Dialog zur Backnanger Grabenstraße beginnt

Die Frage, ob man die Autos aus der Grabenstraße verbannen oder den Verkehr zumindest stark reduzieren sollte, beschäftigt die Backnanger Kommunalpolitik schon seit Jahren. Jetzt bittet OB Maximilian Friedrich die Händlerschaft zum Gespräch und hofft auf einen Konsens.

Jede Menge Autos an einem Adventssamstag in der Grabenstraße. Aus Sicht vieler Kommunalpolitiker leidet darunter die Aufenthaltsqualität für die Passanten.Archivfoto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Jede Menge Autos an einem Adventssamstag in der Grabenstraße. Aus Sicht vieler Kommunalpolitiker leidet darunter die Aufenthaltsqualität für die Passanten.Archivfoto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Das Thema Grabenstraße weckt in Backnang Emotionen. Allein die von Baubürgermeister Stefan Setzer geäußerte Idee, die Einkaufsstraße testweise für den Durchgangsverkehr zu sperren, sorgte vor einem Jahr für helle Aufregung unter den ansässigen Händlern. Sie befürchten Umsatzeinbußen, wenn ihre Kunden nicht mehr mit dem Auto bis vors Geschäft fahren können. Oberbürgermeister Maximilian Friedrich legte die Pläne damals erst einmal auf Eis und kündigte einen „moderierten Dialogprozess“ an, der nun beginnt. Gestern Abend traf sich erstmals eine sogenannte Lenkungsgruppe.

Ihr gehören Vertreter der Händlerschaft, der Gemeinderatsfraktionen und der Stadtverwaltung an – insgesamt rund 30 Personen. Geplant sind laut Stefan Setzer noch zwei bis drei weitere Sitzungen bis zu den Sommerferien. Moderiert werden diese von Stefan Holl von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) in Ludwigsburg. „Er bringt große Expertise im Bereich Einzelhandel mit und hat ähnliche Prozesse auch schon in anderen Städten begleitet“, erklärt Maximilian Friedrich. Außerdem hofft der OB, dass ein neutraler Moderator die emotionale Debatte wieder versachlichen kann, denn sein Ziel ist ein möglichst breiter Konsens. „Unsere Hoffnung ist, dass wir zu einer Lösung finden, hinter der sich viele wiederfinden“, sagt Friedrich.

OB Friedrich will sichnoch nicht positionieren

Wie diese aussehen könnte, ist noch unklar. „Die Gespräche sind ergebnisoffen“, betont Stefan Setzer. Der OB vermeidet es sogar, im Vorfeld eine eigene Position zu einer möglichen Verkehrsberuhigung in der Grabenstraße zu formulieren. Er wolle sich zunächst alle Argumente anhören und sich erst dann öffentlich positionieren.

Kein Geheimnis ist allerdings, dass sowohl die Verwaltungsspitze als auch eine Mehrheit im Gemeinderat mit der aktuellen Situation nicht zufrieden sind. Mehr als 2000 Fahrzeuge rollen täglich durch die Grabenstraße, viele davon schneller als mit der erlaubten Schrittgeschwindigkeit. Darunter leidet die Aufenthaltsqualität. Dabei werde die immer wichtiger, um gegen die Konkurrenz des Onlinehandels zu bestehen, erklärt Friedrich. „Ich bin der Meinung, es gibt Optimierungspotenzial in der Grabenstraße“, sagt der OB und ist überzeugt, dass er dabei für große Teile der Backnanger Bevölkerung spricht. Bei einer Umfrage, die für das kürzlich vorgestellte Einzelhandelskonzept durchgeführt wurde, war eine autofreie Grabenstraße jedenfalls der am häufigsten genannte Wunsch.

Die radikalste Lösung, nämlich eine Fußgängerzone in der kompletten Straße, ist aber wohl keine realistische Option. Denn es gibt dort etliche private Tiefgaragen und Stellplätze, die auch künftig angefahren werden müssen. Auch Linienbusse werden wohl weiterhin durch die Straße rollen.

