„Das Leben ist erst einmal auf Eis gelegt“

Pro Jahr erkranken bundesweit 15 000 junge Erwachsene an Krebs – Mit welchen Problemen die Betroffenen zu kämpfen haben

Lauterbach/Berlin (dpa). Mara ist 21, als die Welt für sie zusammenbricht. Sie will gerade durchstarten ins Leben, mit dem Studium in Hamburg ist sie auf der Zielgeraden. Dann der Schock: Diagnose Lymphdrüsenkrebs. „Ich habe schon vorher gemerkt: Mit mir stimmt etwas nicht. Ständig war ich matt. Dann ist ein Tumor am Hals gewachsen“, sagt Mara. Im August 2016 bekommt sie eine Chemotherapie. „Wenig später sind mir die Haare ausgefallen.“ Viel schlimmer ist aber: „Das Leben ist erst mal auf Eis gelegt. Während es bei meinen Freunden weiterging, habe ich mich durch die Krankheit abgehängt gefühlt“, sagt Mara, die ihren Nachnamen nicht nennen will.

Obwohl das mittlere Erkrankungsalter bei Krebs laut Deutscher Krebshilfe bei 69 Jahren liegt, bekommen jedes Jahr auch rund 15 000 Bundesbürger zwischen 18 und 39 Jahren diese Diagnose. Sie stellt das Leben der jungen Leute auf den Kopf, auch wenn die Heilungschancen in dieser Altersklasse mit über 80 Prozent besser sind. Wie geht’s weiter mit Ausbildung, Studium und Job? Wie mit Partnerschaft und Familienplanung? „Viele junge Krebspatienten haben das Gefühl, plötzlich vor dem Nichts zu stehen“, sagt der Krebsmediziner Mathias Freund. Es gebe für junge Erwachsene wenig spezialisierte Unterstützung – anders als für Alte und Kinder. Das will die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs ändern. Sie setzt sich seit rund vier Jahren für die Verbesserung der Behandlungs- und auch allgemeinen Lebensbedingungen junger krebskranker Menschen ein. Mittlerweile gibt es in 16 Städten und Regionen sogenannte Treffpunkte, in denen Hunderte von jungen Krebspatienten zusammenkommen. Auch in Stuttgart gibt es ein Angebot (treffpunkt@junge-erwachsene-mit-krebs.de).

Mara leitet zusammen mit der 36-jährigen Wiebke, die ebenfalls von Lymphdrüsen-Krebs betroffen war, den Treffpunkt in Hamburg. Oft geht es bei den Gesprächen um Partnerschaft und Familienplanung. Denn nach einer Therapie verschlechtern sich die Chancen aufs Kinderkriegen. Seit anderthalb Jahren engagiert sich die Stiftung dafür, dass die Krankenkassen entsprechende Maßnahmen bezahlen. Bisher müssen die Betroffenen die Entnahme und Konservierung ihrer Ei- oder Samenzellen oder ihres Eierstockgewebes selbst finanzieren. Das kostet bis zu 4300 Euro. „Die Änderung nur eines Satzes im Sozialgesetzbuch V würde die Finanzierung durch die Krankenkassen ermöglichen“, sagt der Experte Freund.

Die Behandlung von Mara ging bis Januar 2017. „Ich habe ein Jahr gebraucht, um mich von allem zu erholen.“ Sie gilt zwar als gesund, aber ob sie geheilt ist, kann man ihr zufolge erst nach fünf Jahren sagen. Und welche Spuren die Krebserkrankung bei ihr hinterlassen hat, vielleicht erst viel später.

Zum Artikel

Erstellt:
5. Januar 2019, 03:14 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen