Der Disco-Club Oberbrüden mischt die Dorfszene auf
Nachtleben in alten Zeiten (12) Vor 47 Jahren hob eine Gruppe junger Leute den Disco-Club Oberbrüden aus der Taufe. Die Initiatoren wollten im Dorf Freizeitangebote für die Jugend schaffen: vor allem Musik- und Tanzvergnügen, aber auch Aktionen wie Modenschau und Schlauchrennen.
Von Armin Fechter
Auenwald. Das denkwürdige Treffen, bei dem der DCO geboren wurde, fand am 12. November 1976 statt. Eine Liste der Gründungsmitglieder umfasst 13 Namen. Etliche waren noch keine 20 Jahre alt, geboren Ende der 50er oder ganz zu Anfang der 60er. Sie alle vereinte das Bedürfnis: „Wir wollten etwas für die Jugend machen – für uns“, wie Klemens Maier heute rückblickend erklärt. Denn Oberbrüden hatte damals noch einen ausgeprägt ländlichen Charakter, der Ort lag abseits, ganz am Rande der Backnanger Bucht und des Weissacher Tals. Angebote für die junge Generation? Mangelware. Alternativen? Im öffentlichen Nahverkehr herrschte Fehlanzeige. Wer etwa abends nach Backnang in eine Diskothek wollte, musste schon sehen, wie er wieder nach Hause zurückkam.
Mit dieser ziemlich tristen Situation wollten sich die 13 Aufrechten nicht zufriedengeben. Sie nahmen das Heft selbst in die Hand. Ein Glücksfall dabei: Mit Frieder Knorr, genannt Fürst, hatten sie einen etwas älteren und einschlägig erfahrenen Mitstreiter in ihren Reihen. Der heute 71-Jährige hatte nämlich schon davor zusammen mit einigen Jugendlichen den Beatschuppa in Oberbrüden gegründet und war selbst als DJ angetreten.
Eigener Raum im alten Schuppen, ausstaffiert mit Postern aus der Bravo
Anno 1968 war das eine aufregende, umwälzende Zeit, sowohl in musikalischer Hinsicht als auch gesellschaftlich und politisch. Die Clique richtete in einem alten Schuppen, den ihnen der Adlerwirt überlassen hatte, ihren eigenen Raum ein, staffierte ihn mit Postern aus der Bravo aus und feierte den Sound der späten 60er mit der Musik von Beatles, Lords und Herman’s Hermits. Nach zwei Jahren war aber Schluss mit lustig: Der Beatschuppa musste schließen, weil es Lärmbeschwerden gegeben hatte, die Gema ihre Ansprüche anmeldete und behördliche Auflagen – wie etwa sanitäre Anlagen – nicht zu erfüllen waren.
Die Mitgliedschaft war nicht gerade günstig
Doch der Same war gelegt, der Wunsch nach Räumen und Angeboten für die Jugend blieb bestehen. Diesen nahm der neu gegründete DCO dann auch explizit in seine Satzung auf: Man wollte Partys veranstalten mit dem Ziel einer freien Jugendarbeit. Mitmachen konnte jeder, „der nicht älter als 181 Jahre und jünger als 16 Jahre ist“ – so schrieben die Verantwortlichen damals im Mitteilungsblatt der Gemeinde. Wer sich zur Mitgliedschaft entschloss, durfte sich nicht lumpen lassen, denn der Club kassierte einen stattlichen Beitrag. Das Geld wurde vor allem benötigt, um das Equipment in Schuss zu halten und die neuesten Schallplatten zu kaufen. Die waren teuer: Eine Single kostete beim Burgel in Backnang immerhin fünf Mark. Erster Vorsitzender war Frieder Knorr, auf ihn folgte Markus Hägele, der bis heute im Amt ist.
Um die Discoausstattung kümmerten sich die Clubmitglieder, so weit es ging, selbst. Selbst gemacht waren auch die Plakate. Handzettel wurden per Matrizendruck vervielfältigt und – mit dem starken Duft von Spiritus – verteilt. Für die Technik zuständig war von Anfang an Harald Krauß, der bei Telefunken lernte und arbeitete. Er tüftelte, baute und stöpselte alles zusammen, was mit Strom funktionieren sollte: Verstärker, Lichtorgel, Stroboskop. „Beim Aufbau“, so erzählen die Macher, „haben wir als Erstes den Lötkolben angesteckt. Irgendwas ist immer passiert.“ Das erste Mikrofon erwarb Krauß in Stuttgart, später wurden noch ein Mischpult und Verstärker mit 2x45 Watt beschafft – „mehr war nicht erschwinglich“.
