Der Mann der Stunde
VfB-Stürmer Nick Woltemade rückt zunehmend in den Fokus der A-Nationalelf und anderer Vereine.

© //Claus, Baumann
Drei Tore in einem Spiel: Nick Woltemade, zuletzt auch schon für den VfB Stuttgart regelmäßig treffsicher, setzt seinen guten Lauf im U-21-Nationaltrikot fort.
Von David Scheu
Stuttgart - Wenn selbst die ungewohnten Dinge gelingen, ist das in aller Regel ein gutes Indiz für einen besonderen Tag. Nick Woltemade rundete seinen Auftritt für die deutsche U-21-Nationalelf mit einer ebensolchen überraschenden Aktion ab: einem Kopfballtor. Für eine ausgeprägte Lufthoheit ist der Stürmer des Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart trotz seiner fast zwei Meter Körpergröße ja eigentlich nicht bekannt, im Testspiel gegen Spanien aber schraubte er sich wie selbstverständlich in die Höhe und nickte zum 3:1-Endstand ein – mit schmunzelnden Grüßen im Anschluss an Trainer Antonio Di Salvo: „Der Toni sagt immer, ich kann nicht köpfen.“
Nun hat Woltemade das Gegenteil bewiesen – und nicht nur das: Das Tor markierte den Schlusspunkt eines Glanztags für den Stuttgarter Profi, der alle drei Treffer für seine Mannschaft erzielte und dabei aus einer namhaft besetzten Elf um die Mainzer Stammkraft Paul Nebel oder England-Profi Brajan Gruda (Brighton & Hove Albion) herausragte. Als „mit Abstand besten Mann auf dem Platz“ lobte ihn der frühere Stuttgarter Spieler und Trainer Markus Babbel als Experte im TV in Sat 1 und ergänzte noch: „Das hat wirklich alles Hand und Fuß, was er macht. Das ist schon bemerkenswert.“
Das Ausrufezeichen gegen Spanien fügte sich dabei nahtlos in eine Reihe starker Auftritte ein, mit denen Woltemade zuletzt beim VfB für Aufsehen gesorgt hat. Einerseits. Auf der anderen Seite zeigten gerade die Tore auch Entwicklungsschritte und ein erweitertes Repertoire des großgewachsenen Angreifers. Weniger der erste Treffer – der war durchaus typisch für den ballgewandten 23-Jährigen, der erst seinen Gegenspieler tunnelte und dann den Ball über den Torhüter chippte.
Die anderen beiden Tore aber – ein schmuckloser Abschluss aus der Drehung und der besagte Kopfballtreffer – hatte man so noch nicht allzu oft von Woltemade gesehen. „Die Tore zwei und drei freuen mich noch mehr als das erste“, betonte der 23-Jährige auch nach Spielende. Weshalb? „Es sind typische Stürmertore. Ich habe viel daran gearbeitet beim VfB, dass ich in die Räume komme, in denen Tore passieren.“
Die richtige Positionierung war ein großes Thema für den Stuttgarter Stürmer in den vergangenen Monaten. Genauer: die Suche nach dem passenden Mix – um sich einerseits immer wieder nach hinten fallen zu lassen und ins Spiel eingebunden zu sein, zugleich aber auch regelmäßig in die Mittelstürmerposition nach vorne zu stoßen. Genau dieses Wechselspiel ist anderenorts beim Star-Stürmer des FC Bayern Woche für Woche zu beobachten, auch Nick Woltemade tut das: „Ich habe mir viel bei Harry Kane abgeschaut. Da kann man als Stürmer viel sehen.“
Die Schlagworte Kane und Bayern waren zuletzt ohnehin häufiger in einem Atemzug mit Woltemades Namen zu hören. Die Münchner beobachten die Entwicklung des Stuttgarters, der im direkten Aufeinandertreffen Ende Februar Eindruck gemacht hatte und perspektivisch für die Rolle als zweiter Stürmer neben Harry Kane in Frage kommen könnte. Aber: Woltemade ist vertraglich langfristig (bis 2028) und ohne Ausstiegsklausel an den VfB gebunden – und fühlt sich vor allem pudelwohl in Stuttgart, wo seine Karriere einen großen Schub erhalten hat. „Die Entwicklung ist sehr schnell gegangen“, sagt der Angreifer, der vor der Saison ablösefrei von Werder Bremen gekommen war. „Ich habe aber auch viel dafür getan und viel Vertrauen von den VfB-Verantwortlichen bekommen. Sie haben es mir leicht gemacht.“
Auch im Fokus der deutschen A-Nationalelf steht Woltemade inzwischen. Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte schon im Vorfeld der Viertelfinal-Spiele in der Nations League gegen Italien über eine Nominierung Woltemades nachgedacht, nun steht im Juni das Final Four an. Zugleich aber wartet auf die U 21 die Europameisterschaft, die der Stuttgarter fest im Blick hat: „Ich will sehr gerne die U-21-EM spielen. Ich habe jetzt zwei Jahre in der Truppe hier mitgespielt. Die macht unglaublich Spaß und hat mir auch geholfen in schlechteren Zeiten, in denen ich im Verein nicht so viel gespielt habe“, sagt der 23-Jährige, der noch zu Beginn dieser Saison eine Nebenrolle beim VfB gehabt hatte und nicht für die Champions League nominiert worden war.
Das wäre inzwischen sicher anders, Woltemade steht auf Vereins- wie Verbandsebene im Blickfeld. Ein Hintertürchen hat er dabei schon ausgemacht für die kommenden Länderspiele: den Terminkalender. Das Finale der Nations League steigt am 8. Juni, die U-21-EM startet für die deutsche Mannschaft am 12. Juni mit dem Spiel gegen Slowenien. „Es ist ja auch beides möglich“, sagt Woltemade, um selbstbewusst zu ergänzen: „Ich habe auch genug Power dafür.“