Die Alte Grube: das Backnanger Zentrum des Vergnügens
1974 wurde die Alte Grube als Tanzcafé, Restaurant und Kegelcenter auf der Oberen Walke eröffnet. Bald darauf war sie die Backnanger Diskothek schlechthin und der Treffpunkt für eine ganze Generation junger Leute.
Von Armin Fechter
Backnang. Es waren andere Zeiten Anfang der 70er-Jahre. Backnang galt noch als die süddeutsche Gerberstadt, große Lederfabriken prägten das Gesicht der Industrieareale an der Murr. Doch mit der Branche ging es bergab, ein Betrieb nach dem anderen wurde aufgegeben oder verlegt. Hallen, in denen über viele Jahre unterschiedliche Sorten von Leder hergestellt worden waren, standen nun leer – neue Nutzungen waren gefragt.
Der Gastronom Angelos Papadopoulus erkannte, welche Chance sich da bot. Von dem Murrhardter Unternehmer Folkart Schweizer übernahm er die Räume eines ehemaligen Fabrikgebäudes in der Gartenstraße 76 – etwa dort, wo sich heute der Edeka befindet – und baute sie in elfmonatiger Arbeit zu der gastlichen Stätte um, die sich schon bald als der große Besuchermagnet für Backnang und die ganze Umgebung erweisen sollte. Den Namen für seinen neuen Betrieb entlehnte er dem Gerbereiwesen. Wie das war, erzählt Peter Vodan, einer der DJs: In der Halle gab es mehrere Gruben, in diesen wurden früher die Tierhäute behandelt. Eine davon galt als die alte Grube – und damit war der Name gefunden. So wie die Grube in der Lederherstellung eine zentrale Funktion einnahm, so sollte im übertragenen Sinne die „Alte Grube“ ebenfalls ein Zentrum der Unterhaltung, des Vergnügens und der Geselligkeit darstellen.
„Vielseitigkeit war anlockend und die Gemütlichkeit einladend“
Das Interieur erinnerte dabei in keiner Weise an die einstige Lederfabrik. Im Gegenteil. Es handelte sich vielmehr um „ein gastronomisches Unternehmen, dessen Ausmaße für Backnang beachtlich, dessen Vielseitigkeit anlockend und dessen Gemütlichkeit einladend ist“, wie die Backnanger Kreiszeitung zur Eröffnung pries. Die Tanzfläche allein bot, so wurde berichtet, über 200 Feiernden Platz. Darum herum waren einzelne Sitzbereiche gruppiert und an der Bar konnten sich 25 Personen einfinden. Bei der Eröffnung des Tanzcafés noch nicht ganz fertiggestellt war das sechsbahnige Kegelcenter im Stockwerk darüber.
Ernst Augustin prägte mit seiner Musikauswahl die Szene
Als Resident DJ fungierte Ernst Augustin. Er prägte mit seiner Musikauswahl die Szene: Immer mittwochs, freitags und samstags ging die Party ab. Zu seinem Markenzeichen wurde bald der Titel „Green Green Grass of Home“ von Tom Jones, den er unter dem Jubel des Publikums mitzusingen pflegte. Augustin, der heute über 70 Jahre ist, sorgte auch dafür, dass andere, jüngere Discjockeys eine Chance bekamen. So wie Peter Vodan, für den DJ Ernst zum Freund und Ziehvater wurde. Der Junge war erst 15 Jahre alt, als ihn der Haus-DJ der Grube 1977 entdeckte. Vodan besuchte damals in der Tanzschule Bopp, gleich schräg gegenüber der Diskothek, einen Tanzkurs, manchmal legte er dort auch auf.
Eines Tages stand Augustin vor ihm und fragte, ob er nicht Lust hätte, auch mal in der Alten Grube die Musik zu machen. Die Sache hatte allerdings einen Haken: Wegen seines jugendlichen Alters musste sich Peter Vodan anfangs um 24 Uhr von seinen Eltern abholen lassen. Doch sein Engagement sollte dann elf Jahre andauern. Anteil daran hatte auch der mittlerweile verstorbene Reinhardt Semenass, der den Betrieb von Papadopoulus übernommen hatte.