Poser fahren in der Grabenstraße ihre aufgemotzten Autos spazieren

Das größere Problem ist allerdings der Durchgangsverkehr, vor allem die sogenannten Poser, die in der Grabenstraße ihre aufgemotzten Autos spazieren fahren. Etliche Kommunalpolitiker würden sie gerne aus der Straße verbannen. Im Gemeinderat gab es dazu auch schon mehrere Anträge aus verschiedenen Fraktionen. Vor allem Heinz Franke und seine SPD fordern schon seit Jahren einen autofreien „Graben“. Viele Händler sind jedoch strikt dagegen: „Die Grabenstraße ist eine Hauptschlagader der Stadt“, erklärt Optiker Jochen Stroh. „Wenn wir die zumachen, schotten wir uns ab.“ OB Friedrich betont indes, er wolle keine Lösung, die zu Verschlechterungen führt.

In der Lenkungsgruppe geht es nun darum, mögliche Kompromisse auszuloten. Denkbar wäre etwa, die Einfahrt von der Sulzbacher Brücke zu sperren, Autos aber weiterhin von der Talstraße über die Bácsalmás-Brücke hinter dem Drogeriemarkt Müller in das Quartier fahren zu lassen. Auch der Bau einer neuen Murrbrücke wurde schon diskutiert.

Trotz der schwierigen Ausgangslage ist der OB zuversichtlich, dass ein Konsens möglich ist: „Es ist meine Überzeugung, dass man mit einer Begegnung auf Augenhöhe viel erreichen kann.“ Auch Jochen Stroh, der als ein Vertreter der Händlerschaft an den Sitzungen teilnehmen wird, ist zuversichtlich: „Ich habe in der Vergangenheit immer gute Kompromisse mit der Stadt gefunden und bin davon überzeugt, dass das auch jetzt möglich ist.“

OB Friedrich hofft, dass die Lenkungsgruppe bis zum Sommer eine Empfehlung präsentiert

Zu den Mitgliedern der Lenkungsgruppe gehört auch Martin Windmüller. Als Vorstandsmitglied des Stadtmarketingvereins hat er nicht nur die Grabenstraße, sondern die gesamte Innenstadt im Blick. „Unser Ziel muss es sein, dass Backnang als Einkaufs- und Erlebnisstadt erfolgreich bleibt oder noch erfolgreicher wird“, sagt Windmüller. Im Gegensatz zu den Händlerkollegen aus der Grabenstraße steht er einer Verkehrsberuhigung daher positiv gegenüber: „Die Erfahrung hat gezeigt, dass Fußgängerzonen auf Dauer erfolgreich sind“, sagt der Einzelhändler.

Aus diesen sehr unterschiedlichen Meinungen und Interessen eine gemeinsame Position zu bilden, wird nun die Aufgabe der Lenkungsgruppe sein. OB Friedrich hofft, dass diese bis zum Sommer eine Empfehlung präsentiert, die dann im Herbst im Gemeinderat beraten werden kann. Auch die Öffentlichkeit soll dann informiert und beteiligt werden. Jetzt diskutiert die Gruppe aber erst einmal hinter verschlossenen Türen. Stefan Setzers Begründung: Zu viel öffentliche Aufregung wäre bei der Suche nach einer Lösung nicht förderlich.

Kommentar
Wer findet das Ei des Kolumbus?

Von Kornelius Fritz

Der Backnanger Oberbürgermeister Maximilian Friedrich löst Konflikte nicht im Basta-Stil, sondern bemüht sich um Kompromisse und einen breiten Konsens. Das ist grundsätzlich löblich, im Fall der Grabenstraße aber auch riskant. Denn die Positionen könnten hier kaum weiter auseinanderliegen. Die einen würden die Autos gerne aus der Einkaufsstraße verbannen, die anderen wollen, dass ihre Kunden auch weiterhin mit dem Pkw bis vor die Ladentür fahren können. Wie ein Kompromiss aussehen könnte, der diese Gegensätze friedlich vereint, ist schwer vorstellbar.

Man darf also gespannt sein, ob die Lenkungsgruppe bis zum Sommer tatsächlich das Ei des Kolumbus entdeckt. Wenn nicht, kann so ein Dialogformat auch mit reichlich Frust bei denen enden, die zwar gehört, aber nicht erhört wurden.

k.fritz@bkz.de

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Erstellt:
9. Mai 2023, 06:00 Uhr

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