Der Kreis will mehr Plätze für Flüchtlinge schaffen
Die Kapazitäten reichen angesichts der vielen Zuweisungen nicht aus. Bei der Finanzierung gibt es noch einige Unwägbarkeiten.
Von Lorena Greppo
Rems-Murr. „Wir stecken mitten in einer neuen Flüchtlingskrise“, stellte Frank Schneider, Leiter des Ausländeramts im Rems-Murr-Kreis fest. In der gestrigen Sitzung des Sozialausschusses stellte er die aktuellen Entwicklungen und finanziellen Auswirkungen der Flüchtlingsunterbringung im Kreis vor. Die Quintessenz seines Vortrags war schon im Vorfeld oftmals angeprangert worden: Die Kapazitäten sind weitgehend ausgereizt, angesichts steigender Flüchtlingszahlen kommen die Kommunen an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Kritik richteten Schneider wie auch Landrat Richard Sigel hierbei an das Land. „Der Abbauzwang 2018 /19 war kurzsichtig“, so der Amtsleiter. Dieser dürfe sich auf keinen Fall wiederholen. „Wir haben Signale empfangen, dass man das beim Land auch verstanden hat.“ Anfang des Jahres standen im Kreis nur noch knapp 1200 Plätze zu Verfügung. Diese habe man zwar inzwischen verdoppeln können, die Zielplanung für das kommende gehe aber eher gegen 5000. Aktuell betreibt der Kreis 24 Gemeinschaftsunterkünfte, die Planung für das kommende Jahr sehe 30 plus vor – immer vorausgesetzt, die Entwicklungen nehmen keine dramatische Wende. „Wir stellen uns auf alle Szenarien ein, erklärte Schneider.
Zeltunterkünfte sind noch nicht belegt
Dadurch, dass Schutzsuchende aus der Ukraine seit August direkt in die Landkreise weitergeleitet werden können, seien diese ad hoc vor die Problematik gestellt worden, die Kapazitäten schnell und erheblich zu erweitern. Waren es zuvor weniger als 300 Zuweisungen im Monat, kamen in den Monaten seitdem bis zu 740. Die Kommunen hätten das mit Bravour gestemmt. Diese wiederum seien mit der Situation „komplett unzufrieden“, wie Kreisrat und Bürgermeister Oppenweilers Bernhard Bühler zu Wort gab. Er bemängelte unzulängliche gesetzliche Vorgaben, hohe Kosten – auch durch die voraussichtlich beträchtlich steigende Kreisumlage – sowie die Perspektive „für den Papierkorb zu arbeiten“. Vom Landrat erntete er Verständnis. Sigel zeigte sich dahingehend erfreut, dass bislang die Notunterkünfte – also etwa die Zeltunterkunft in Backnang – nicht belegt werden mussten. Das sei auch weiterhin das Ziel. Zu diesem Zweck prüfe der Kreis das Anmieten privater Bestandsobjekte. Auch versicherte Sigel: „Wir stellen keinen Bus voller Menschen vor das Rathaus, wenn wir wissen, in dieser Kommune gibt es keine Plätze.“
Allerdings, führte Schneider aus, gebe es in Sachen Finanzen noch die eine oder andere „mangelhafte Situation“. So fordere die Kreisverwaltung etwa eine Erstattung der erhöhten Kosten für die Leistungen gemäß des Sozialgesetzbuches. Die Erstattung von Land und Bund sei nicht auskömmlich. Darüber hinaus wird eine langfristige und verlässliche Refinanzierung gefordert. Sigel brachte dafür ein Beispiel: Der Kreis mietet nun Liegenschaften an, mit Vertragslaufzeiten von mehr als einem Jahr. Nun endet aber – rein hypothetisch – der Krieg in der Ukraine, und innerhalb weniger Monate machen sich viele Flüchtlinge auf den Weg zurück in ihre Heimat. „Wer zahlt dann?“, fragte Sigel. Die Einführung einer modifizierten Pauschale, wie sie ab 2025 vorgesehen ist, befriedigt die Kreisverwaltung nicht. Denn: In der Metropolregion Stuttgart sind die Preise ganz andere als in ländlicheren Gefilden.
Eine gute Nachricht hatte Schneider aber parat: „Nach jahrelangen Forderungen der Kreise will das Land nun endlich mehr Personal in den vorläufigen Unterkünften finanzieren. Wir begrüßen das.“ Konkret werde der Schlüssel von 1 zu 110 auf 1 zu 90 verbessert. Bei der aktuellen Belegung entspräche das drei Vollzeitäquivalenten. Dadurch erhoffe man sich eine Qualitätssteigerung bei der Sozialbetreuung. Allerdings müsse der Kreis hierbei mit 220000 Euro in Vorleistung gehen. Für eine entsprechende Vertragsänderung mit den freien Trägern gab der Ausschuss grünes Licht.
Die Aufwendungen für die Flüchtlingsunterbringung bezifferte Schneider mit 30,25 Millionen Euro im kommenden Jahr. Das käme einer Verringerung der Kosten um gut fünf Millionen Euro gleich. Ob der Plansatz sich aber bewahrheitet, bleibe abzuwarten.