Das Murrtal kommt in Sachen Hochwasser glimpflich davon
Zwar schwillt die Murr am Wochenende bedrohlich an, größere Schäden bleiben jedoch aus. Die Verantwortlichen zeigen sich erfreut, dass bisherige Schutzmaßnahmen greifen, und loben die Einsatzkräfte für ihre unermüdliche Arbeit.
Von Lorena Greppo
Rems-Murr. Der Anblick gleicht sich allerorten: Braune Wassermassen wälzen sich durch die Täler im oberen Murrtal. Bäche, die sonst eher ein Rinnsal sind, sind auf das Mehrfache angeschwollen. Mancherorts haben sich sogar ganz neue Wasserläufe gebildet – beispielsweise am Sportplatz in Burgstall, wo sich das Wasser einen Weg über die Felder in die Murr gebahnt hat. Und die Murr selbst zeigt sich, wie man sie sonst Anfang Juni nicht kennt: als reißender, bedrohlicher Strom.
Auf ihren Brücken stehen Menschen, die sich das Naturschauspiel ganz genau anschauen. Manche Autos halten extra an, damit ihre Insassen einen Blick heraus wagen können. In Oppenweiler-Zell stehen am Samstagnachmittag einige Menschen am Geländer, fotografieren und filmen und unterhalten sich darüber, wie es wohl weitergeht. Der Fluss, sagen sie, kommt ganz schön nahe an die Bebauung heran. Einige Meter weiter, wo in etwas mehr als einem Monat die Murr-Regatta starten soll, ist ein Feld bereits überschwemmt. Und auch in Sulzbach an der Murr beäugt ein Paar kritisch die wogende Murr. Beim letzten Hochwasser haben sie eimerweise Wasser aus dem Heizungskeller geschöpft, erzählen sie. Seitdem habe man einige Vorkehrungen getroffen, damit bei einem erneuten Hochwasser das eigene Hab und Gut geschützt ist. Dennoch ist das Paar besorgt. „Der Fischbach ist noch nicht auf die Straße gekommen“, haben sie beobachtet. „Das könnte aber bald so weit sein.“ Sulzbachs Bürgermeisterin Veronika Franco Olias postet am Samstagabend in ihrer Instagram-Story ein Foto der wasserreichen Murr und schreibt dazu: „Noch ist etwas Luft.“ Es sei „schön zu sehen, wie die vorhandenen Bauten gegen das aktuelle Hochwasser greifen“.
Die Einsatzkräfte sind allerorts gefragt
Tatsächlich kommt die Region vergleichsweise glimpflich davon. Backnangs OB Maximilian Friedrich und Murrhardts Bürgermeister Armin Mößner ziehen am Sonntagmorgen eine erste Bilanz. Der Tenor: Es hätte deutlich schlimmer kommen können. Bei der Eröffnung des Naturparkmarkts in Backnang äußerten beide die Hoffnung, das Murrtal komme mit einem blauen Auge davon. In der Nacht zum Sonntag stieg der Murrpegel in Oppenweiler auf 2,82 Meter (3.45 Uhr), sank dann aber wieder. Zum Vergleich: Beim Hochwasser 2011 wurde die Höchstmarke von 3,59 Metern erreicht.
Allerdings hatten die Einsatzkräfte der Region alle Hände voll zu tun. In der Theodor-Körner-Straße in Backnang mussten Bäume gesichert werden. Darüber hinaus waren Feuerwehrleute am Sonntagmorgen in Waldrems zur Sicherung eines Gewässers vor Ort. Und einige Keller seien aufgrund des steigenden Grundwassers vollgelaufen, so Friedrich. Weil noch keine Entwarnung gegeben werden könne – schließlich waren auch für den Sonntag Gewitter angekündigt – blieb das Wonnemar weiter geschlossen. Weil die Zufahrtsstraße zum Bad am Samstagnachmittag überflutet zu werden drohte, hatten sich die Verantwortlichen dafür entschieden, das Bad zu räumen.
Auch in Murrhardt sei kein groß angelegtes Handeln vonnöten gewesen, berichtete Bürgermeister Armin Mößner. Gleichwohl hätten die Einsatzkräfte an verschiedenen Punkten für Abhilfe gesorgt. In Hausen uferte die Murr auf landwirtschaftliche Flächen aus. Hier wurde ein kleiner Sandsackdamm errichtet. In der Werrensiedlung wurde ein Bagger des Bauhofs platziert, falls der Murrdamm zur Entlastung aufgebaggert werden muss. Bisher, so Mößner am Sonntagmorgen, „leistete das Hochwasserentlastungspumpwerk am RÜB Wiesenstraße seine Dienste“. Am Waldorfkindergarten sorgte eine verstopfte Dachrinne für die Gefahr eines Wassereintritts. Die Feuerwehr schaffte Abhilfe.
Oppenweilers Bürgermeister Bühler nahm die Lage am Wochenende als relativ entspannt wahr. „Unser Hochwasserschutz hat gut funktioniert“, stellte er am Sonntagnachmittag erfreut fest. Schon früh am Samstagmorgen sei die Feuerwehr alarmiert worden, um die Schutzmaßnahmen einzuleiten. Außerdem war natürlich die Sorge groß, wie die Baustelle für das Hochwasserrückhaltebecken an der Rüflensmühle durch die Wassermassen beeinträchtigt wird. Doch auch hier habe man keine größeren Probleme bekommen. Sorge macht dem Bürgermeister hingegen ein Erdrutsch zwischen Schiffrain und dem oberen Reichenberg. „Der ist an einer Stelle, wo man nicht ohne Weiteres für Arbeiten hinkommt“, so Bühler. Die Straße wurde vorerst gesperrt, nun müsse sie von Experten begutachtet werden.
Auch im Bereich der Trailhöfer Straße in Auenwald hat sich am Sonntag der Hang gelöst. Das teilte Bürgermeister Kai-Uwe Ernst mit. Feuerwehr und Bauhof seien vor Ort, um die Schäden zu beseitigen. Die Strecke bleibe bis auf Weiteres gesperrt.
In Burgstetten lief das Bädle gleich zweimal voll. Bürgermeisterin Irmtraud Wiedersatz berichtete, dass das Wasser etwa 20 Zentimeter hoch im Gebäude stand.
Landrat Richard Sigel war am Wochenende im Kreis unterwegs, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Eine Sprecherin des Landratsamts, die ihn dabei begleitet hat, schildert die Eindrücke: „Es war beeindruckend, zu sehen, wie alle die Ärmel hochgekrempelt und angepackt haben“, berichtet sie voller Lob für die Einsatzkräfte. Dennoch sei die Lage spürbar angespannt gewesen. „Die Problematik lag darin, dass sich die Prognosen ständig änderten. So war es schwierig, ein Lagebild zu bekommen.“ Am Sonntagabend meldete das Landratsamt: „Die Pegel gehen aktuell nach unten, unter Hochwassermeldestufe, zudem sieht die Wetterprognose im Moment gut aus.“