Den inneren Schweinehund besiegen

Gute Vorsätze sind oftmals reine Lippenbekenntnisse – Nachhaltige Veränderung des Lebensstils bedarf Planung

Mit dem Rauchen aufhören, sich gesünder ernähren, öfter auf das Smartphone verzichten und mehr Sport treiben – dassind typische Vorsätze für das neue Jahr. Doch oft fällt es schwer, diese tatsächlich umzusetzen. Wir haben nachgefragt, wie man die nachhaltige Veränderung schaffen kann.

Sich mehr bewegen und Sport machen: Der Klassiker unter den Vorsätzen. Den Plan durchzuhalten ist schwer, aber lohnenswert.Symbolfoto: stockpics - stock.adobe.com

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Sich mehr bewegen und Sport machen: Der Klassiker unter den Vorsätzen. Den Plan durchzuhalten ist schwer, aber lohnenswert.Symbolfoto: stockpics - stock.adobe.com

Von Kristin Doberer
und Lorena Greppo

BACKNANG. Nur jeder Fünfte setzt seine guten Vorsätze auch tatsächlich um, das zeigt eine Statista-Umfrage von Anfang Dezember. Bei einem Großteil der Befragten, etwa 36 Prozent, halten die Vorsätze nur zwischen einem Tag bis hin zu einem Monat. Drei Prozent schaffen es sogar nur wenige Stunden, sich an ihre neuen Vorsätze zu halten. Die Umfrage zeigt auch, was sich die Deutschen für gewöhnlich vornehmen: Oft sind es Gesundheitsthemen, wie mit dem Rauchen aufhören, sich gesünder ernähren oder Vegetarier werden. Ganz vorne mit dabei ist aber auch „weniger Zeit in den sozialen Medien verbringen“, das wollen etwa 47 Prozent der Befragten schaffen. Der Spitzenreiter unter den Vorsätzen für 2020: mehr Sport treiben. Jeder zweite Befragte nennt das als seinen Neujahrsvorsatz.

Eine, die es geschafft hat, diesen Vorsatz durchzuhalten, ist Ilona Stark. Die 50-Jährige aus Weissach im Tal hat in diesem Jahr damit angefangen, regelmäßig laufen zu gehen – und ist drangeblieben. Vor zwei Tagen hat sie den Backnanger Silvesterlauf absolviert. Zugegeben, die Vorzeichen standen schon von Anfang an nicht schlecht, denn Stark sagt von sich selbst: „Ich habe mich schon immer gern herausgefordert und geschwitzt.“ Das bringt auch ihre Arbeit als Stuckateurmeisterin mit sich. „Für mich stand ein privater Umbruch an“, erklärt die Weissacherin, insofern wollte sie den Schwung nutzen und auch neue Sportarten ausprobieren.

Mit Unterstützung durch andere geht es leichter

Auch AOK-Sportpädagogin Brigitte Würfel weiß, wie schwierig es sein kann, sich im Alltag fit zu halten: „Man muss dann schon mehrmals die Woche Sport machen und den inneren Schweinehund immer wieder aufs Neue überwinden.“ Am besten klappe das, indem man sich feste Termine eintrage und sie auch wirklich für alles andere blockiere. „Zu den Zeiten darf es dann einfach keine Anrufe oder anderen Ablenkungen geben“, sagt Würfel. Außerdem sei es wichtig, sich einen Sport auszusuchen, der einem auch liegt und Spaß macht.

Ilona Stark hat mit Nordic Walking angefangen. Sie habe dann aber gemerkt, dass sie doch lieber schneller laufe, ohne Stöcke. Über die Zeitung ist sie zum Lauftreff „Lockerer Haufen“ gekommen, der sich immer dienstagabends in Backnang trifft. In der Laufgruppe gebe es unterschiedliche Leistungsniveaus, sodass sich immer jemand fände, der in etwa das gleiche Tempo laufe. „Gleichzeitig geht der Blick auf das gesamte Team, am Schluss kommen alle am Treffpunkt zusammen.“ Das Gemeinschaftsgefühl sei einer der Gründe, warum sie nun regelmäßig in der Gruppe mitlaufe, erklärt die Weissacherin: „Wir lachen viel und man hat richtig Spaß beim Laufen.“

