Der Weissacher Bürgerentscheid scheint abgewendet
Die Mitglieder der Gruppe Offener Grüner Treff haben sich in Weissach im Tal gegen eine Bebauung der Talaue am Brüdenbach zusammengetan und ein Bürgerbegehren auf den Weg gebracht. Schon mit der kommenden Gemeinderatssitzung könnte sich das Vorhaben Bürgerentscheid erledigt haben.

© Alexander Becher
Am 21. März überreicht die Bürgerinitiative Offener Grüner Treff Bürgermeister Daniel Bogner (rechts) eine Unterschriftenliste im Weissacher Rathaus. Archivfoto: Alexander Becher
Von Melanie Maier
Weissach im Tal. Fast tausend Unterschriften gegen einen möglichen Neubau des Weissacher Pflege- und Seniorenheims in der Talaue oberhalb des Brüdenbachs in Unterweissach haben die Mitglieder der Bürgerinitiative Offener Grüner Treff in Weissach im Tal im März gesammelt. Damit hätte theoretisch ein Bürgerentscheid, eine Abstimmung in der Gemeinde über den Sachverhalt, auf den Weg gebracht werden können. Doch so wie es aussieht, wird das Verfahren gar nicht mehr nötig sein. Schon in der kommenden Gemeinderatssitzung am 25. Mai werde das Weissacher Heim auf der Tagesordnung stehen, teilt Bürgermeister Daniel Bogner auf Nachfrage mit. Dabei solle es um ein Zukunftskonzept für das Heim gehen.
Folge der Rat dem Beschlussvorschlag der Verwaltung, führt Bogner aus, so werde die im vergangenen Dezember beschlossene Aufstellung des Bebauungsplans „Brüdenwiesen-Nord“ wieder aufgehoben. Damit wäre auch der Grund, aus dem das Bürgerbegehren initiiert wurde, hinfällig. „Würde die aus unserer Sicht bessere Alternative für das Heim verfolgt werden, dann wäre eine Bebauung der Fläche ohnehin nicht mehr notwendig“, erklärt Bogner. „Dann hätten wir auch keinen Schmerz damit, die Lösung nicht weiter zu verfolgen.“
Gründe für das Bürgerbegehren waren umwelt- und Hochwasserschutz
Wie die Rätinnen und Räte abstimmen werden, steht zwar noch nicht fest. Sollte es aber kommen wie in der von Bürgermeister Bogner vorgestellten Variante, hätte der Offene Grüner Treff in dieser Angelegenheit sein Ziel erreicht. Theoretisch müsste der Rat die Zulässigkeit des schriftlich eingereichten Bürgerbegehrens vor der Sitzung (bis 21. Mai) noch bestätigen. Zudem müsste auch noch eine Anhörung der Initiative stattfinden. Aufgrund des „starken Signals“ des Bürgermeisters sieht der Offene Grüne Treff über diese Formalien aber hinweg. „Wir hatten bisher eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit“, sagt Alexander Ludwig von der Bürgerinitiative. „Das Wichtigste für uns ist, dass der Schutz der Talaue gewährleistet ist“, bekräftigt er. Denn der Auslöser für das Bürgerbegehren waren vor allem der Umwelt- und der Hochwasserschutz. Die Fläche, um die es geht, liegt im HQ10-Bereich – einem Gebiet, das rein statistisch gesehen alle zehn Jahre von einem Hochwasserereignis betroffen ist.
Hoffen auf den Weiterbetrieb des Seniorenheims
Doch noch ein weiteres Anliegen liegt den Mitgliedern des Offenen Grünen Treffs am Herzen: „Wenn die Möglichkeit bestünde, das bestehende Heim zu bewahren, wäre das natürlich top“, sagt Ludwig. Zumal der Offene Grüne Treff angetreten sei, um dem Flächenfraß in Weissach im Tal Einhalt zu gebieten, fügt Reinhard Knüdeler hinzu.
