Polizei warnt

„Deutschland hat ein Messer-Problem“

Seit dem Anschlag von Solingen rücken Messer-Angriffe einmal mehr in den Fokus. Wie viele es insgesamt gab, steht noch nicht fest. Deutliche Worte kommen von der Gewerkschaft der Polizei.

Ein Kriminaltechniker stellt ein Messer am Tatort sicher. Fast täglich gibt es Verbrechen, die mit einem Messer als Tatwaffe begangen werden.

© dpa//Roland Halkasch

Ein Kriminaltechniker stellt ein Messer am Tatort sicher. Fast täglich gibt es Verbrechen, die mit einem Messer als Tatwaffe begangen werden.

Von Markus Brauer/dpa

Im Kampf gegen Messer-Kriminalität fordert die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Verschärfungen des Waffenrechts. „Vor allem Intensivtäter dürfen keine Messer und Waffen mit sich führen“, fordert der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke. „Deutschland hat ein Messer-Problem.“ Laut einer Umfrage ist in einigen Bundesländern die Zahl der Messer-Angriffe dieses Jahr erneut abgestiegen.

Wie hat sich die Zahl der Messer-Angriffe entwickelt?

Noch gibt es keine Zahlen dazu, wie viele Messer-Angriffe es in Deutschland im zu Ende gehenden Jahr insgesamt gab. Als solche zählen im Sinne der Polizeistatistik jene Tathandlungen, bei denen der Angriff mit einem Messer unmittelbar gegen eine Person angedroht oder ausgeführt wird. Das bloße Mitführen eines Messers reicht dafür nicht aus.

  • 2023 registrierte die Polizei in Deutschland 8951 Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung, bei denen Messer zum Einsatz kamen – entweder um jemanden zu verletzen oder damit zu drohen.
  • Das entspricht einem Anstieg um knapp 9,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
  • Auch 10,9 Prozent aller Raubdelikte, die 2023 aktenkundig wurden, waren Messer-Angriffe.

Der GdP-Chef Kopelke beklagt die Datenlage: „Wir haben nicht genug und valide Informationen und Zahlen.“ Seinen Angaben zufolge werden diese Fälle erst ab dem kommenden Jahr besser erfasst. „Schon jetzt sehen wir aber die gestiegene Zahl der Einsatzlagen mit Messer-Angriffen“, erklärt der Gewerkschafter. Messer-Kriminalität sei Alltag bei der Polizeiarbeit geworden.

Wie sieht die Lage in den Bundesländern aus?

Eine Umfrage unter Landesinnenministerien und -kriminalämtern verweist für dieses Jahr auf unterschiedliche Entwicklungen bei den Messer-Angriffen je nach Region:

  • In Brandenburg etwa wurde für dieses Jahr im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg der Zahlen erwartet.
  • Auch im Saarland, in Sachsen und in Schleswig-Holstein deutete sich dies, teils auf Basis der Entwicklung in den ersten zehn Monaten, an.
  • In Rheinland-Pfalz gab es laut Innenministerium vorläufigen Zahlen zufolge im ersten Halbjahr ähnlich viele Messer-Angriffe wie im Vorjahreszeitraum.
  • In Berlin und Hessen verweisen Polizei beziehungsweise Innenministerium ebenfalls auf ein bislang ähnliches Niveau wie im Vorjahr.
  • Ein Rückgang wurde nach Angaben der jeweiligen Landeskriminalämter in Sachsen-Anhalt in den ersten zehn Monaten des Jahres festgestellt und in Mecklenburg-Vorpommern für das gesamte Jahr erwartet.

Was ist der Hintergrund der Verschärfungen?

Nach der tödlichen Messer-Attacke von Solingen im August beschloss die damalige Koalition aus SPD, Grünen und FDP das sogenannte Sicherheitspaket. Der Bundestag nahm dies im Oktober an, der Bundesrat stoppte einen Teil davon – Verschärfungen im Waffenrecht wurden allerdings beschlossen.

