„Der Arbeitsaufwand war unbeschreiblich“
Straßenfestgeschichte(n) Ein halbes Jahrhundert lang prägen mit Klaus Erlekamm und Jürgen M. Häfner zwei Organisationstalente das Programm und den Ablauf des Backnanger Straßenfests und machten dies zu einer Marke, die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist.
Von Matthias Nothstein
Backnang. Bereits die erste Auflage des Backnanger Straßenfests im Jahr 1971 war ein großer Erfolg. Spätestens aber im zweiten Jahr strömten Tausende Besucher auch aus dem weiteren Umland in die Murrmetropole und legten so den Grundstein der Erfolgsgeschichte Straßenfest.
Doch dieser Erfolg stellte sich nicht von alleine ein, sondern war die Frucht harter Arbeit und vor allem kluger Organisation. Und genau diese Organisation wurde für die Verantwortlichen zur Mammutaufgabe, bei deren Bewältigung sich vor allem zwei Männer besondere Lorbeeren verdient haben: Klaus Erlekamm und Jürgen M. Häfner. Die beiden stemmten die Hauptlast der Organisationsverantwortung für die Straßenfeste von 1971 bis 2019, eine unvorstellbar lange Zeit.
Viele Meriten hat sich dabei Klaus Erlekamm erworben. Der heute 83-Jährige war damals Hauptamtsleiter der Stadt Backnang. Üblicherweise reicht dies allein schon aus, um eine 40-Stunden-Woche prächtig auszufüllen. Doch Erlekamm war zudem noch Beauftragter für die städtischen Partnerschaften und vieles mehr. Und dann kam auch noch Oberbürgermeister Martin Dietrich mit der Idee um die Ecke, ein neues Fest aus der Taufe heben zu wollen. Eines, das nicht den üblichen Maßstäben entspricht, sondern eines, das irgendwie besonders sein sollte. Vielleicht hat gekränkte Eitelkeit einen kleinen Beitrag dazu geleistet. Denn viele Oberbürgermeister anderer Städte luden die Backnanger Stadtoberen immer wieder zu ihren besonderen Feierlichkeiten ein. Gaildorf und Bietigheim etwa zu ihren traditionellen Pferdemärkten oder Markgröningen zum Schäferlauf. Nur Backnang konnte nichts Vergleichbares präsentieren.
Das sollte, das musste sich ändern. Für Dietrich war von Anfang an klar, wer diese Aufgabe stemmen kann: „Der Erlekamm macht das.“ Und der junge Mitarbeiter sollte seinen Chef nicht enttäuschen. Als Hans Dampf in allen Gassen wuppte er in den folgenden Jahren alle Anforderungen. Und die nahmen Jahr für Jahr zu. Doch Erlekamm ging die Arbeit schlau an und suchte und fand viele Mitstreiter. So etwa Gerhard Koch, der später Oberbürgermeister von Ostfildern wurde, oder Axel Becker, den damaligen Ordnungsamtsleiter. „Es ist kein Fehler, wenn man den Chef vom Ordnungsamt an seiner Seite weiß“, erklärt Erlekamm heute mit einem Augenzwinkern. Die Mitstreiter kannten sich alle bestens aus in Backnang und hatten gute Kontakte zu den lokalen Wirten und zur Polizei und zur Feuerwehr. Das war damals die halbe Miete. Zumal noch keine Subunternehmer oder gar Eventmanager mit im Boot waren. Und auch die Mitarbeiter im Hauptamt waren wochenlang für die Festvor- und -nachbereitung eingespannt. Das kam nicht bei allen gut an, schließlich galt für diese Wochen eine Urlaubssperre.