„Die Grube ist für Fox gestanden“, beschreibt Vodan das Programm. Und die DJs schafften es, mit ihrer breit gestreuten Musikauswahl alle Schichten anzusprechen: junge Menschen ebenso wie etwas ältere, Einheimische, Auswärtige und Promis wie etwa VfB-Spieler Peter Reichert. Gäste kamen auch von weit her, auf dem Parkplatz standen Autos mit Kennzeichen aus München, Frankfurt oder Köln, darunter nicht selten illustre Fabrikate – Maserati und Co. ließen grüßen. Vodan: „Die Grube hat davon gelebt, dass das Publikum total durchwachsen war. Wir waren eine große Familie, die sich zum Feiern getroffen hat.“
Einen erstklassigen Ruf hatte die Diskothek auch als Veranstaltungsort von Konzerten. An Backnang – damals die einzige Location dieser Art im weiten Umkreis – kam die deutsche Musikszene nicht vorbei: Peter Maffay, Marianne Rosenberg, Christian Anders, Jürgen Drews und viele andere gaben sich quasi die Klinke in die Hand. „Atemberaubend“ war die Stimmung, als die Spider Murphy Gang zu Gast war, erinnert sich Peter Vodan: „Alle standen auf den Tischen und tanzten.“ Auch die Konzerte von Wolle Kriwanek mit dem Gitarristen Paul Vincent setzten Maßstäbe. Weit über 2000 zahlende Gäste wurden in diesen Zeiten gezählt, ein Fest für Inhaber Semenass und „ein Burner“ fürs Publikum. Dazu kamen in die Grube noch viele internationale Stars wie Percy Sledge, die Equals oder Chris Barber.
Zur Legende wurde auch der Türsteher der Alten Grube, der es bei der Einlasskontrolle mitunter mit Hunderten Besuchern zu tun hatte, die schon vor der Öffnung Schlange standen: Charly, mittlerweile verstorben, groß, braun gebrannt, durchtrainiert, ein Kampfsportler und zugleich Charmeur, der seine Wirkung auf die Damenwelt gern ausspielte.
Am Ende war das alte Flair einfach dahin
Ende der 80er-Jahre tat sich die Alte Grube zunehmend schwerer. Vielerorts eröffneten neue Diskotheken, gleichzeitig begann sich der Musikgeschmack nach unterschiedlichen Stilrichtungen aufzuteilen. Die Grube musste letztlich schließen. Danach traten noch einige Nachfolgebetriebe in Aktion: Coco Bello und Heartbeat, sogar ein Spielcasino machte in der Gartenstraße 76 auf, wie der Hobbyhistoriker Heiner Kirschmer notiert hat, und zuletzt gab es dort noch die Störung. Aber an die unbeschwerten Zeiten der Alten Grube kam keiner heran – das alte Flair war dahin.
Alte Grube Der Name „Alte Grube“ ist geschützt. Die Rechte daran hat der damalige Discjockey Ernst Augustin. Sein „Ziehsohn“ Peter Vodan, der im Übrigen auch dem DJ-Team Backnang (Inhaber: Peter Müller, Weissach im Tal) angehört, darf den Namen benutzen – und er knüpft dies an zwei Punkte: Zum einen soll der Discoclub Oberbrüden (DCO) mit im Boot sein, und zum anderen soll die Veranstaltung einem guten Zweck dienen.
Revival Am Samstagabend, 24. September, legt Peter Vodan zusammen mit Andreas Blattert im Backnanger Club Merlin, Eberhardtstraße 2, auf. Unter dem Motto „Alte Grube Revival“ bieten sie dann noch einmal die typische Musik der 70er- und 80erJahre.
Unterstützung Merlin-Wirt Christos Kiroglou („Taki“), der viel Erfahrung mit Großveranstaltungen hat, ermöglicht mit dem Konzert einen Neustart für die früheren „Remember Alte Grube“-Events des Discoclubs Oberbrüden in der Auenwaldhalle. Unterstützt wird dieses Mal die inklusive Band Cool Chickpeas.