Defibrillatoren für alle Sporthallen
Seit 2019 setzt sich in Backnang eine „Arbeitsgemeinschaft Defibrillatoren“ für eine bessere Versorgung mit den lebensrettenden Geräten ein. Mit Erfolg: Nun hat die Stadt insgesamt 19 neue Defis angeschafft, weitere Standorte sind geplant.

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Der DRK-Vorsitzende Klaus-Dieter Fackler, Kreisrat Jürgen Hestler und Oberbürgermeister Maximilian Friedrich (von links) begutachten den neuen Defibrillator in der Mörikesporthalle. Solche Geräte hängen jetzt in elf städtischen Sporthallen.Foto: A. Becher
Von Kornelius Fritz
Backnang. An der Wand im Foyer der Mörikesporthalle in Backnang hängt seit einigen Tagen ein orangefarbener Kasten mit der Aufschrift „AED-Defi“. Die Abkürzung steht für „Automatisierter Externer Defibrillator“, gemeint ist damit ein Gerät, mit dem auch Laien bei einem akuten Herz-Kreislauf-Stillstand eine Reanimation starten können. Da die modernen Geräte eine Sprachsteuerung haben und einen Elektroschock nur dann auslösen, wenn sie tatsächlich ein lebensbedrohliches Kammerflimmern feststellen, braucht man für die Nutzung eines AED keine medizinischen Kenntnisse, sondern lediglich den Mut zu helfen. Und schnell muss es gehen: Kommt bei einem Herzstillstand innerhalb der ersten drei Minuten ein Defibrillator zum Einsatz, können bis zu 75 Prozent der Patienten ohne bleibende Schäden überleben. Das setzt allerdings voraus, dass ein „Defi“ in unmittelbarer Nähe verfügbar ist.
Klaus-Dieter Fackler, Vorsitzender des Backnanger Ortsvereins beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), hat deshalb vor drei Jahren eine Initiative gestartet, um das Defi-Netz in der Stadt auszubauen. Unterstützt wurde er dabei vom Kardioverein Rems-Murr, auch beim damaligen Oberbürgermeister Frank Nopper stieß er auf offene Ohren. So wurde wenig später eine „AG Defibrillatoren“ gegründet. Mit Hilfe von Sponsoren wurden auch schon drei Geräte angeschafft und bei der Volksbank, im Etzwiesenstadion und auf dem Tennisgelände der TSG Backnang installiert.
Durch Corona wurde die Initiative dann zwar vorübergehend ausgebremst, doch nun kann die AG Defi einen weiteren Erfolg vermelden. Quasi als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk hat die Stadt Backnang nämlich 19 neue Defibrillatoren zum Gesamtpreis von 22000 Euro angeschafft. Elf davon hängen bereits in den städtischen Sporthallen, weitere acht bekommt die Backnanger Feuerwehr für ihre Einsatzfahrzeuge. Gerade bei Sportanlagen sei es besonders wichtig, einen Defibrillator vor Ort zu haben, erklärt Klaus-Dieter Fackler. Denn bei körperlicher Belastung komme es besonders oft zu Herzattacken. Auch bei Jürgen Hestler war es so: Der SPD-Kreisrat war Mitte September beim Fußballspielen mit seinen ehemaligen Kollegen zusammengebrochen (wir berichteten). Dass er den Herzstillstand überlebt hat, verdankt Hestler auch der Tatsache, dass es in der Bize-Sporthalle in Weissach im Tal schon damals einen Defibrillator gab.
„Natürlich hoffen wir, dass diese Geräte niemals gebraucht werden, aber es tut gut zu wissen, dass eines in der Nähe ist“, sagte Oberbürgermeister Maximilian Friedrich beim Pressetermin in der Mörikesporthalle. Friedrich erinnert sich noch gut daran, wie einst der Vater eines Klassenkameraden in jungen Jahren am plötzlichen Herztod gestorben ist. „Das beschäftigt mich bis heute.“ Schon an seiner alten Wirkungsstätte in Berglen hat sich Friedrich deshalb für den Aufbau eines Defi-Netzes eingesetzt: In der kleinen Gemeinde gibt es mittlerweile in jedem größeren Teilort einen Defibrillator, der rund um die Uhr zugänglich ist.