Im Rückblick verrät Erlekamm, dass es eigentlich nie einen Beschluss des Gemeinderats über die Ausrichtung des Straßenfests gab: „Das Fest wurde nie beschlossen. Wir haben mal einen Ausschuss informiert, dass wir ein großes Fest planen, aber das war’s dann auch.“ Der Gemeinderat hat den Machern in den ersten Jahren nicht reingeredet und hat die Sache eher von außen beobachtet. Wäre es in die Hosen gegangen, und die Gefahr war nach dem verregneten Auftakt sehr real, hätte die Verwaltung die gesamte Verantwortung übernehmen müssen. So aber wurde es zum Erfolg, in dem sich dann auch die Stadträte sonnten. „Später klopften sich viele selbst auf die Schultern und nannten sich Vater des Erfolgs“, so Erlekamms Fazit. In seinem Buch „Backnanger Straßenfest“ schreibt er aber: „Am Erfolgskonzept – ein buntes, fröhliches Fest für alle Generationen – haben viele Akteure, Vereine, Ehrenamtliche, Stadtoberhäupter, Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Veranstaltungsprofis mitgewirkt und dieses weiterentwickelt.“
Im Haushalt waren anfangs jedoch nur 15000 Mark als Mittel eingestellt. Es gab zwar noch andere Töpfe mit Sondermitteln, die allesamt angezapft wurden, aber viel war dies alles nicht. Die Haupteinnahmequellen waren letztendlich der Vergnügungspark und die Wirte.
Im Laufe der Jahre kamen zwar immer mehr Kollegen und Helfer dazu, aber auch immer mehr Aufgaben. Erlekamm kümmerte sich um vieles: „Egal, ob ein verloren gegangenes Kind oder eine Band, die im Stau feststeckte, alles lief bei mir zusammen. Und das alles ohne Handy. Wenn jemand mich brauchte, wurde ich per Lautsprecherdurchsage von der Marktplatzbühne ausgerufen, denn meistens war ich irgendwo unterwegs.“
Doch irgendwann war die Arbeit einfach nicht mehr zu bewältigen, auch nicht von einem gewachsenen Team. „Nach dem Arbeitsaufwand darf niemand fragen, der war unbeschreiblich.“ Überstunden sollten zwar als Freizeitausgleich abgegolten werden, „aber ich kam nie in den Genuss dieses Ausgleichs“. Erlekamm erinnert sich: „Plötzlich war Security ein Thema.“ 1991 wandte er sich erstmals an Jürgen M. Häfner. Anfangs nur wegen des Sicherheitspersonals. Seit 1996 lag die Organisation komplett in Häfners Händen. „Er war für mich als Organisationspartner unentbehrlich geworden“, sagt Erlekamm rückblickend. Häfner habe sich stets als Dienstleister bezeichnet, sei aber weitaus mehr gewesen. „Man hat sich auf ihn verlassen können“, weiß Erlekamm. Erst 2018 wurde Häfners Vertrag vom Gemeinderat einstimmig bis 2022 verlängert.
Das Straßenfest-Urgestein kümmerte sich in all den Jahren um das Bühnenprogramm, koordinierte die Auftritte der Vereine und suchte die Bands aus. Auch die Vergabe der Standplätze für Vereine und Gastronomen gehörte zu seinen Aufgaben. All dies und noch viel mehr erforderte eine monatelange Vorplanung. Über die drei Straßenfest-Tage und vier Nächte schien Jürgen M. Häfner fast immer vor Ort zu sein, im Organisationsbüro und in den Straßen und Gassen.
Nach Häfners überraschendem Tod Ende 2020 musste die Straßenfestorganisation komplett neu aufgestellt werden. Das Eventteam im städtischen Kulturamt mit Sanoj Abraham, Violeta Zobel und Lilli Büchele hat diese Aufgabe übernommen. Nun, nach der zweijährigen Coronapause, muss sich dieses Team bewähren. Die Messlatte liegt hoch, und die Erwartungen sind nach der langen Durststrecke riesig. Das Organisationsteam hat bereits angekündigt, es will den Charakter des traditionsreichen Fests bewahren, aber auch ein paar neue Akzente setzen. Alle sind gespannt.