Der Pleitegeier kreist immer seltener
Immer weniger Firmen im Rems-Murr-Kreis sind von Insolvenzen betroffen

Symbolfoto
Von Teja Banzhaf
WAIBLINGEN. Die Wirtschaft floriert, die Binnennachfrage brummt, aber trotzdem überlebte nicht jeder im Wettbewerb: In Baden-Württemberg gab’s mehr Firmenpleiten, deutschlandweit ging die Zahl der Firmeninsolvenzen im achten Jahr in Folge zurück. Auch im Rems-Murr-Kreis ist die Tendenz rückläufig. Hier notierten die Gerichte bis Ende 2018 insgesamt 78 Insolvenzanträge. Ein Jahr zuvor waren es noch 79 gewesen. Die schlechte Nachricht für die Gläubiger der Unternehmen, die bis zum Jahreswechsel 2018/ 2019 ihre Zahlungsunfähigkeit feststellen ließen: Insgesamt hatten sie festgestellte Forderungen von 29,5 Millionen Euro gegen die Insolventen. Geld, das wohl größtenteils verloren ist. Denn bevor Geld verteilt werden kann, muss welches da sein, und wär’s reichlich da, gäbe es keinen Grund für eine Insolvenz.
Auf Landesebene ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen zuletzt um 43 gestiegen. In Baden-Württemberg meldeten 1945 Unternehmen und Unternehmer Insolvenz an. Bei 616 davon klappten die Insolvenzrichter den Aktendeckel aber rasch wieder zu: Diese Verfahren wurden mangels Masse abgewiesen. Im Rems-Murr-Kreis betraf das 22 Unternehmen. „Mangels Masse‘‘ heißt es im Amtsdeutsch, wenn nicht genug Geld da ist, um die voraussichtlichen Kosten des Verfahrens zu bezahlen, denn die Insolvenzrichter und Insolvenzverwalter arbeiten nicht zum Nulltarif. Bei 56 Unternehmen im Rems-Murr-Kreis wurde das Verfahren schließlich eingeleitet, es kam also zur „geordneten Insolvenz‘‘. Überprüft wird in diesem Verfahren im Wesentlichen, ob „Zahlungsunfähigkeit‘‘ und/ oder „Überschuldung‘‘ vorliegt. Laut Gesetz ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.
Ende 2018 waren 350 Arbeitsplätze von Insolvenzverfahren betroffen
Eine Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Dabei spielt immer auch eine Rolle, wie groß der Schaden für die Gläubiger ist, denn häufig kommt es durch hohe Insolvenzschäden zu Folgepleiten. Landesweit geht es bei den Verbindlichkeiten der betroffenen Firmen um fast 2,2 Milliarden Euro (Vorjahr: 1,8 Milliarden). Die Insolventen im Kreis sind daran mit 29,5 Millionen Euro (Vorjahr: 65,9 Millionen) beteiligt. Das sind also im Vergleich 36,408 Millionen Euro weniger Forderungen als im Vorjahr, was für die Wirtschaft bereits als gute Nachricht zählt.
Die Existenzen von Unternehmen, Unternehmern und Selbstständigen sowie die Verluste für die Gläubiger sind aber nur eine Seite der Medaille. Die andere sind die Arbeitsplätze und Existenzen von Beschäftigten. Im Rems-Murr-Kreis waren bis Ende 2018 insgesamt 350 Arbeitsplätze von Insolvenzverfahren betroffen, 270 weniger als im Jahr davor. Landesweit betraf es knapp 14500 Beschäftigte (Vorjahr: rund 13600). Die Lohnforderungen, die vor Verfahrenseröffnung bestanden, sind dabei auch in den vorgenannten Insolvenzforderungen enthalten. Das heißt, eigentlich steht den 350 insolvenzbetroffenen Beschäftigten nur der gleiche Anteil wie den anderen Gläubigern aus der Insolvenzmasse zu. Indes: Da gibt es für Arbeitnehmer doch so eine Art „Rettungsschirm‘‘, den ja sonst immer die Banken haben: das Insolvenzgeld. Das Insolvenzgeld wird auf Antrag der Arbeitnehmer, die von einer Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffen sind, von der Agentur für Arbeit bezahlt. Ausgeglichen wird der insolvenzbedingte Lohnausfall für höchstens drei Monate. Geld gibt es bei einem Insolvenzverfahren aber auch bei der Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse.
Und selbst wenn der zahlungsunfähige Arbeitgeber nicht von einer Krise gebeutelt wurde, sondern seine Schäfchen in der Karibik ins Sonnige gebracht und das Weite gesucht hat, gibt’s die drei Netto-Monatslöhne – nicht mehr, aber immerhin steuerfrei.