Defizit der Rems-Murr-Kliniken sorgt für Diskussionsstoff
Durch die Coronapandemie und die Energiekrise sind die Zeiten für die Rems-Murr-Kliniken aktuell schwer. Die SPD-Kreistagsfraktion wirft die Frage auf, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, das jährliche Defizit auf zehn Millionen Euro drücken zu wollen.
Von Lorena Greppo
Rems-Murr. Jahr für Jahr fährt der Rems-Murr-Kreis für den Betrieb seiner beiden Kliniken in Winnenden und Schorndorf ein sattes Minus ein. Lag der Fehlbetrag in manchen Jahren schon über 30 Millionen Euro, so waren es 2019 „nur“ noch knapp 16 Millionen Euro. Sprich: Man näherte sich dem langfristigen Zielkorridor von fünf bis zehn Millionen Euro. Manch einer wollte sogar die Hoffnung auf eine schwarze Null nicht aufgeben. Dann kam die Coronakrise, welche der Kreis auch dank Hilfen des Bundes einigermaßen gut überstand. Nun steht mit der Energiekrise die nächste Herausforderung bevor. 2021 wird das Jahresergebnis der Kliniken aus Sicht des Kreises voraussichtlich bei minus 15,3 Millionen Euro liegen, für das kommende Jahr sind fast minus 20,8 Millionen Euro veranschlagt.
Ist es aber überhaupt erstrebenswert, das Defizit der Kliniken immer weiter zu drücken? Die SPD-Fraktion im Kreistag vertritt hierzu eine klare Position, wie deren Vorsitzender Klaus Riedel erklärt: „Aus unserer Sicht müssen die Kliniken keine schwarze Null schreiben.“ Das sei auch anderswo nicht üblich. Lediglich Spezialkliniken würden dieses Ziel erreichen, das wiederum sei aber nicht das Konzept der Rems-Murr-Kliniken. Riedel macht klar: „Wir stehen hinter dem Klinikkonzept insgesamt.“ Für seine Fraktion sei aber die medizinische Versorgung durch die Kliniken Teil der Grundversorgung. Die Kostenrechnung dürfe hier nicht der ausschlaggebende Aspekt sein. Schließlich seien der ÖPNV oder verschiedene Kultureinrichtungen auch Zuschussgeschäfte. „Warum sollen ausgerechnet die Kliniken schwarzen Zahlen schreiben?“
Keine Rede von Bettenabbau
Landrat Richard Sigel selbst hatte in seiner Rede zur Einbringung des Haushalts davon gesprochen, dass der Landkreis und seine Rems-Murr-Kliniken in den vergangenen Jahren mit der Medizinkonzeption und der Campusentwicklung auf einem Erfolgskurs waren. Diese Errungenschaften dürften nun nicht aufs Spiel gesetzt werden, betonte Sigel. Er machte aber auch klar, dass in der Vergangenheit zu keiner Zeit ein Sparkurs auf Kosten des Personals betrieben worden war. Die Qualität der medizinischen Versorgung in den Rems-Murr-Kliniken sei immer an erster Stelle gewesen. „Ich halte es daher für richtig, dass wir ungeachtet der Unsicherheiten die Weiterentwicklung unserer Kliniken vorantreiben“, so Sigel in seiner Haushaltsrede. Aktuell sei dies aber ohne finanzielle Unterstützung von Bund und Land nicht erreichbar. Erst wenn Klarheit darüber herrscht, wie die Entlastung der Kliniken seitens des Bundesgesundheitsministers konkret aussieht, könne man die Lage der Kliniken verlässlich einschätzen.
Das von der SPD-Fraktion gewünschte Bekenntnis dafür, dass ein Bettenabbau keine Option darstellt, scheint obsolet. Durch die Medizinkonzeption – zu der sich die befragten Fraktionen bekennen – werden nochmals Bettenkapazitäten an den Standorten Winnenden und Schorndorf aufgebaut, von Abbau ist keine Rede. Auch in Sachen Defizit gehen die Meinungen nicht weit auseinander. „Am vom Kreistag beschlossenen Ziel, das Defizit der Kliniken zu verringern, muss festgehalten werden“, fordert Maximilian Friedrich, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler. Er verweist darauf, dass dieses eine maßgebliche Begründung zur Schließung der Krankenhäuser in Backnang und Waiblingen war. „Davon jetzt Abstand zu nehmen, würde die Frage erneut aufwerfen, warum die Krankenhausstandorte aufgegeben wurden.“ Die Freien Wähler halten dieses Ziel auch durchaus für realistisch, auch wenn dies „ein harter und langer Weg“ werde. Die Medizinkonzeption sei tragfähig und gut. „Das Tempo ihrer Umsetzung sollte allerdings an die aktuelle Situation angepasst werden.“
Hoffen auf finanzielle Hilfe des Bundes
„Von der Illusion, die im Vorfeld des Neubaubeschlusses vorherrschte, dass irgendwann die Kliniken im Kreis schwarze Zahlen schreiben, haben wir uns schon lange verabschiedet“, erklärt Armin Mößner, Fraktionssprecher der CDU. Auch sei stets klar gewesen, dass der Kreis etwaige Defizite zu tragen hat. „Im Bereich von ein bis zwei Prozentpunkten Kreisumlage ist für uns eine Abmangelfinanzierung absolut im Rahmen. Allerdings sind wir der Auffassung, dass der Betrieb der Kliniken wirtschaftlich aufgestellt sein soll, um die Steuerfinanzierung gering zu halten.“ Vor der Coronapandemie sei man auf einem guten Wege gewesen, den Zielkorridor zu erreichen, also das Defizit in Richtung zehn Millionen Euro zu bekommen. Die besonderen Umstände aktuell stellten jedoch die „finanziellen und wirtschaftlichen Zielsetzungen der Medizinkonzeption auf den Kopf“. Mößner äußerte konkrete Hoffnungen auf die angekündigten Hilfen des Bundes.
