Den Staat um Millionen betrogen

Anklage vor dem Landgericht: manipulierter Firmenverkauf zuungunsten des Backnanger Finanzamts.

Gericht setzt acht weitere Verhandlungstage an. Symbolfoto: Okan Akdeniz/Stock-Adobe

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Gericht setzt acht weitere Verhandlungstage an. Symbolfoto: Okan Akdeniz/Stock-Adobe

Von Bernd S. Winckler

AFFALTERBACH/BACKNANG. Ein Steuerberater, ein Unternehmer der Haushaltsgeräteindustrie und die Vorsitzende eines Unternehmens derselben Branche sitzen seit gestern auf der Anklagebank der 20. Großen Wirtschaftsstrafkammer am Stuttgarter Landgericht. Der Vorwurf: Steuerhinterziehung in Millionenhöhe durch gefälschte Angaben beim Verkauf eines Gewerbeobjekts und dessen Liegenschaften. Doch der Fall, um den es geht, liegt 16 Jahre zurück.

Das Angeklagtentrio ist weit zerstreut wohnhaft, der 66-jährige Hauptbeschuldigte hat seine Kanzlei im Landkreis Ludwigsburg, der mitangeklagte 36-jährige Unternehmer ist Geschäftsführer eines in Österreich, nahe der Grenze bei Salzburg, ansässigen Gewerbes, die 57-jährige Aufsichtsratsvorsitzende reist aus Scheffau, unweit von Kitzbühel, an. Die drei trafen sich an diesem Tag im Saal 153 des Stuttgarter Landgerichts mit den Verteidigern, die bereits am ersten Prozesstag den Versuch starten, die gewichtige Anklage ins Wanken zu bringen.

Worum geht es? Im Zentrum des Geschehens steht der Verkauf eines Unternehmens der Küchenindustrie mit Sitz im beschaulichen Haiterbach im Nordschwarzwald im Jahr 2006. Der hauptbeschuldigte Steuerberater soll damals diesen Verkauf steuerlich organisiert und dabei auch zusammen mit dem Interessenten – dem Mitangeklagten, Inhaber eines Unternehmens in Affalterbach, – den Entschluss gefasst haben, möglichst wenig oder am besten gar keine Steuern zu entrichten.

Die zu verkaufenden Anteile sollen laut Anklageschrift bei 65 Prozent gelegen haben. Den Wert des Objekts habe man dann papiermäßig so manipuliert, dass es ein sogenanntes steuerfreies Geschäft sei. Dazu habe man am 30. Juni 2007 vor einem österreichischen Notar die Beurkundung vorgenommen: den Verkauf der Immobilie für 20 Millionen Euro, ein Grundstück für 16 Millionen Euro und weitere Anteile für 30 Millionen Euro.

Zur Verschleierung der Preisbindungen habe man zwei verschiedene Gesellschaften dazwischengeschaltet. Das dafür zuständige Finanzamt Backnang habe dann durch die wissentlichen Falschangaben die Steuerlast im Steuerbescheid um 1,6 Millionen Euro gemindert – zu Unrecht, wie der Staatsanwalt vor den Stuttgarter Wirtschaftsrichtern meint. Den Fiskusschaden der Körperschafts- und Einkommenssteuer insgesamt beziffert die Anklagebehörde auf 19,22 Millionen Euro.

In einem zweiten Teil der Anklage geht es um den Verkauf der Grundstücke im gewerblichen Bereich und um deren Vermietungen, die nach Auffassung der Staatsanwaltschaft im Preis manipuliert worden seien, um auch hier den Fiskus zu betrügen. Wie hoch hier der Steuerschaden ist, will das Gericht auf dem Wege der Beweisaufnahme feststellen, ebenso die Wertermittlung der Objekte, die bisher im Auftrag der Anklagebehörde von Sachverständigen errechnet wurde. Erst dadurch habe die Steuerfahndung herausgefunden, dass Straftatbestände – jetzt laut Anklage: vierfache gemeinschaftliche Gewerbe- und Körperschaftssteuerhinterziehung in besonders schweren Fällen – verwirklicht sein sollen.

Die Verteidiger wettern an diesem ersten Verhandlungstag in Richtung Richtertisch: Die gutachterliche Preisberechnungen seien fehlerhaft, die Anklage sei daher falsch. Die Strafkammer lässt zudem durchblicken, dass man angesichts der langen Verfahrensdauer (16 Jahre) gegen Zahlung von Geldauflagen auch das Verfahren einstellen könnte. Ob es so weit kommt, ist fraglich, denn das Gericht hat acht weitere Verhandlungstage bis zum 23. Juli angeordnet.

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Erstellt:
11. Mai 2022, 06:00 Uhr

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