Dass Vorsätze mit Unterstützung anderer leichter umzusetzen sind, ist auch die Erfahrung Klaus Hages. Er koordiniert betriebliches Gesundheitsmanagement und gibt Nichtraucherseminare in Unternehmen. In Eigenregie aufzuhören sieht er insofern kritisch, weil „viele in die gleichen Fallen tappen“. In den eigens konzipierten Seminaren werden die Teilnehmer hingegen darauf vorbereitet. Denn gar nicht die Entzugserscheinungen seien der am ehesten spürbare Effekt, sondern die neu hinzugewonnene Freizeit. Wer eine Schachtel Zigaretten am Tag rauche, komme mit dem ganzen Drumherum auf etwa drei Stunden, die dafür veranschlagt werden müssen, so Hage. „Man muss sich fragen: Wie gehe ich mit dieser Zeit um?“ Es gelte nämlich, den Kopf zu beschäftigen, aber auch die Hände und den Mund. „Es ist ein Automatismus, der in einem Raucher drinsteckt“, erklärt er. Die Bewegung von der Hand in den Mund, rät der Experte, gehe auch, wenn man etwa Gemüsesticks esse, anstatt an der Zigarette zu ziehen. So, und mit Bewegung, könne man auch der Gewichtszunahme entgegenwirken.

Am wichtigsten sei es, das Vorhaben planmäßig anzugehen, sagt Hage. „Zum einen setzen sich die Seminarteilnehmer bei uns damit auseinander, welche Vor- und Nachteile das Rauchen für sie hat.“ Dafür erörtern sie auch, in welchen Situationen sie besonders häufig zum Glimmstängel greifen. Aus Stress oder Langeweile oder nur in Gesellschaft – die Gründe sind vielfältig. „Davon darf man beim Aufhören nicht überrumpelt werden.“ Und einen weiteren Punkt führt Klaus Hage an: positive Wertschätzung. „Die Zeit und das Geld, das man nun mehr hat, kann man in schöne, zuträgliche Projekte investieren.“ Wer zusätzlich Lob von außen brauche, könne sich auch eine Nichtraucher-App herunterladen, die mit regelmäßigen Nachrichten motiviert. Denn Durchhalten ist gefragt: „Um Nichtraucher zu bleiben, müssen die Menschen lange an sich arbeiten.“ Und wenn der Seminarteilnehmer dann doch schwach wird und zur Zigarette greift, sei das kein Grund, gleich die Flinte ins Korn zu werfen. „Das ist dann ein Vorfall, den es auch durchaus als kritisch zu beachten gilt. Aber dann hilft es, darauf zurückzublicken, was man bis dahin erreicht hat. Und sich klarzumachen, dass es keine Alternative ist, jetzt wieder weiterzurauchen.“

Anfangsschwierigkeiten hatten und haben nämlich auch andere. „Es ist legitim und normal, wenn man einen holprigen Start hat“, sagt auch Ilona Stark. Man müsse sich dann nur fragen: Tut mir das gut? Macht es mir Spaß? Für sich hat die Weissacherin diese Fragen mit einem Ja beantwortet, deswegen hat sie weitergemacht. Auch Brigitte Würfel findet es wichtig, nicht sofort aufzugeben. Oft brauche es eine Weile, bis sich ein Training automatisiere. In den ersten sechs bis acht Wochen müsse man sich besonders motivieren. „Da kann es auch helfen, andere Personen mitzunehmen“, erklärt Würfel. „Man muss zu sich selbst sagen: Ich mach das jetzt.“ Da helfe es, sich das gute Gefühl, das man nach dem Sport hat, vor Augen zu halten, wenn man sich schwer aufraffen kann. „Dann funktioniert das mit den Vorsätzen auch.“ Bei Ilona Stark hat sich die Regelmäßigkeit des Lauftreffs inzwischen so verfestigt, dass sie sagt: „Man vermisst was, wenn man mal nicht läuft.“

Ilona Stark hat sich einer Laufgruppe in Backnang angeschlossen. Sie ist am Laufen drangeblieben und hat beim Silvesterlauf die zehn Kilometer absolviert. Foto: T. Sellmaier

© Tobias Sellmaier

Ilona Stark hat sich einer Laufgruppe in Backnang angeschlossen. Sie ist am Laufen drangeblieben und hat beim Silvesterlauf die zehn Kilometer absolviert. Foto: T. Sellmaier

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Erstellt:
2. Januar 2020, 06:00 Uhr

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