Tanzabende im Rössle oder verschiedenen Vereinsheimen
Die Tanztreffs fanden an unterschiedlichen Orten statt. Anfangs war der DCO häufig im Adler zu Gast. Dort gab es sogar eine Kellerbar in einem echten ehemaligen Keller. Der war gerade mal 1,60 Meter hoch. Aber er war cool. Maier: „Da war’s immer rappelvoll.“ Auch im Rössle gab es Tanzabende, ebenso in verschiedenen Vereinsheimen. Hinzu kamen in den 80ern vielfältige Aktionen und Wettbewerbe: Orientierungsfahrten mit dem Auto, die „Triathlons“, unter anderem mit Disziplinen wie Bogenschießen, Kegeln, Darts oder Squash – vieles davon auswärts – , sowie Mehrtagesausflüge, Zelten, Wandern.
Der DCO organisierte sogar an dem Hang bei Oberbrüden, am Bürgerwald, an dem in den 60ern einmal ein Skilift stand, ein Schlauchrennen. Er bot aber auch eine Bühne für den Musiknachwuchs: Junge Bands konnten sich bewerben und sonntagnachmittags im Sportheim rocken. Und an die Discoabende schloss sich tags darauf oft ein Disconachmittag für die Kids an.
Wenn Bands kamen, die live auftraten, wechselte der DCO in die Auenwaldhalle
Früh erwachte auch der Wunsch, Livebands zu holen, Künstler, die ein größeres Publikum anziehen würden. Für solche Veranstaltungen wechselte der DCO in die Auenwaldhalle. Da wurde dann etwa ein Gastspiel von Purple Sun mit einer Modenschau kombiniert. Die Band Pur legte 1988 einen unvergessenen Auftritt hin, zu dem 900 Besucher kamen. Ein Jahr später boten sich die Musiker noch einmal für ein Engagement in Auenwald an, doch der DCO lehnte ab: Man wollte lieber wechselnde Bands zu Gast haben. Ironie der Geschichte: Als der DCO 1991 wieder bei Pur anfragte, lehnte deren Management dankend ab. Die Shatters waren zu Gast in der Halle, Stoned, Outsider, Hank Häberle und auch Little Big John Russel. Seinen Auftritt begleiteten diverse Pannen. Der Musiker aus den Niederlanden hatte nämlich, wie sich herausstellen sollte, keine eigene Anlage dabei und er fand auch die Halle nicht. Ein Suchtrupp vom DCO entdeckte seinen Truck dann in Backnang in der Weissacher Straße bei der damaligen Firma Klenk. Als er schließlich mit einstündiger Verspätung eintraf, hatte er erst mal einen Bärenhunger und verlangte nach zwei Brathähnchen, aber zwei ganzen. Und erst dann kletterte er auf die Bühne, um das wegen der Verzögerung verärgerte Publikum doch noch mitzureißen. Bei einer anderen Veranstaltung hatte der DCO Besuch von einer großen Rockergruppe. Wüste Drohungen wurden ausgestoßen, passiert ist aber letztlich doch nichts. Die brenzlige Situation führte jedoch dazu, dass die nächsten Events unter Polizeischutz standen.
Engagements für Discos anderer Veranstalter
Mit den Jahren erwarb sich der Club – nicht zuletzt dank seiner eigenen DJs wie Frieder Knorr, „Grabbe“ Hans-Peter Grabmeier, „Wusch“ Wolfgang Steffen, Rudi Seibert oder Jörg Hippauf – in der Region ein gewisses Renommee: Der DCO wurde engagiert, um Discos für andere Veranstalter zu bieten, so beim Industriestraßentreff in Backnang, bei einem Oldieabend in der Bierakademie oder in einem Keller in Rottmannsberg bei der Nacht der offenen Keller und Scheunen in Auenwald.
Zuletzt organisierte der DCO mehrmals Benefizdiscos, beispielsweise mit den Alte-Grube-Partys. Insgesamt kamen dabei laut Klemens Maier rund 25000 Euro an Spendengeldern zusammen, die unter anderem an die Kinder- und Jugendhospizdienste Pusteblume und Sternentraum gingen. Und die Besucher kamen von überall her – anfangs aus Oberbrüden, aber bald auch aus dem ganzen Weissacher Tal, aus Sechselberg, Oppenweiler, Murrhardt und Backnang, sogar mit Schlepper aus Steinbach. Bei aller Improvisation und handgestrickten Machart – die DCO-Aktiven sind sich sicher: „Der DCO hat das Nachtleben in Oberbrüden grundlegend verändert.“
Infos und Fotos erwünscht Für unsere nächsten Folgen, die sich Lokalen wie Onkel Toms Hütte und Casa Carmen (Deutscher Kaiser) sowie Diskotheken wie Gerberstube, Living und Old Dad widmen, suchen wir noch Fotos und Anekdoten. Schreiben Sie uns per E-Mail an redaktion@bkz.de.