Der „Diabolo“ musste vernichtet werden
Stuttgarter Landgericht prüft Motive der Beschuldigten zum gewaltsamen Tod einer 91-jährigen Heimbewohnerin in Großerlach
Von Bernd S. Winckler
GROSSERLACH. War der 62-jährigen Rentnerin eine solche Gewalttat zuzutrauen? Das Schwurgericht des Stuttgarter Landgerichts befragt im zweiten Verhandlungstag um den gewaltsamen Tod einer 91 Jahre alten Heimbewohnerin des Alexanderstifts in Großerlach Verwandte, Bekannte und andere Zeugen zu diesem Thema. Die 62-Jährige soll die 91-Jährige in einem Wahnzustand erschlagen und erstickt haben.
Im Spiel war offensichtlich der Teufel. Zumindest nach Auffassung der Angeklagten, die laut einem vorläufigen Gutachten die Tat am 5. Januar im Altenstift in Großerlach im Zustand einer paranoiden Psychose begangen haben soll. Sie will mit der Tötung der betagten Frau, die ein Stockwerk über ihr eine große Wohnung bewohnte, den „Diabolo“ besiegt haben.
Die Stuttgarter Richter interessieren in der nun begonnenen Beweisaufnahme vordergründig die Motive und das mögliche psychische Krankheitsbild der Beschuldigten. Die 62-Jährige soll laut den Ermittlungen sich Zutritt in die Wohnung des Opfers verschafft haben. Dort ging sie mit einem Brieföffner in das Gesicht des Opfers, verletzte sie schwer und erstickt sie dann, indem sie sich auf sie legte und ihr damit die Luft abschnitt (wir berichteten).
Die ehemalige Leiterin des Alexanderstifts in Großerlach, das früher als Flüchtlingsunterkunft diente, und auch der Sohn der Verstorbenen, wurden gestern im Zeugenstand befragt, ob das Opfer möglicherweise ebenfalls psychisch auffällig war. Die Angeklagte hatte nämlich am ersten Verhandlungstag ausgesagt, die 91-Jährige hätte ihr beim Eintreten in die Wohnung das Wort „Diabolo“ entgegengeschrien. Diesen „Teufel“ habe sie ihr dann tatsächlich im Körper der 91-Jährigen vermutet und ihn durch die Tötung der Frau vernichtet, wie sie sagte.
Doch keiner der Zeugen kann jetzt bestätigen, dass das Opfer das Wort benutzte. Die Ex-Leiterin sagt aus, die 91-Jährige, die im Jahre 2010 einzog, sei eine nette, friedliche und freundliche Mieterin im Stift gewesen, habe nie Streit mit jemanden gehabt. Das mit dem Diabolo glaubt sie nicht. Sie habe ihre Wohnung sauber und pfleglich behandelt. Die Heimleiterin wurde an jenem frühen Januarmorgen durch die Ereignisse aufgeschreckt. Sie sei in die obere Wohnung gegangen, um nachzusehen und sie habe im Halbdunkel etwas auf dem Boden liegen sehen. Dann sei sie wieder aus der Wohnung gegangen. Inzwischen war bereits die Polizei im Anmarsch. Sie selbst habe zunächst geglaubt, dass die 91-Jährige eines natürlichen Todes verstorben ist. Die Polizei fand im Schlafzimmer die blutüberströmte Leiche – und die Angeklagte sitzend auf einem Tisch.
Das Opfer schien unauffällig
und „geistig voll da“ zu sein
Die Wohnung selbst war in einem schlimmen Zustand. Die Beschuldigte hatte nach der Tat drinnen randaliert und Stühle und Gegenstände herumgeworfen und dann auf die Polizei und Feuerwehr gewartet. Die Beine ihres Opfers fixierte sie mit einer Kordel.
Der Sohn des Opfers konnte den Stuttgarter Richtern im Zeugenstand ebenso keinerlei Hinweise auf Auffälligkeiten seiner Mutter geben. Sie habe keine Hilfe benötigt, sei geistig voll da gewesen, was man auch bei Telefonaten mit ihr feststellte. Dass sie irgendwann einmal das Wort „Diabolo“ benutzt hätte, daran erinnert sich auch der Sohn nicht.
Hingegen ist die Beschuldigte mehrfach schon in psychiatrischer Weise aufgefallen. Mehrfache stationäre Behandlungen hat sie hinter sich. Sie ist auch heute noch überzeugt, dass die 91-Jährige den „Diabolo“ in sich hatte, der zur Gefahr für sie wurde. Die DDR-Stasi habe den Auftrag erteilt, ihre inneren Organe zu entnehmen. Das wusste man in dem Altenstift. Man wusste auch, dass sie zuweilen panikartige Dinge tat, einmal aus Angst in ein Hotel umzog und sich dort aus dem Fenster stürzte, mit der Folge schwerer Verletzungen. Dass sie aber aggressiv werde, jemanden direkt angreife, oder gar töten werde, daran hat nicht einmal ihr Ehemann gedacht, wie er sagt.
Der Prozess, in dem es vordergründig jetzt nur noch darum geht, ob die Beschuldigte in ihrem Wahnzustand eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt und daher in eine geschlossene Anstalt muss, wird am 13. Juli mit weiteren Zeugenbefragungen fortgesetzt.