Auf die Mittel vom Bund setzt auch Ulrich Lenk, FDP-FW-Fraktionsvorsitzender. Es sei schließlich nicht Aufgabe des Landkreises, die aktuellen Krisen finanziell abzufedern. Hingegen plädiere seine Fraktion dafür, „zumindest mittelfristig an dem Ziel eines maximal zirka zehn Millionen Euro hohen jährlichen Betriebskostendefizits für unsere Kreiskliniken festzuhalten“. Auch wenn den Kliniken als essenziellem Bestandteil der Daseinsvorsorge ein hoher Stellenwert eingeräumt werde, müsse man zu einem einigermaßen wirtschaftlichen Betrieb kommen. Schließlich habe der Kreis eine Vielzahl anderer Herausforderungen zu stemmen, darunter den Klimaschutz, die Digitalisierung der Verwaltung, die Anstrengungen beim Wohnungsbau, die Modernisierung der Kreisstraßen und Fahrradwege sowie eine zukunftsfähige Ausstattung der Schulen.
„Vor der Coronakrise auf dem richtigen Kurs“
Auch Bernd Messinger, Fraktionsmitglied der Grünen, sagt: „Wir halten es für richtig, weiterhin am Zielkorridor eines Defizits in den Kliniken von weniger als zehn Millionen Euro jährlich festzuhalten. Wir waren vor der Coronakrise auf dem richtigen Kurs und es gibt keinen Grund, hiervon abzuweichen.“ Bis die extern bedingten Krisen ausgestanden sind, sei mit einem höheren Defizit zu rechnen – auch wenn Bund und Land Ausgleichszahlungen leisten. Langfristig sollte, so die Ansicht der Grünen-Kreistagsfraktion, an der Strategie für die Kliniken festgehalten werden. Klar machte Messinger aber: Es dürfe bei den Kliniken nicht an der falschen Stelle gespart werden. Die Optimierung der Wirtschaftlichkeit dürfe nicht zulasten des Personals oder der Patientinnen und Patienten erfolgen. „Dies geschieht aus unserer Sicht auch nicht.“ Messinger führte an: „Die personelle Ausstattung könnte selbstverständlich immer besser sein.“ Allerdings müssten sich die Rems-Murr-Kliniken im Vergleich zu anderen Institutionen nicht verstecken.
Von Lorena Greppo
Die Campusentwicklung in Schorndorf, die geplante Erweiterung in Winnenden, ein kontinuierlicher Personalaufbau in den vergangenen Jahren – der Kreis investiert kräftig in seine Kliniken. Auch im Zuge der Coronapandemie reagierte man frühzeitig und ließ eine Infektionsstation errichten. Bei all diesen Entscheidungen waren die Kosten nicht das entscheidende Kriterium. Vielmehr war die ausschlaggebende Frage: Was braucht es, um eine gute medizinische Versorgung im Kreis sicherzustellen? Bevor Krisen wie die Coronapandemie und der Ukrainekrieg den Kreis vor ungeahnte Herausforderungen stellten, war man dennoch auf Kurs, das jährliche Defizit der Rems-Murr-Kliniken zu verringern und auf die gewünschte Größe von zehn Millionen Euro oder weniger zu bringen. Offenbar war es möglich, die Finanzen zu verbessern, ohne dass die Qualität leidet. Das zeigte: Der Kurs stimmt. Warum sollte dieser also nicht weiterverfolgt werden, wenn die Rahmenbedingungen es zulassen? Denn eines hat der Kreis in der Pandemie gezeigt: Wenn es die Umstände erfordern, reagieren die Verantwortlichen – ungeachtet der Kosten.
l.greppo@bkz.de