Theater Rietenau: Aufführung steht kurz bevor

Es wird fleißig geprobt für das Freilichttheater unter Bäumen vom 22. bis 24. Juli. Das Theater Rietenau lädt zu einem kurzweiligen und nachdenklich machenden Stück ein, gespielt von einem bunt gemischten Ensemble.

Kostüme und Requisiten versetzen die Zuschauer zurück in die Nachkriegszeit. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Kostüme und Requisiten versetzen die Zuschauer zurück in die Nachkriegszeit. Fotos: Alexander Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

Aspach. Wir schreiben das Jahr 1949. Gerade vier Jahre ist das Kriegsende her, man hat sich an den Wiederaufbau gemacht, auch im beschaulichen Bad Rietenau. Wobei sich auch hier so einiges verändert hat. Das Bauernmädchen, das immer raus wollte und in der Stadt eine gute Partie gemacht hat, hat durch den Zusammenbruch des Dritten Reiches alles verloren und ist wieder da gelandet, wo es hergekommen ist. Eine Kriegswitwe hat gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen. Eine junge Frau glaubt immer noch an die Rückkehr ihres vermissten Verlobten. Manch einer macht sich Sorgen um seine Zukunft, da die politische Gesinnung noch nicht offiziell reingewaschen ist. Und Fremde sind hier, Flüchtlinge wurden einquartiert, „der Ami“ bringt Neues, Musik, Hoffnung auf einen neuen Anfang.

Das ist die Ausgangssituation der Tragikomödie mit Musik „Hurra, wir leben!“, des neuen Stücks des Theaters Rietenau von Lea Butsch. Schon vor zwei Jahren war die Aufführung geplant gewesen, passend zum Zehn-Jahr-Jubiläum der Theatergruppe. Pandemiebedingt hatte man verschieben müssen und nun, endlich, ist es so weit – vom 22. bis 24. Juli kann sich der geneigte Zuschauer zurückversetzen lassen in eine Zeit, die so manche Parallelen mit dem aktuellen Zeitgeschehen aufweist und so zum Nachdenken anregt, wenn dabei auch der Humor nicht zu kurz kommt.

Unter freiem Himmel steht die Bühne im großen Garten

Ein romantisches Ambiente mit großen Bäumen, dem Garten, der Scheune: „Es war schon vorher angedacht, dass es hier stattfindet“, sagt Lea Butsch, die gemeinsam mit ihrem Mann Rolf Butsch Regie führt, „weil der Hof so wunderbar ist.“ Bis zu 180 Leute könnten hier Platz finden und das, ohne sich zu nahe zu kommen. Gerade wird geprobt, Klara (Bärbel Hesser) berichtet ihren Freundinnen von einer tollen Geschäftsidee – sie und die Flüchtlingsfrau Rosa (Carina Weirather) könnten doch eine Schneiderei aufmachen? Nein, einen Modesalon, findet Fräulein Föll (Gerlinde Meyer), das klingt doch so viel mondäner. Kleine Patzer werden souverän und schlagfertig überspielt.

„Es sind noch so viele Trümmer da, und auf diesen Trümmern kann man noch nicht so richtig tanzen“, spielt Lea Butsch auf den Höhepunkt des Stückes an, den großen Ball. Das erste Fest nach dem Krieg, das ein Zeichen setzen soll, dass es nun wieder aufwärts geht. Und das Klara und Rosa natürlich gleich Geschäft beschert durch die schönen neuen Kleider, in denen die Frauen endlich wieder wie Frauen aussehen dürfen nach der langen Zeit der Entbehrung.

Der Jüngste ist acht, der Älteste über 70 Jahre alt

Ein bunt gemischtes Ensemble ist mit Herzblut dabei, der Jüngste ist acht, der Älteste über 70 Jahre alt. Seit März ist man nun am Proben, mit manchen Hindernissen, aber nun hat das Stück doch Gestalt angenommen. Der Text sitzt (meistens zumindest, ein bisschen Zeit ist ja noch), Kritik und Anregungen werden wohlwollend angenommen und nach Möglichkeit gleich umgesetzt. Dabei bringt sich die ganze Truppe ein. Die beiden Hauskater schleichen um die Darsteller herum und beobachten sehr interessiert, was an diesem Abend so alles passiert.

Nicht nur die Kostüme wirken authentisch. So rührt Marianne (Simone Kirschbaum), die an ihren vermissten Georg denkt, einen echten Hefeteig, Susanna (Gabi Gruber) mahlt mit der Handkaffeemühle, die Tochter des Badwirts schiebt ein Fahrrad, das durchaus aus den 40er-Jahren sein könnte. Als Kaffee ausgeschenkt wird, kommt der Hinweis der Regie: „Das ist echter Bohnenkaffee!“ Nach Kriegsjahren voller Entbehrung ein fast frivoler Luxus. Entsprechend entzückt genießt die Damenrunde das heiße Getränk.

Zahlreiche beispielhafte Charaktere treffen hier aufeinander. Da gibt es zum einen Jakob (Rolf Butsch), den Briefträger, der mahnt, die Vergangenheit nicht zu vergessen: „Es gibt keine Zukunft ohne Vergangenheit.“ Der junge Kriegsversehrte Otto (Gottfried Schlichenmaier) will damit nichts mehr zu tun haben: „Für was soll das alles gut gewesen sein?“ Nun gelte es, nach vorne zu schauen. Der Flüchtling Oskar (Thomas Weber), mit seinem Sohn bei Klara einquartiert, fühlt sich mittlerweile heimisch im Flecken Rietenau: „Es gibt nicht viele, die es mit uns Flüchtlingen gut meinen“, zeigt er sich dankbar.

Für einige Überraschungen wird in dem Stück gesorgt

Und die Frauen emanzipieren sich, mussten sie doch in den letzten Jahren oft allein durchkommen. Und sich einfach verheiraten lassen, nur damit der Bruder seinen Persilschein bekommt? Mitnichten. Ob nun der erste Nachkriegsball in Bad Rietenau die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt? Festigen sich die zarten Bande zwischen Flüchtlingsfrau Rosa und Pächter Ludwig? Kann Marianne ihren Georg nach jahrelangem Warten endlich in die Arme schließen? Und wer wird wohl Rietenaus erste Quellenfee? Mit manchen Überraschungen wartet das Stück auf. Ein kurzweiliger Abend unter rauschenden Blätterkronen ist dem Theaterfreund auf jeden Fall gewiss. Für alle Vorstellungen sind Restkarten erhältlich.

Lea Butsch führt gemeinsam mit ihrem Mann Rolf Butsch Regie.

© Alexander Becher

Lea Butsch führt gemeinsam mit ihrem Mann Rolf Butsch Regie.

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Erstellt:
14. Juli 2022, 06:00 Uhr

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