Der Verein „Politik mit Frauen“ feiert sein 20-jähriges Bestehen
Frauen für politische Ämter motivieren: Seit der Gründung des Vereins „Politik mit Frauen“ im Rems-Murr-Kreis setzt sich das Netzwerk dafür ein, dass mehr Frauen politische Verantwortungspositionen übernehmen.
Von Kristin Doberer
Kirchberg an der Murr. „Am Anfang hat man uns noch sehr belächelt“, erinnert sich Gudrun Wilhelm an die Gründung des Vereins „Politik mit Frauen“ vor 20 Jahren. Sie ist eines von sieben Gründungsmitgliedern des Netzwerks, das sich für mehr Chancengleichheit in der Politik einsetzt und Frauen dabei unterstützt, politische Ämter zu übernehmen. Doch aus den sieben Gründungsmitgliedern wurden schnell mehr. In den ersten zehn Jahren konnte das Netzwerk 150 Frauen für sich gewinnen, mittlerweile sind es 385 politisch engagierte Frauen. Sie kommen nicht mehr nur aus dem Rems- Murr-Kreis, in welchem der Verein seinen Ursprung hat, sondern auch aus ganz Deutschland und zum Teil auch schon aus dem Ausland, darunter auch einige Frauen in hohen politischen Ämtern.
Aber zurück zum Anfang: Entstanden ist der Verein aus einem Projekt der Landeszentrale für politische Bildung, dessen Ziel es war, mehr Frauen für politische Ämter zu gewinnen. Im Rems-Murr-Kreis habe es im Zuge dieses Projekts viele Seminare, Fortbildungen, Treffen und Vorträge gegeben, erinnert sich Gudrun Wilhelm. „Es waren viele tolle Frauen aus der Region dabei, die man ohne das Projekt nie kennengelernt hätte“, sagt Wilhelm. Sofort habe man damals gemerkt, wie sehr ein solches Netzwerk aus politisch interessierten Frauen motivieren und unterstützen könne. Schnell war klar: Man will nach Ende des Projekts nicht zulassen, dass alle wieder als Einzelkämpferinnen in ihren jeweiligen Parteien und Gremien verschwinden.
385 Mitglieder aus ganz Deutschland sind in dem Netzwerk vertreten
Nach der Gründung wuchs die Mitgliederzahl des Netzwerks schnell, mehrmals musste sogar die Satzung geändert werden. Denn war der Verein zunächst nur für die politisch engagierten Frauen aus dem Rems-Murr-Kreis gedacht, gab es bald auch Interessierte in den umliegenden Landkreisen. „Erst haben wir die Satzung so geändert, dass alle aus Baden-Württemberg Mitglieder werden können.“ Als selbst das nicht mehr gereicht hat, wurde die örtliche Begrenzung einfach gestrichen. Mittlerweile gibt es selbst Verbindungen ins Ausland.
Und wie genau unterstützt der Verein nun Frauen in der Politik? Zum einen gibt es seit der Gründung ein Mentorinnenprogramm. Eine erfahrene Mandatsträgerin wird mit einem Neuling zusammengebracht. Dabei ist es die Aufgabe der Mentorin, ihrer Mentee das politische Tagesgeschäft zu erläutern und sie zu unterstützen. „Zum Beispiel helfen die Mentorinnen vor Wahlen: Wie trete ich auf? Wie spreche ich in der Öffentlichkeit? Und solche Dinge“, erklärt Wilhelm. Sie stehen ihren Schützlingen aber auch bei konkreten Fragen zur Seite und helfen beim Knüpfen wichtiger Kontakte über ihre eigenen Netzwerke. „Und der Verein fängt einen bei einer Wahlniederlage auch auf“, so Wilhelm.
