wellen“, sagt Axel Bauer und berichtet von einem Vorkommnis, über das er rückblickend lachen kann: „Am ersten Tag auf dem Rhein haben wir nach Mannheim am Strand angelegt und haben die Boote nur ein bisschen festgemacht. Dann kam so ein fetter Dampfer und eine dicke Welle hat die Boote zwei Meter durch die Luft gewirbelt.“ Dann fügt der 29-Jährige fast ein wenig demütig hinzu: „Seitdem sind waren etwas vorsichtiger und fuhren immer irgendwo seitlich rein.“

„Das fühlt sich an wie mit dem Mofa auf der Autobahn“

Begegnungen mit mächtigen Schiffen auf dem Rhein gibt es zur Genüge. „Das ist meistens nicht nur eines, das sind oft zwei, die sich überholen.“ Der Backnanger findet einen passenden Vergleich: „Das fühlt sich ein bisschen an wie mit dem Mofa auf der B14 oder auf der Autobahn.“

Heftig ists auch bei der Vorbeifahrt an der Loreley bei Rheinkilometer 555, genau eine Woche nach dem Start. „Da war die Strömung echt extrem, die war krass, da konnte man nicht gegen anfahren. Da konnte man maximal noch steuern“, berichtet der angehende Zimmerermeister. „Das war sehr am Limit.“

Auch die Wellen, die die Frachter erzeugen und die Alex Bauer auf ein bis 1,5 Meter Höhe schätzt, machen den Freizeitkapitänen zu schaffen. In ihren Bötchen, die für Außenstehende wie Nussschalen wirken, fallen die sechs Waghalsigen auf. Nicht nur sie schießen Bilder von ihrer Flusskreuzfahrt, auch sie selbst werden immer öfter zum beliebten Fotomotiv.

„Da kommt die Polizei vorbei und macht Fotos von uns.“

Einmal landen sie an einer Buhne an. Das ist ein quer in den Rhein gebauter kleiner Damm, der das Ufer schützen soll. „Da kommt die Polizei vorbei und fragt, ob alles passt, weil die solche Boote auf dem Rhein auch noch nie gesehen haben, fanden das recht witzig und haben Fotos von uns gemacht“, erinnert sich der Backnanger.

Die sechs jungen Männer – die meisten sind 30 Jahre alt, kennengelernt haben sie sich alle zu Kindergarten- und Schulzeiten – sind am Ende gottfroh und auch stolz, dass sie ihre Boote doch so stabil und fahrtüchtig gebaut haben. Es sind ihre Erstlingswerke, von Selbstbauten für Jux-Boot-Veranstaltungen mal abgesehen. Gleich am Tag nach der Murr-Regatta werden ihre kleinen Kähne auf eine harte Probe gestellt. „Weil uns umgestürzte Bäume den Weg auf der Murr versperrten, mussten wir die Boote mit 18 Mann, mit den Helfern an den beiden ersten Tagen, senkrecht Fünfmeterwände hochziehen und dann 50 Meter weiter wieder runterlassen. Das war schon ne heftige Nummer“, schildert der Teamchef.

Höhepunkt war der versprochene Sauerbraten mit Spätzle und Knödel

Rückblickend sind alle zufrieden. Verletzungen? „Nicht wirklich“, sagt der Teamchef. „Das Schlimmste waren größere Schrammen von den Aktionen auf der Murr, aber nichts Kritisches.“ Und die Verpflegung? „Ich sorge für kulinarische Highlights unterwegs“, hatte Kevin Geißler noch vor der Tour versprochen. Der 30 Jahre alte Backnanger ist gelernter Koch. Auch als Smutje hat er nicht versagt. Die Matrosen und Skipper, die er versorgte, zeigten sich essenstechnisch zufrieden. Höhepunkt war sein Sauerbraten mit Spätzle und Knödel am vergangenen Montag.

Völlig durchnässt machen die Kreuzfahrer am Ufer des Deltaarms Waal fest, das Meer in Sichtweite. Den Containerhafen in Rotterdam haben sie gemieden, den heftigen Sturm gestern Vormittag überstanden. Mit Genuss stoßen sie mit einem Erfolgsbier an. Gegen die Flut, die gerade herrscht, kommen sie nicht an. Sie warten zwei, drei Stunden, um hinaus aufs offene Meer zu fahren und den Campingplatz anzusteuern. Am Sonntag kommt der Lkw aus Backnang. Mit den Booten im Gepäck gehts dann wieder in die Heimat und an die Murr.

Dickschiffe auf dem Rhein, ein tolles Fotomotiv. Aber die Wellen danach sind echt heftig.

Dickschiffe auf dem Rhein, ein tolles Fotomotiv. Aber die Wellen danach sind echt heftig.

Vorbeifahrt an der Loreley, das war wegen der starken Strömung „sehr am Limit“. Fotos: privat

Vorbeifahrt an der Loreley, das war wegen der starken Strömung „sehr am Limit“. Fotos: privat

In Köln gönnen sich die Backnanger einen Zwischenstopp und genießen ein, zwei Kölsch.

In Köln gönnen sich die Backnanger einen Zwischenstopp und genießen ein, zwei Kölsch.

Zwei Motorunfälle bereits auf dem Neckar. An Aufgabe ist nicht zu denken.

Gerissen Bei 38 Grad Außentemperatur reißt bei Heilbronn das Starterseil eines der drei Außenbordermotoren. „Das war bei der Hitze nicht so schön zu reparieren“, sagt Axel Bauer.

Verreckt Nur 30 Kilometer später ist ein Motor „komplett verreckt“ (O-Ton Axel Bauer). Anruf beim Fachgeschäft „Taut Boote“ in Mosbach. Inhaber Viktor Taut macht sich mit einem Austauschmotor auf den Weg. Der 41-jährige Kasache, der im Alter von 18 Jahren nach Deutschland kam und vor vier Jahren sein Hobby zum Beruf machte, wie er auf Anfrage sagt, baut den defekten Motor aus, seinen Austauschantrieb ein – fertig. „Der war superfreundlich“, meint Axel Bauer. „Das war eine coole Aktion. Wir konnten noch am selben Tag weiter.“ Und die Rechnung? „Keine – alles kostenlos!“

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Erstellt:
22. Juli 2023, 06:00 Uhr

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