Im Waffengesetz steht nun etwa, dass das Verbot, Waffen bei Volksfesten oder Sportveranstaltungen mitzuführen, ausdrücklich auch für Messer gilt. „Wir verbieten Messer auf öffentlichen Veranstaltungen und ermöglichen den Ländern, weitergehende Messer-Verbote zu erlassen“, hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser dazu im Herbst gesagt. Vor Beginn der Adventszeit forderte die SPD-Politikerin die Behörden in allen Bundesländern zu strengen Kontrollen des Messer-Verbots auf Weihnachtsmärkten auf.

Was sind die Forderungen?

  • Mehr Polizisten: Die Gewerkschaft nennt die Verschärfungen einen „wichtigen Schritt“. Der GdP-Bundesvorsitzende gibt aber zu bedenken: „Um verdachtsunabhängige Kontrollen in Waffenverbotszonen flächendeckend und wirklich effektiv umzusetzen, fehlt es jedoch an ausreichend Polizisten.“ Kopelke beklagt: „Der Politik fehlen zunehmend die Ideen im Kampf gegen dieses Phänomen.“ Bei dem Messer-Angriff auf dem Solinger Stadtfest waren drei Menschen getötet und acht weitere verletzt worden. Der tatverdächtige Syrer hätte eigentlich 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden sollen. Die Terrorgruppe Islamischer Staat hatte den Anschlag für sich reklamiert.
  • Video-Überwachung: Kopelke spricht sich für mehr Video-Überwachung aus. Zudem sollten verstärkt moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz eingesetzt werden,fordert er mit Blick auf Maßnahmen gegen Messer-Gewalt. „Die Menschen in Deutschland fühlen sich dadurch auch sehr unsicher.“ Vor allem junge männliche Räuber setzten Messer immer öfter ein. Auch Streitereien endeten immer häufiger mit Messerstechereien mit Schwerverletzten, so Kopelke. „Dank den vielen Profis in den Notaufnahmen versterben die Opfer nicht so häufig.“

„Ernsthafte Bedrohung der Sicherheit“

Die Justizminister der Länder erklärten, dass die steigende Zahl an Straftaten mit Messern „von der Bevölkerung zu Recht als eine ernsthafte Bedrohung ihrer Sicherheit empfunden“ werde. Das war im Juni 2019. Hat die Messergewalt in Deutschland seitdem zugenommen? Fragen und Antworten zu einem politisch hochbrisanten Thema.

Hat die Verwendung von Messern im öffentlichen Raum zugenommen?

Ja, eindeutig! In Deutschland ist zu einem Anstieg von Messerangriffen insbesondere an Bahnhöfen gekommen. Die Bundespolizei registrierte in ihrem Zuständigkeitsbereich insgesamt 430 Fälle – im Vergleich zu 777 im gesamten Vorjahr.

Wie ist die Gesetzeslage?

In Deutschland sind Erwerb und Besitz bestimmter Messer wie Butterfly-Messer bisher bereits verboten. Ein Verstoß kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Laut Bundesinnenministerium dürfen zudem Messer mit einhändig feststellbarer Klinge, sogenannte Einhandmesser, sowie feststehende Messer mit einer Klingenlänge von über zwölf Zentimetern nicht außerhalb der eigenen Wohnung oder des eigenen Grundstücks mitgeführt werden. Verstöße können zu einer Geldstrafe führen.

Wie hoch ist das Strafmaß bei Messergewalt?

Der Einsatz eines Messers kann laut Strafgesetzbuch mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert werden. Als Mindeststrafe sieht Paragraf 224 StGB Freiheitsentzug von sechs Monaten vor. In minder schweren Fällen liegt der Strafrahmen zwischen drei Monaten und fünf Jahren.

Konkret ist in Paragraf 224 auch nicht von Messern als Tatwerkzeug die Rede, stattdessen ist dort unter anderem der Einsatz einer „Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs“ aufgeführt. Wenn der Täter den möglichen Tod des Opfers billigend in Kauf nehme, kommt zudem eine Strafbarkeit wegen eines versuchten Tötungsdelikts in Betracht.

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Erstellt:
27. Dezember 2024, 09:40 Uhr
Aktualisiert:
27. Dezember 2024, 12:31 Uhr

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