Der Rotmilan bedeutet meist das Aus
Windkraftanlagen sieht man nicht viele im Rems-Murr-Kreis. Nur an zwei Standorten im Kreisgebiet drehen sich die Rotoren und erzeugen Strom. Wir haben mit Akteuren der Energieerzeugung gesprochen, warum sich die Windräder so rar machen, und Kreispolitiker dazu befragt.
Von Bernhard Romanowski
Rems-Murr. An der Windkrafttechnologie scheiden sich oft die Geister. Die einen sprechen von der „Verspargelung der Landschaft“ und sehen sich schon von einem ungebremsten Auswuchs an Windmühlen umzingelt. Andere wiederum betrachten die Windräder als eine notwendige Brückentechnologie, deren Anlagen quasi rückstandslos abgebaut werden können, wenn dereinst eine bessere Technologie zum Tragen kommen sollte. Nicht zuletzt Extremwetter mit zerstörerischem Hochwasser im Westen Deutschlands und verheerenden Bränden im Süden Europas haben die Diskussion um Alternativen in der Energiegewinnung nun erneut angefacht.
Wie viele Windkraftanlagen gibt es aktuell im Rems-Murr-Kreis und wo befinden sie sich, haben wir deshalb das Landratsamt in Waiblingen gefragt. „In unserem Kreis stehen aktuell vier Anlagen. Eine davon steht in Welzheim und wird von der Firma Bürgerwind Welzheim betrieben. Sie hat eine Höhe von 97 Metern und bringt eine Leistung von einem Megawatt. Drei Anlagen stehen in Winterbach. Sie werden von der EnBW betrieben“, teilt die Kreisverwaltung dazu mit.
Letztere drei Windräder haben eine Nabenhöhe von 164 Metern, der Rotordurchmesser beträgt 131 Meter, wie die Nachfrage beim Energieversorger EnBW ergibt. Mit jeweils 3,3 Megawatt installierter Leistung produzieren sie als Windpark Goldboden jährlich eine Energiemenge, die rein rechnerisch zur Versorgung von rund 7200 Haushalten reicht, so die EnBW weiter. Die Fläche für den Winterbacher Windpark hat die EnBW vom Landesbetrieb ForstBW gepachtet. Er ist seit Dezember 2017 in Betrieb. „Die jetzigen Anlagen sollen mindestens 25 Jahre in Betrieb sein. Weitere Anlagen am Standort Goldboden sind nicht vorgesehen, da die Fläche, die raumplanerisch zur Windenergienutzung vorgesehen ist, mit den drei Anlagen maximal beplant ist“, so die EnBW. Das Unternehmen plant außerdem drei Anlagen am Standort Welzheim/Plüderhausen im Gebiet Hohbergkopf-Eichenzell. Das Einreichen des Genehmigungsantrags sei noch für 2021 geplant.
Dass es in Welzheim bislang nicht über eine Windkraftanlage hinausging, betrübt die Akteure der Firma Bürgerwind Welzheim sehr. Ihr 2004 genehmigtes und gebautes Windrad – das seinerzeit erste im Rems-Murr-Kreis – hat eine Nabenhöhe von 70 Metern, einen Rotordurchmesser von 54 Metern und kann rechnerisch rund 250 Haushalte jährlich mit Strom versorgen. Es sollte eigentlich nicht das einzige Windkraftprojekt in Welzheim bleiben. Doch das Vorhaben vor einigen Jahren, zwei weitere Anlagen im nahe gelegenen Wald zu bauen, scheiterte. Noch während die Untersuchungen liefen, stoppten die Bürgerwind-Mitglieder das Gutachten. „In 250 Metern Entfernung wurde das Nest eines Rotmilans gefunden. Das bedeutete das Aus. 27000 Euro hatten wir bis dahin bereits ins Gutachten investiert“, erinnert sich Friedrich Krauter als technischer Geschäftsführer der Welzheimer GmbH&Co. KG. In die andere Richtung planen konnten er und seine Kollegen auch nicht, weil dort ein Segelflugplatz mit 250-Meter-Sicherheitsabstand die Pläne durchkreuzt.
„Wir sehen uns durchaus ausgebremst. Zumal man den Rotmilan hier bei uns in der Region an allen Ecken und Kanten findet“, so Krauter auf die Frage, ob die Windkraftnutzung im Kreisgebiet vielleicht auch behördlicherseits auf Gegenwind stoße. Dabei brauche es gerade jetzt das Engagement im energiewirtschaftlichen Bereich, so Krauter: „Aber ich bin mittlerweile zu alt. Ich werde im Oktober 71. Die anderen Mitglieder von Bürgerwind sind auch nicht jünger.“ Er persönlich setzt darauf, dass eine neue Regierung in Berlin wieder Bewegung in den Windkraftausbau bringt.
Im Juni ist der Windpark Falkenhöhe ans Netz gegangen, an dem die Weissacher Energiegemeinschaft Anteile hält (wir berichteten). Dieser befindet sich allerdings bei Schramberg im Schwarzwald. Beim Versuch, ihr Energieportfolio vor der eigenen Haustür um Windkraft zu erweitern, hat sich die eingetragene Genossenschaft vor wenigen Jahren zwei blaue Augen geholt. Am Standort Zollstock-Springstein zwischen Auenwald, Sulzbach an der Murr und Murrhardt verhinderten ein Drehfunkfeuer für den Flugverkehr und Bürgerprotest den Bau von Windrädern. Am Standort Rudersberg-Jux nahe dem Rettichkreisel kamen wiederum einige Horste des Rotmilans dem schon weit fortgeschrittenen Projekt in die Quere.
Matthias Spinnler vom Vorstand der Energiegemeinschaft sieht aber wohl wieder Bewegung in das letztgenannte Vorhaben kommen, und zwar seitens der Flugsicherung. „Bei der Flugsicherung ist aktuell im Gespräch, dass der 15-Kilometer-Abstand zu Drehfunkfeuern verändert werden soll. Zudem soll das Drehfunkfeuer Luburg in Affalterbach wohl bis 2023 entfernt werden“, bestätigt das Waiblinger Landratsamt auf unsere Nachfrage. Derzeit liegen laut Landratsamt keine Anträge in Sachen Windenergie zur Bearbeitung vor. Zu den Standorten in Welzheim/Plüderhausen und Amalienhöhe in Aspach gemeinsam mit einem Oppenweiler Projekt seien aber Anträge angekündigt worden.
Derzeit liegen dem Landratsamt keine Anträge in Sachen Windenergie zur Bearbeitung vor.