Aber nicht nur bei Wahlen will das Netzwerk unterstützen, sondern schon deutlich vorher. „Unser Engagement setzt früher an. Viele Frauen muss man erst mal auf die Idee bringen, sich um ein politisches Amt zu bemühen“, sagt Anette Groschupp, die das Amt der Präsidentin vor zwei Jahren von Gudrun Wilhelm übernommen hat. So seien viele Frauen zwar schon Verantwortungsträgerinnen in Vereinen, im Elternbeirat oder in sonstigen lokalen Gruppen, für den Sprung in die Lokalpolitik brauche es häufig aber noch mal weitere Motivation. Zugleich macht Groschupp deutlich: „Man kann bei uns schon auch unterschwellig dabei sein, sich bei Veranstaltungen die Erfahrungsberichte der anderen anhören und dann überlegen, ob das etwas für einen selbst ist.“
Mitglieder werden über Bildungsangebote rund um die Arbeit in politischen Gremien informiert
Aber nicht nur die Politikneulinge profitieren von dem Netzwerk, sondern auch die Frauen, die bereits in den Gremien sitzen. So werden die Mitglieder zum einen über Bildungsangebote rund um die Arbeit in politischen Gremien informiert: Wie läuft eine Sitzung ab? Wie setzt sich der Haushaltsplan zusammen? Welches Amt ist für was zuständig? Und vieles mehr. „Zu solchen Veranstaltungen gehen Mitglieder oft gemeinsam. In der Gruppe hat man dann immer jemanden, der einen mitzieht“, sagt Groschupp. Besonders schätzen die Frauen auch den Austausch mit Mandatsträgerinnen aus anderen Regionen. Es sei immer wieder interessant, wie in anderen Städten und Gemeinden mit ähnlichen Herausforderungen umgegangen wird, meint Wilhelm, die zum Beispiel auch Gemeinderätin in Kirchberg an der Murr sowie Mitglied des Kreistags des Rems-Murr-Kreises ist. Dabei kommen die Mitglieder aus unterschiedlichen Parteien, die in ihren Einstellungen auf lokaler und bundespolitischer Ebene nicht immer einer Meinung sind. „Politische Streitigkeiten gibt es bei uns eigentlich nicht“, sagt Gudrun Wilhelm.
Blicken die beiden Frauen auf die 20-jährige Vereinsgeschichte zurück, fallen ihnen so einige Höhepunkte ein. Zum Beispiel, als der Verein 2016 Mitgliedsverband beim Landesfrauenrat Baden-Württemberg wurde. Mit zu den Highlights gehören aber besonders die Reisen, die der Verein seit 2011 jährlich anbietet. „Diese Erlebnisse sind nicht von der Stange“, betont Wilhelm. Zum Beispiel war eine Gruppe 2014 in Kiew, von ukrainischen Mitgliedern sei damals nicht nur ein Treffen mit Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko organisiert worden, sondern auch besondere Künstler und Musiker habe die Gruppe persönlich kennenlernen dürfen. Auch bei anderen Reisen innerhalb und außerhalb von Deutschland konnten die Frauen durch die zahlreichen Kontakte der Vereinsmitglieder besondere Reiseerlebnisse mit nach Hause nehmen: vom Besuch im Europaparlament bis hin zu persönlichen Führungen durch Unternehmen. „Jede bringt etwas Eigenes mit ein“, so Groschupp. „Wir sehen so nicht nur, was Frauen in anderen Ländern bewegt, wir lernen auch ganz andere politische Verhältnisse kennen“, sagt die Präsidentin. Trotzdem drehe es sich im Verein nicht immer um politische Themen. Wichtig sei auch einfach der Austausch und regelmäßige Kontakt unter den Mitgliedern.
Den Verein „Politik mit Frauen“ für die Zukunft aufstellen
Auch nach 20 Jahren ist für beide klar: Ein solches Netzwerk für Frauen in der Politik braucht es auf jeden Fall auch heute noch. „Wir sind ja noch lange nicht bei einem Frauenanteil von 50 Prozent. Und wenn wir von Gleichstellung reden, ist das schon das Ziel“, sagt Groschupp. Während die Ziele also noch immer die gleichen sind, legen die Verantwortlichen aber Wert darauf, dass sich der Verein für die Zukunft aufstellt. Dazu gehört, dass sich die Vorstandschaft verjüngt. Zum Beispiel hat Gudrun Wilhelm nach 18 Jahren den Titel der Präsidentin abgegeben. Auch gibt es nun Frauen, die gerade in ihren 20ern sind, in der Vorstandschaft. „Die Jüngeren ticken etwas anders, aber wir brauchen alle Generationen“, so Groschupp. „Die Erfahrung der Älteren und die innovativen Ideen der Jüngeren.“