Solche öffentlichen Defi-Standorte sind in Backnang noch rar. Deshalb will die Stadt in den nächsten Monaten nachrüsten. „Wir sind gerade auf der Suche nach geeigneten Standorten“, erklärt Hauptamtsleiter Timo Mäule. Dabei denkt er zum Beispiel an die städtischen Friedhöfe. Man wolle aber auch mit Geschäftsleuten in der Innenstadt darüber sprechen, ob sie bereits vorhandene Defis außen am Gebäude anbringen können. Abends oder am Wochenende befinden sich viele Geräte nämlich hinter verschlossenen Türen. Die Sorge vor Diebstahl oder Vandalismus bezeichnet Klaus-Dieter Fackler als „Totschlagargument“. Erstens passiere so etwas nur selten und zweitens sei die Rettung von Menschenleben wichtiger als alles andere.
Klar ist für die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft aber auch, dass es mit der Anschaffung neuer Geräte allein nicht getan ist. Denn was nützt die beste Technik, wenn sich die Ersthelfer bei einem Notfall nicht trauen, diese auch anzuwenden. Viele hätten Angst etwas falsch zu machen, vielleicht sogar hinterher belangt zu werden, wenn der Patient trotzdem stirbt, weiß Fackler. Dabei sei der einzige Fehler, den man machen könne, gar nichts zu tun. Das DRK will deshalb verstärkt Fortbildungen anbieten, bei denen Wiederbelebungsmaßnahmen und der Einsatz eines Defibrillators gezeigt und trainiert werden.
Bereits im November 2019 hatte es eine Veranstaltung unter dem Motto „Backnang schockt“ im Bürgerhaus gegeben. Künftig wolle man verstärkt auch Schulungen in Vereinen anbieten, kündigt Klaus-Dieter Fackler an. Eine erste Infoveranstaltung mit der TSG Backnang Tennis ist bereits geplant, weitere sollen folgen. Parallel dazu will das DRK weiter in die Ausbildung sogenannter „Helfer vor Ort“ investieren. Dabei handelt es sich um Ersthelfer mit einer speziellen Ausbildung, die bei einem Notfall in ihrer Nähe von der Leitstelle mit alarmiert werden und im besten Fall schon vor dem Rettungsdienst vor Ort sind, um mit der Reanimation zu beginnen. In Backnang gibt es bisher fünf solche Helfer vor Ort, zwei weitere werden zurzeit ausgebildet. Jeder von ihnen besitzt einen eigenen AED. Die rund 900 Euro pro Gerät investiere man gerne, erklärt der DRK-Vorsitzende: „Wenn nur ein einziges Menschenleben dadurch gerettet wird, hat sich die Anschaffung mehr als amortisiert.“
Nachdem er dieses Jahr selbst einen Herzstillstand überlebt hat, ist die Optimierung der Rettungsketten für Jürgen Hestler im wahrsten Sinne des Wortes eine Herzensangelegenheit. Dabei möchte der SPD-Kreisrat auch die Backnanger Umlandgemeinden mit einbinden. Ein erstes Treffen mit Vertretern aus dem Weissacher Tal hat bereits im November stattgefunden. Dabei wurde ein Vorgehen in vier Schritten vereinbart:
Spendenaktion Bei den Gemeinden und den DRK-Ortsvereinen sollen Spendenkonten eingerichtet werden, auf die Firmen und Privatleute Geld für die Anschaffung neuer Defibrillatoren einzahlen können.
Bedarfsermittlung Gemeinden und DRK-Ortsvereine laden zu „runden Tischen“ ein. Dort werden die vorhandenen Defis erfasst und geeignete Standorte für neue Geräte definiert.
Beschaffung Beim Kauf der Defis stimmen sich die Gemeinden ab, um bessere Konditionen zu bekommen. Gleichzeitig werden Richtlinien für Betreuung und Wartung der Geräte festgelegt.
Mutmacherkampagne
In den Orten werden regelmäßig Schulungen zum Thema Erste Hilfe und Wiederbelebung angeboten, zum Beispiel bei Vereinstreffen, verkaufsoffenen Sonntagen oder an Schulen.