Demenz: Wenn die Welt kopfsteht

Am heutigen Donnerstag ist Welt-Alzheimer-Tag. Der Tag und die dazugehörige Woche der Demenz wurden vor acht Jahren ins Leben gerufen, um für die Erkrankung zu sensibilisieren. Margit Mahler vom Pflegestützpunkt Backnang berichtet von der Krankheit.

Häufig ändert sich bei Demenz auch die Persönlichkeit der Betroffenen. Symbolfoto: Pixabay/Gerd Altmann

© Gerd Altmann auf Pixabay

Häufig ändert sich bei Demenz auch die Persönlichkeit der Betroffenen. Symbolfoto: Pixabay/Gerd Altmann

Von Simone Schneider-Seebeck

Rems-Murr. Nicht jeder, der immer wieder etwas vergisst, leidet an Demenz. Und nicht bei allen, die an Demenz leiden, äußert sich diese Erkrankung durch Gedächtnisverlust. „Demenz ist sehr vielfältig“, weiß Margit Mahler vom Pflegestützpunkt Backnang. „Bei der Demenz vom Typ Alzheimer sterben Nervenzellen im Gehirn in dem Bereich ab, in dem Botenstoffe gebildet werden, die für die Gedächtnisbildung zuständig sind.“ Allerdings, fügt sie hinzu, können durchaus auch in anderen Bereichen Nervenzellen absterben und somit andere Ausprägungen von Demenz zur Folge haben. Dieser Vorgang ist dabei nicht unbedingt nur auf ältere Menschen beschränkt.

Zum Teil gibt es etwa einen erblichen Faktor, sodass die Krankheit bereits im Alter ab 30 Jahren auftreten kann. Das kommt allerdings eher selten vor. Was sich bei Betroffenen ab etwa 50 Jahren dagegen oft findet, ist das Absterben der Nervenzellen im vorderen Gehirnbereich, dem sogenannten frontotemporalen Cortex, dem Sitz für Emotionen und Sozialverhalten. Sterben diese Nervenzellen ab, verändert sich die ganze Persönlichkeit des Betroffenen, es kann auch zu Sprachstörungen wie beispielsweise Wortfindungsstörungen kommen. Im Gegensatz zur Alzheimer-Erkrankung wird das Gedächtnis jedoch wesentlich weniger beeinträchtigt.

Blitzschnelle Verarbeitung von Reizen

Das menschliche Gehirn ist durchschnittlich etwa 1,4 Kilogramm schwer und besitzt unter anderem um die 100 Milliarden Nervenzellen. Die Aufgabe der Nervenzellen liegt in der Reizweiterleitung. Allerdings knüpfen Nervenzellen nicht direkt aneinander an, sie sind durch den sogenannten synaptischen Spalt voneinander getrennt. Verschiedene Botenstoffe werden von der einen zur nächsten Zelle geschickt, um den entsprechenden Reiz weiterzugeben. Hat der Botenstoff seine Aufgabe erfüllt, wird er entsorgt. Dies alles passiert in atemberaubender Geschwindigkeit.

Um die Leistungsfähigkeit und blitzschnelle Verarbeitung von Reizen innerhalb des Gehirns zu erläutern, greift Mahler zu einem eigentlich simplen Beispiel – einen Stift greifen: „Das Gehirn muss den Stift erkennen, es muss gleichzeitig verknüpfen, wofür dieser verwendet wird. Möchte man den Stift aufheben, muss der Abstand zwischen Hand und Stift abgemessen werden, der Arm muss beauftragt werden, sich auszustrecken, die Hand entsprechend zu drehen und die Finger müssen dann so fest zufassen, dass der Stift nicht herunterfällt, aber auch nicht zerbricht.“ Und das läuft alles in Sekundenschnelle und unbewusst ab. Mahler zieht den Vergleich mit der Programmierung eines Roboters – ein großer Aufwand für eine eigentlich kleine Aufgabe. „Doch das funktioniert nur, wenn die Nervenzellen auch richtig arbeiten.“

Tote Nervenzellen erneuern sich nicht

Im Gegensatz zu anderen Arten von Zellen, beispielsweise Hautzellen, erneuern sich abgestorbene Nervenzellen nicht. Wobei regelmäßiges Sporttreiben dazu beitragen kann, dass dieser Abbau von Nervenzellen sich verlangsamt oder sich sogar neue Verbindungen zwischen diesen bilden können.

Ist die Übertragung der Reize durch die Nervenzellen gestört, verknüpft das Gehirn die Botschaften falsch. Und so kann es etwa passieren, dass man sich mit einem Kugelschreiber die Haare kämmen möchte oder neben den Stift greift. Auch die Funktion der inneren Organe wird durch das Gehirn gesteuert, sodass etwa bei der Lewy-Body-Demenz Verdauungsprobleme oder Schwindel symptomatisch sein können.

Bisher gibt es noch keine Möglichkeit, Demenz zu heilen. Medikamente können laut Mahler das Fortschreiten der Krankheit bei einigen Demenzarten verzögern. Diese setzen direkt bei der Verbindung zwischen den einzelnen Nervenzellen an, sie vermindern den Abbau der Botenstoffe zwischen den Zellen im synaptischen Spalt. Allerdings wirken die Medikamente nur, solange noch eine ausreichende Anzahl von Nervenzellen vorhanden ist.

Zahlen, Fakten und Veranstaltungen rund um das Thema Demenz

Veranstaltungen Die Woche der Demenz wurde 2015 von der Allianz für Menschen mit Demenz ins Leben gerufen, um mit verschiedenen Veranstaltungen Verständnis und Unterstützung sowohl für Betroffene als auch Angehörige zu fördern. Im Rems-Murr-Kreis finden folgende Veranstaltung statt:

Was Demenz ausmacht und wie es Betroffenen gelingt damit umzugehen, beantwortet Thomas Herrmann, Demenzfachberater des Rems-Murr-Kreises, am Mittwoch, 27. September, bei einem Vortrag im Winnender Albrecht-Bengel-Haus. Los geht es um 18 Uhr.

Der Verein „Gute Nachbarschaft im Mühlenviertel“ zeigt am 28. September den Film „Dear Memories“ im Schorndorfer Kino. Der Film handelt von der Alzheimer-Erkrankung des Fotografen Thomas Hoepker. Im Anschluss an die Filmvorführung besteht die Gelegenheit, sich über den Film auszutauschen. Los geht es um 18 Uhr.

Zahlen Etwa 55 Millionen Menschen sind weltweit von Demenzerkrankungen unterschiedlichster Ausprägungen betroffen. Man vermutet, dass sich bis 2050 diese Zahl mehr als verdoppeln wird.

Symptome Warnsignale für Demenz: Verlegen von Dingen; Gedächtnisstörungen; fehlende Orientierung in der Zeit und an fremden Orten; Schwierigkeiten mit alltäglichen Aufgaben; Rückzug von Arbeit oder sozialen Aktivitäten; Unfähigkeit, Gesprächen zu folgen; fehlende Worte im Gespräch; Probleme, den Überblick zu behalten; Probleme mit räumlicher Wahrnehmung; Veränderung von Stimmung oder Verhalten; schlechtes oder vermindertes Urteilsvermögen.

Informationen Weitere Informationen unter www.deutsche-alzheimer.de oder in der Broschüre „Begleiten ins Anderland. Informationen und Tipps für Angehörige von Menschen mit Demenz“, herausgegeben von der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg.

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Erstellt:
21. September 2023, 06:00 Uhr

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