Der Weiterbetrieb des Seniorenheims steht bereits seit Monaten in der Debatte (wir berichteten). Denn die beiden Gebäude Brüdenwiesen 7-9 dürfen in der jetzigen Form nur noch bis Juli 2026 weitergenutzt werden. Spätestens dann muss das Heim den Anforderungen der Landesheimbauverordnung genügen. Diese wurde schon im Jahr 2009 beschlossen und legt bundesweit einheitliche Standards für alle Pflegeheime fest. In Unterweissach können einige dieser Standards – etwa was die Größenvorgaben der Zimmer betrifft – nicht eingehalten werden. Bürgermeister Bogner äußerte aus diesem Grund schon mehrfach, er glaube nicht an einen Weiterbetrieb nach 2026.
Die Sache ist verzwickt. Die Beteiligten schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu: Während viele der insgesamt mehr als 40 Eigentümer den Betreiber, das Alexanderstift, in der Pflicht sehen, eine Ausnahme von der Landesheimbauverordnung zu erwirken, beharrt die Gegenseite darauf, sie warte zunächst auf ein Zeichen der Eigentümergemeinschaft, wie es mit dem Heim weitergehen solle. Denn die für Umbaumaßnahmen nötigen Investitionen müssten die Eigentümer selbst tätigen.
Einen Antrag auf die Ausnahmegenehmigung gibt es noch nicht
Bisher war dabei häufig von einer Pro-Kopf-Summe von 50.000 bis 100.000 Euro die Rede. Doch diese könnte womöglich viel zu hoch gegriffen sein, wie das baden-württembergische Sozialministerium mitteilt.
Anfang April hat der Weissacher Ortsseniorenrat ein Diskussionspapier zum Erhalt des Heims erarbeitet. Das schickte der Rat sowohl an das Alexanderstift als auch an Bürgermeister Bogner, Landrat Richard Sigel sowie Vertreter der Eigentümer. Letztere befürworten dem Rat zufolge das Papier. Auch Sigel zeigt sich davon angetan. „Sie dürfen sicher sein, dass der Rems-Murr-Kreis und seine Heimaufsicht das Projekt sehr lösungsorientiert begleiten“, teilt er in einer E-Mail mit, die auf der Homepage des Ortsseniorenrats einsehbar ist. Dazu ließ er dem Rat eine Stellungnahme von Andreas Vogelmann aus dem Sozialministerium zukommen, welche dieser auf die Nachricht eines Eigentümers hin verfasst hatte.
Der Gemeinderat stellt nun die Weichen
Darin geht es in erster Linie um eine mögliche Erwirkung einer Ausnahmegenehmigung von der Heimbauverordnung. Die Verordnung erlaubt Befreiungen von den Vorgaben, wenn eine Anpassung der Einrichtung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist. Wirtschaftlich zumutbare Anpassungsmaßnahmen müssten die Eigentümer zwar in jedem Fall leisten. Doch Kosten in Höhe von 50.000 bis 100.000 Euro je Eigentümer hält Vogelmann im Falle einer Ausnahmegenehmigung für „deutlich überschätzt.“ Wie hoch diese tatsächlich seien, ließe sich erst feststellen, nachdem der Betreiber, in diesem Fall das Alexanderstift, den Antrag gestellt habe. Das sei seines Wissens bisher aber nicht passiert. Den Erfahrungen des Ministeriums zufolge, schrieb Vogelmann, „finden sich stets gangbare Lösungen, sofern seitens des Trägers beziehungsweise der Eigentümer die Bereitschaft besteht, wirtschaftlich zumutbare Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen.“ Ob diese Bereitschaft auf beiden Seiten vorliegt, ist die Frage.
In der kommenden Gemeinderatssitzung sollte sich zeigen, in welche Richtung es für das Heim und die Eigentümergemeinschaft von Seiten der Gemeinde weitergehen könnte. Sollte ein Neubau nach wie vor im Spiel sein und der Gemeinderat einer Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses des Bebauungsplan „Brüdenwiesen-Nord“ doch nicht zustimmen, so wäre der Offene Grüne Treff bereit dazu, den Bürgerentscheid wie geplant durchzuführen – „in allen Facetten“, betont Alexander Ludwig.
Treffen Am morgigen Mittwoch treffen sich die Mitglieder des Offenen Grünen Treffs um 19.30 Uhr im Dorftreff in Cottenweiler. Interessierte sind dazu eingeladen.