Der Traum vom Überschallflug lebt
Start-ups wollen Überschallflieger erschwinglich machen – doch Wissenschaftler sind skeptisch
Luftfahrt - In den USA werden neue Überschallflugzeuge geplant. Ein ökonomischer Erfolg ist aber nach wie vor fraglich.
Stuttgart Der erste Flug der Concorde am 2. März 1969 dauerte nur 29 Minuten. Aber er läutete ein neues Zeitalter ein. Jedes Mal, wenn das Flugzeug die Schallmauer durchbrach, wurde den Passagieren Champagner serviert. Sie hätten es sonst nicht bemerkt. Das Vergnügen blieb aber bis zum Ende der Concorde im Jahr 2003 nur einem kleinen Kreis vermögender Passagiere vorbehalten, der Betrieb war nie rentabel.
Das lag auch daran, dass die Concorde, sobald sie auf Überschall beschleunigte, sehr laut war. Die USA verboten deshalb 1973 Überschallflüge über Land. Fast alle anderen Industriestaaten zogen nach. Die Concorde konnte also nur über dem Meer auf Maximalgeschwindigkeit beschleunigen.
Daraufhin stornierten zahlreiche Fluggesellschaften ihre Bestellungen. Es gingen nur 16 Maschinen in Dienst. Als am 25. Juli 2000 eine Concorde nach dem Start auf dem Pariser Flughafen verunglückte und 113 Menschen starben, war das Ende besiegelt.
Für den Unternehmer Blake Scholl, dessen Familie auf zwei Kontinente verteilt lebt, passt dieses Scheitern allerdings nicht zum heutigen globalisierten Alltag: „Es ist unglaublich, dass die Flugzeuge heute nicht schneller fliegen als jene, die meine Eltern benutzten“, sagt er in einem Vortrag. Mit seinem Start-up Boom Supersonic will Blake einen Transatlantikflug von dreieinhalb Stunden Dauer erschwinglich machen. Ein Ticket für einen Flug in Booms 55-Sitzer soll nicht mehr kosten als ein Ticket für die Businessclass. Im Lauf des Jahres soll eine kleine zweisitzige Version namensBaby Boomgetestet werden, der Passagierjet namens Overture soll dann bis Mitte der 20er Jahre abheben.
Andreas Strohmayer vom Institut für Flugzeugbau der Universität Stuttgart hält diesen Zeitplan allerdings für unrealistisch. Der Leiter des Bereichs Flugzeugbau glaubt, dass mindestens zehn weitere Jahre vergehen werden – zumal der aktuelle Entwurf aus seiner Sicht zu sehr vom Wunschdenken der Designer und weniger von technischen Realitäten geprägt ist. So seien die Fenster viel zu groß, sagt Strohmayer. Booms KonkurrentenAerionund Spike setzen von vornherein auf andere Konzepte: Beide planen Businessjets mit zwölf bis 18 Sitzen. Strohmayer hält Aerion für das erfolgversprechendste Konzept – nicht nur, weil Aerion mit dem Entwicklerteam Skunk Works bei Lockheed Martin sowie dem Hersteller Boeing zusammenarbeitet. Sondern auch, weil die Firma von vornherein plant, über Land mit etwa 950 Kilometern pro Stunde zu fliegen und erst über dem Meer auf Überschall zu beschleunigen. Es wäre also keine Aufhebung der aktuellen Überflugverbote für Überschallflugzeuge notwendig. Ein Problem könnten aber auch für Aerion die Auflagen für Treibstoffverbrauch und Lärmemission werden. Der Umweltausschuss der internationalen Luftfahrtbehörde ICAO hat bereits signalisiert, dass für Überschallflugzeuge die Grenzwerte nicht angehoben werden sollen.
Ob die Nachfrage überhaupt groß genug wäre, ist zweifelhaft. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR ) haben 2011 den Markt für solche Businessjets analysiert. Die Befragten aus der Branche seien nicht euphorisch gewesen, bilanzierten die Autoren damals. Weder Chartergesellschaften noch Firmen hätten Interesse an einem Überschallflugzeug bekundet. Lediglich für vermögende Privatbesitzer wäre ein solches Statussymbol attraktiv.
Ein Flugzeug zu entwickeln, dessen Überschallknall deutlich leiser als bei der Concorde ausfällt, wird sich für einen solch begrenzten Markt allerdings kaum lohnen. Weit über 40 Milliarden Euro veranschlagt Andreas Strohmayer für die Entwicklung. Rechnet man das auf mögliche Stückzahlen um, zeigt sich, dass der Traum vom Überschallflug wohl ein Traum bleiben wird.