Der Möchtegern-Polizist vor dem Amtsgericht

Mobbing gegen 73-jährige Mieterin – Verfahren wegen Amtsanmaßung gegen 51-jährigen Küchengehilfen aus Backnang eingestellt

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Es gibt Verhandlungen vor dem Amtsgericht, da liegt am Ende nicht alles fein säuberlich seziert auf dem Tisch: Der ist schuldig, jener ist freizusprechen. Vielmehr bleibt die Verworrenheit des Geschehens, ja die Unverständlichkeit menschlichen Verhaltens.

Eine ehemalige kaufmännische Angestellte wohnt in einem Mehrfamilienhaus in Auenwald. Seit ihrem Einzug stehen noch immer einige Umzugskisten da, die darauf warten, geleert zu werden. Andere im Haus machen sich ihren eigenen Reim darauf. Von Anfang an ist scheinbar das Verhältnis der heute 73-jährigen Mieterin zu ihrem Vermieter nicht das beste. Ob die Mieterin die zum Haus gehörende Terrasse benutzen dürfe, ist strittig. Zudem behauptet sie, der Vermieter habe sich einmal während ihrer Abwesenheit Zugang zu ihrer Wohnung verschafft und neugierig besagte Umzugskisten inspiziert. Danach habe sie das Schloss der Wohnungstür austauschen lassen.

Ein Januartag dieses Jahres ist Hintergrund für eine neue Eskalationsstufe. Ein 51-jähriger Küchengehilfe aus Backnang sieht sich zusammen mit seinem Sohn und dem Vermieter eine in dem Haus zur Verfügung stehende Wohnung an. Schnell ist klar, dass dem Küchengehilfen besagte Wohnung nicht zusagt. Aber sie finden einen Fußball und fangen an zu kicken. Besagte Terrasse wird auch zum Spielfeld. So mancher Schuss trifft den Rollladenkasten der Wohnung besagter Mieterin im Keller.

Die 73-Jährige freilich lässt sich das nicht gefallen und konfrontiert die Herren mit der Frage, was denn das solle. Da erweist sich der Küchengehilfe als gut unterrichtet. Er spricht die Dame auf ihre Umzugskartons an. Ob er die Kartons nicht mal inspizieren dürfe, bringt er vor und drängt bei der Dame in die Wohnung. Diese will sich solche Unverfrorenheit nicht gefallen lassen und stößt den Neugierigen mit einem Ellbogencheck zurück. Dazu nimmt sie ihr Handy zur Hand, um die Sache mit Fotos festzuhalten. Der Küchengehilfe, nicht verlegen, versucht, der Dame das Handy wegzunehmen. Die droht, die Polizei zu rufen. Worauf dieser schlagfertig antwortet, das sei gar nicht nötig, er sei ja von der Polizei. Davon lässt sich wiederum die Mieterin nicht beeindrucken. Ihr gelingt es, den Aufdringlichen zurückzustoßen und die Tür zu schließen. Worauf dieser lautstark vor der Wohnungstür der Dame den durch die Ellbogenstöße Verletzten mimt. Die anderen beiden Herren quittieren diese Vorstellung mit Lachen.

Die Seniorin erstattet Anzeige. Und erzählt der Polizei ihre Geschichte. Daraus wird ein Strafbefehl für den Küchengehilfen. Denn schließlich ist er ja kein Polizist. Amtsanmaßung lautet der Vorwurf. Der so Beschuldigte lässt das nicht auf sich sitzen, nimmt sich einen Rechtsanwalt und legt Widerspruch ein. So traf man sich nun vor dem Amtsgericht.

Der Beschuldigte erzählt: Ja, sie hätten Ball gespielt. Der Ball sei da auch auf die Terrasse geflogen, und auch gegen die Hauswand. Die Mieterin sei dann gleich resolut aufgetreten und habe ihn am Hals gepackt. Dass er gesagt habe, dass er Polizist sei, leugnet er.

Die Betroffene wird als Zeugin gehört. Richter und Staatsanwalt hören die andere Version der Geschichte. Der Richter bittet den Rechtsanwalt und den Staatsanwalt zur Sachstandserörterung. Darauf spricht der Rechtsanwalt nochmals mit seinem Mandanten.

Schließlich wird der Vermieter noch in den Zeugenstand gerufen. Jedoch nicht, um nochmals eine neue Version des Geschehens zu hören, sondern um ihm mahnende Worte zuteilwerden zu lassen. Ist es doch nicht von der Hand zu weisen, dass er bei dem ganzen Geschehen auch seine Finger mit im Spiel hatte.

Zum Artikel

Erstellt:
27. Juli 2018, 11:50 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen